Was kann ich tun
um Dir ein Bild zu zeichnen
von dem Hass, der meine Träume bedroht
von meinen täglichen Kämpfen
gegen die Peitschenschläge der Sehnsucht
und von dem Wahnsinn, der langsam
an den Schatten der Mauern emporsteigt.
Was kann ich schließlich tun
um diesen winzigen Raum
in Deinen Gedanken
möglich zu machen, damit Du mich sehen kannst dort, wo ich jeden Abend zum Schlafen mich lege
damit Du mich für ein Weilchen begleitest
und bei mir bleibst, Seite an Seite
beruhigend
schweigsam
und still.
Ich verstehe den Rauch
Ich verstehe
den Rauch meiner Zigarette.
In seinem Drang, frei zu sein
dehnt er sich
löst er sich auf.
Der Raum der Freiheit
(Nach einem anonymen Textfragment
aus einem Gefängnis in Argentinien)
Dieser Tag war sehr lang. Von neun Uhr bis
fünf Uhr arbeiten sie und ich kann nun
meinen Körper nicht mehr beherrschen.
Meine Haut ist ein Kraterfeld, ein
Niemandsland zwischen den Fronten
ein Netz aus geprügelten Zellen, verbrannt
schmerzend, vom Fieber gerötet.
Ich kann weder stehen noch liegen. Ich gehe
auf und ab und weiß,
dass ich ab morgen nicht mehr gehen kann.
Morgen werden sie meine Fußsohlen töten.
Den Raum aber, der unter meiner Haut liegt
und selbst noch hinter meinen Knochen
den Raum des Horizontes
der in jedem Körper eingeschlossen ist
den Raum der Freiheit berühren sie nicht.
Aber missverstehe mich nicht: Ich werde
auch morgen kein Held sein. Es gibt keine
Helden, außer in Feierstunden und unter den
Toten. Ich werde wieder schreien und mich
wieder übergeben. Ich werde erniedrigt sein
noch einmal, noch einmal ein Bündel
Entsetzen sein, fassungslos brüllend, für
Momente gestorben. Aber ich werde wieder
ein Mensch sein, ein Teil der Schöpfung, die
sich die Würde niemals nehmen lässt.
Ich werde stolz sein,
mitten im Hagel der Demütigung.
Ich werde jedes Geständnis unterschreiben
jedes wahre, jedes falsche. Ich werde, wenn
es nichts mehr zu ertragen gibt, vielleicht
meine eigene Mutter verleumden
ich werde auf Knien betteln, ich werde alles
sagen, was man von mir hören will.
Aber ich werde kein einziges Wort verlieren,
keine Geste, keine Bezeichnung, keinen
Ausdruck über mein Dasein als Mensch.
Zeig Würde, Mutter
Zeig Würde, Mutter
wenn Du das Gefängnis betrittst
wenn Du darum bittest
mich sprechen zu dürfen.
Beuge Dich nicht vor ihnen
erniedrige Dich nicht.
Sie sollen die Verachtung
in Deinen Augen spüren
und fühlen, wie eine Mutter sie beschämt.
Vor allem aber
lass sie keine einzige Träne sehen
erlaube ihnen niemals
sich an Deinem Schmerz zu weiden.
Niemals zuvor
Niemals zuvor
hat mir die Luft so sehr gefehlt
die ich zum Leben brauch’
Niemals zuvor
hab’ ich, um nicht zu sterben
ein Lächeln so gesucht
Niemals zuvor
hab’ ich so kompromisslos lieben müssen
um dem Hinterhalt des Hasses zu entgehen.
Nebenan
(geschrieben im Gefängnis von Valparaiso)
Zwanzig Minuten von hier
liegt Viña del Mar, die Gartenstadt
mit ihren Stränden von weißem Sand
mit ihren reichen Touristen
ihren Marinekadetten
ihren Funktionären
ihren Devisen
und mit dem Schloss, wo
der Diktator Urlaub hält
umgeben von seinem Hofstaat der Henker.
Sie weiß von alledem. Aber
sie zieht es vor, mich zu besuchen
mich
in dem brüchigen, stinkenden Gefängnis
in dem ich bin, und mir
dort leise in das Ohr zu flüstern:
Noch dieses Jahr fällt der Tyrann...
Gefängniswärter
Geh auf Deiner Mauer spazieren
befiehl mir, die Kerze zu löschen
puste in Deine Trillerpfeife bis
kein Atem übrigbleibt und
sperr mich hinter Schloss und Riegel ein
Was kümmerst Du mich
Ich werde von einem Mädchen geliebt
Sie wird mich am Besuchstag umarmen
mich
Während Du in Deinem Wachturm
verlassen
am Daumen lutschst.
Wenn sie mich besucht
Wenn sie mich besucht
schere ich mich einen Dreck
um den Einheitsfraß
den dreimal täglichen Appell
den Geruch von Scheiße über dem Kübel
und um das Urteil.
Die Spur
Solange ich nicht aufhöre
die offene Klarheit