Mit dem Bumsbomber nach Bangkok. Dr. Robert Tiefenbach. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dr. Robert Tiefenbach
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847639794
Скачать книгу
an eine Straßenecke setzen und den Menschen eine Sammelbüchse entgegenhalten.

      Nachmittags habe ich mir mein Notizbuch genommen, wollte rausgehen und in irgendeiner Bar meine Erinnerungen niederschreiben. Als ich an der Bar vorbeikam, in der Kat arbeitete, traf ich dort Brin. Sie fragte mich, wo Kat sei, sie sei nicht zur Arbeit erschienen. Offensichtlich bewegte Kat wirklich etwas, sie war doch tatsächlich in ihrem Zimmer geblieben. Ich erklärte Brin, dass Kat heute zu Hause bleiben wolle und nicht käme. Brin schien hierüber irgendwie beunruhigt.

      In einer anderen Bar setzte ich mich an die Außentheke, bestellte mir eine Cola und schrieb das Erlebte in mein Notizbuch. Auf die übrigen Gäste musste ich wie ein Alien wirken – ich saß dort, ließ mich durch nichts ablenken und schrieb ohne Unterlass. Kurzzeitig überlegte ich, wie viele der hier anwesenden Touristen überhaupt des Schreibens mächtig seien, sehr viele erschienen mir recht einfach. Der Stift machte schlapp, gab keine Tinte mehr her, unterbrach meinen Schreibfluss und zwang mich zurück ins Hotel. Doch vorher brauchte ich etwas zu essen, mein Magen knurrte gewaltig. Eine größere Straßenküche auf dem Bürgersteig lockte mich an, daneben standen vor einigen alten Klapptischen verschiedenfarbige Plastikhocker. Das war genau das Richtige, das war Bangkok, Mc Donalds und Co reizten mich nicht mehr. Die Speise konnte ich mir aus der Vielfältigen Auswahl diverser Fleisch- und Gemüsesorten selber zusammenstellen, ich brauchte nur auf das zu zeigen, was ich haben wollte. Ein Würstchen ist immer eine sichere Sache, das würde sicher gut schmecken, dazu noch ein paar frittierte Tintenfischringe, etwas gegrilltes Rindfleisch und eine Schale Reis. Die Küche wurde von einem jungen Mann und seiner Mutter bewirtschaftet, beide konnten kein Englisch und ich kein Thai, die Verständigung erfolgte über Hände und Füße. Als ich bezahlen wollte, hob der junge Mann vier Finger. Gut, also 40 Baht. Bevor ich jedoch mein Geld aus der Tasche ziehen konnte, kam die Mutter hinzu und zeigte fünf Finger an. Ich interpretierte diese zusätzlichen 10 Baht als „Touristenrabatt“ und hoffte, dass der junge Mann später keinen Ärger mit seiner Mutter bekam, weil er zuerst weniger verlangt hatte. Die Tintenfischringe waren erstaunlich gut, richtig cross und kein bisschen gummiartig, sie hatten etwas Snackähnliches. Paradoxerweise hat das Würstchen am exotischsten geschmeckt.

      An den zahlreichen Straßenständen sind mir relativ viele Händler aufgefallen, die sich mittels Gebärdensprache verständigten. Ob sie wirklich taubstumm waren oder diesen Weg gewählt hatten, um nicht gegen den Straßenlärm ankämpfen zu müssen, wusste ich nicht. Vielleicht bekäme ich es noch heraus. Wer bei seinem Marsch den Straßenständen entlang den Fehler machte, sich etwas anzusehen oder zufällig mit dem Händler Blickkontakt aufnahm, hatte verloren. Dies wurde sofort als Einladung zu einem intensiven Verkaufsgespräch angesehen und man hatte Mühe, sich wieder loszueisen.

      Auch die Straßenhändler hatten eine wichtigste Waffe – in Form eines riesigen Taschenrechners mit einer überdimensionalen Ziffernanzeige. Wenn man mit ihnen ins Geschäft kommen wollte, tippten sie eine horrend große Zahl ein, zeigten einem diese. Man schüttelte den Kopf: „To much!“ Daraufhin bekam man den Taschenrechner in die Hand gedrückt und sollte seine Vorstellung über den Preis eintippen, die bedeutend niedriger war – kopfschütteln der Gegenseite kam als Resonanz. Das Feilschen ging in seine zweite Runde, der Händler tippte eine neue Zahl ein, die beträchtlich niedriger als die erste war, aber immer noch über dem Vorschlag des Kunden lag. Nun kam man ihm durch Erhöhung seines Angebots entgegen und einigte sich nach mehrmaligem Wechsel des Rechners auf einen Preis, der durchaus ein Drittel des Ausgangspreises sein konnte.

      Ich hatte vergessen, meine Badehose einzupacken. Aber es durfte nicht wahr sein, in einem Land, in dem man bei jedem zweiten Straßenhändler Viagra, Valium und Co kaufen konnte, gab es nicht einen, der Badehosen im Sortiment hatte. Selbst im Sportgeschäft war die Auswahl dürftig und nicht ansprechend. Bikinis sieht man immer wieder. Gehen nur Thai-Frauen schwimmen und ist dieses Männern verboten? Mir erschloss sich diese Logik nicht.

      Recht viele der vorbeihastenden Menschen trugen einen Mundschutz, es sah aus als ob sie gerade aus einem OP-Saal gekommen wären. Meine erste Überlegung diesbezüglich war, dass die Mundschutzträger Angst vor den Emissionen der Fahrzeuge und der Stadt hätten und so die Luft filtern wollten. Nach ein paar Tagen des Aufenthalts in Thailand revidierte ich diese Überlegung und tauschte sie gegen eine zweite: Die Träger hatten in meinen Augen immer noch Angst, aber nicht vor den Emissionen der Fahrzeuge und der Stadt, sondern vor den Emissionen der anderen Menschen. Ich befand mich in Asien, der Heimat der Vogelgrippe – sie hatten Angst sich hieran anzustecken. Gut, dass ich vorgesorgt hatte und eine Prophylaxe mitgenommen hatte. So war ich einigermaßen sicher und brauchte keine Sorge haben, dass ich es den Ladys aufgrund eines grippebedingten Ausfalls nicht mehr besorgen könnte.

      Nach meinem gelungenen Mahl wollte ich mich im Hotel auf den Abend vorbereiten. Zunächst einmal duschte ich ausgiebig, der kühle Wasserstrahl war nach der Hitze des Tages mehr als erfrischend und diente mehr der Abkühlung als der Reinigung. Ich warf mich in saubere Klamotten und machte mich auf den Weg nach Nana, wollte sehen, was heute auf mich wartete. Weit kam ich nicht. Die Bar, in der Kat arbeitete, war eine der ersten zwischen meinem Hotel und Nanas Zentrum. Kat saß auf einem Holzhocker vor der Bar, wartete auf Customers. Wir sahen uns gleichzeitig, sie sprang auf, kam mir entgegen, umarmte mich heftig und drückte mir erst einmal einen dicken Kuss auf die Lippen. Ich bemerkte, dass ihre Haare nicht mehr so glatt wie am Morgen, sondern lockig waren. Sie hatte mir im Baiyoke-Tower ein Foto von sich gezeigt, auf dem sie mit lockigem Haar zu sehen war. Als ich sie darauf angesprochen hatte, hatte sie geantwortet, dass sie für mich am nächsten Tag, also heute, ihre Haare lockig frisieren würde. Und nun waren sie lockig, sie hatte daran gedacht. Ich schlug vor, dass wir zuerst gemeinsam ein Bier trinken könnten, die Gesetze Thailands lernte ich schnell. Die Ladys lebten mitunter davon, dass sie die Urlauber zum Trinken animierten, warum sollte ich ihr nicht das Animieren-Müssen ersparen, indem ich ihr einen Schritt zuvorkomme und sie direkt zu einem Ladydrink einlade. Selbstverständlich willigte sie dem Vorschlag zu und wir saßen am Straßenrand am Tresen und schauten auf das touristische Treiben vor uns. Kat wäre nicht Kat gewesen, wenn sie sich mit einem Ladydrink zufrieden gegeben hätte. Sie würde gerne den Abend mit mir verbringen, zöge mit mir ein wenig durch Nana und wir hätten viel Spaß dabei. War das das, was ich auch haben wollte? Im Hotel hatte ich vorhin noch den Plan, mich in eine Bar zu setzen, ein Bier zu trinken (so weit war ich jetzt, ich saß in einer Bar und ich trank ein Bier) und dann zu sehen, welche Schönheit ich mit ins Hotel nehmen könnte. In Nana war derzeit „Nebensaison“ und es herrschte ein derartiges Überangebot an Ladys, dass kein Mann ungeküsst ins Bett gehen musste.

      Ich zögerte ein wenig, fühlte in mich hinein, wozu ich Lust hätte. In mein Zögern warf Kat ein, dass wir in eine Gogo-Bar gehen könnten, dort herrsche eine ausgelassene Stimmung und wenn ich wolle, würde sie anschließend auch zu sich nach Hause gehen, ich müsse sie nicht mit ins Hotel nehmen. Stimmt, von den Gogo-Bars hatte ich im Vorfeld meines Urlaubs gelesen, sie aber völlig aus den Augen verloren. Kats Vorschlag gefiel mir, so wäre alles offen und ich hätte bei meinem ersten Besuch einer Gogo-Bar an Sicherheit gewonnen; Kat war über alle Gepflogenheiten im Bilde und könnte mir alles erklären. Zudem war sie sehr quirlig, voller Elan und ich konnte mit ihr auch außerhalb des Betts sehr viel Spaß haben. Wir tranken in aller Seelenruhe unsere Bier aus, anschließend bezahlte ich die Getränke einschließlich ihrer Barfine, das übliche Vorgehen eben. Zu einer für Mitteleuropäer vorgerückter aber für Nana frühen Stunde sind wir Richtung Nana Place losgezogen, dem Herzen des Vergnügungsviertels. Die Straße mussten sich um diese Uhrzeit Fußgänger und Autos gleichermaßen teilen, da die Bürgersteige nach wie vor den vielen Händlern und Garküchen gehörten. Trotzdem ging alles sehr friedlich zu, jeder nahm auf jeden Rücksicht und ich habe nicht einmal einen Autofahrer hupen gehört.

      In Nana Place wollte Kat erst noch einen Fan begrüßen, ihn mir vorstellen, beziehungsweise mich ihm vorstellen – worin genau ihre Intention lag, wusste ich nicht. Wir steuerten in einem Hinterhofhaus einen kleinen Friseurladen an. Ihr Fan war der Friseur, der ihr am Morgen die Locken in die Haare gemacht hatte. Als er auf Kat aufmerksam wurde, stürmte er hocherfreut auf sie zu und begrüßte sie sehr herzlich. Er war selbst für Thai-Verhältnisse relativ klein und sah mit den grünen, eingeflochtenen Perlen in seinen kurzen, schwarzen Haaren flippig aus, was sehr gut zu seinem verschmitzten Gesicht passte.