„Tatsächlich? Ich studiere hier Pädagogik! Mein Seminarraum ist nebenan. Wir haben kein eigenes Gebäude...“
„Wir sind ja auch nur eine Handvoll Studenten“, grunzte Samuel von unten.
„... und deshalb sind wir überall, wo Platz ist.“ Sie beäugte ihn interessiert. „Was machst du da eigentlich?“
„Er zieht mir eine Cola“, erklärte ich, während Samuel am Automaten rüttelte.
„Ach so.“ Alexa grinste. „Ist er nicht süß?“
Dem konnte ich zustimmen, ohne zu lügen. Verdammt, ja. Er war süß.
„Na, wenn wir an der gleichen Uni sind, können wir ja gelegentlich zusammen fahren, oder?“, schlug Alexa vor. Ich nickte zögernd und dachte an meinen Porsche. Ich liebte schnelle Autos, auch wenn sie nicht zu meinem Studenten-Image passen wollten.
„Ich habe im Augenblick kein eigenes Auto“, sagte ich. „Das alte habe ich im letzten Winter gegen die Mauer gefahren, und eine Reparatur hätte sich nicht mehr gelohnt.“
„Macht nichts.“ Unbekümmert schüttelte Alexa ihre Löckchen. „Kannst bei mir mitfahren. Ist zwar eine alte Rostlaube, aber sie läuft noch.“
„Da!“
Erleichtert richtete Samuel sich auf und drückte mir eine Colaflasche in die Hand. Dann gab er seiner Freundin einen Kuss auf die Wange und schlang den Arm um sie. Ich drehte am Verschluss der Flasche und hielt sie dabei von mir weg.
„He! Aufpassen!“
„Das tut mir aber leid“, sagte ich sanft und trat nahe an Samuel heran, um ihn die Colaspritzer von der Jacke zu wischen. „Wie ungeschickt von mir.“
Er grinste gönnerhaft. „Nicht so schlimm. Diese Jacke hat Schlimmeres abbekommen als ein paar Colaspritzer.“
„Jedenfalls... wenn ich mal wo einbrechen muss, weiß ich, wen ich anrufe.“
„Klar doch. Immer. Mit ein bisschen Übung knacke ich auch einen Juwelier.“
„Aber vorher gehst du noch in die Montessori-Veranstaltung“, sagte Alexa und zog an seiner Hand. „Die fängt nämlich gleich an.“
„Dann viel Spaß, ihr beiden“, wünschte ich und sah zu, wie sie Arm in Arm davon schlenderten. Die Flasche war kalt und nass in meiner Hand. Ich nahm einen Schluck.
Schade, aber egal. Andere Mütter hatten auch hübsche Söhne.
Einer davon saß in der Vorlesung neben mir. Ein schmaler Blonder mit kurz geschnittenen Haaren und weichen Gesichtszügen. Nils, wie er sich flüsternd vorstellte.
Es war kein Problem, Nils nach der Vorlesung auf einen Kaffee in die Mensa zu bewegen. Der Prof hatte ja so schnell gesprochen, ich hatte gar nicht alles mitschreiben können und davon auch nur die Hälfte verstanden. Meine halb geöffnete Bluse, meine langen blonden Locken und mein Augenaufschlag hatten leichtes Spiel gehabt.
In der Mensa plapperte er über Algorithmen und Lineare Algebra, und ich versuchte, herauszufinden, ob ich Lust auf diesen Jungen hatte. Keine One-Night-Stands mehr, das hatte ich mir eigentlich vorgenommen, aber Samuels Bild hatte sich auf meiner Netzhaut eingebrannt – dieses Grinsen, diese Grübchen, diese flaschengrünen Augen – und dagegen musste ich etwas tun. Belangloser Sex konnte helfen. Und auf einen mehr oder weniger kam es auch nicht mehr an.
„Nils, ich muss los“, unterbrach ich ihn. „Aber ich würde dich gerne heute Abend treffen. Um neun in Mantis Roofgarden?“
Nils nickte und starrte mich verblüfft an. Ich nutzte meine Chance, hauchte ihm einen Kuss auf die Wange und machte mich davon, ehe er wieder beginnen konnte, mich zu langweilen.
~~~
Die Mai Tais in Mantis Roofgarden waren die besten der Stadt. Hatte ich irgendwo aufgeschnappt. Ich war gerade mit dem zweiten fertig, als Nils kam – überpünktlich.
Nils war schick zurecht gemacht, trug ein blaues Hemd und ein Sakko mit Lederflecken an den Ellenbogen. Retro, auf eine coole Art. Er setzte sich zu mir, bemerkte mein fast leeres Glas und bestellte mir sofort ein neues.
Der Abend zog sich. Nils war echt bemüht. Ich törnte ihn an, das war nicht zu übersehen. Meine langen Beine, die der ultrakurze Rock perfekt zur Geltung brachte, der Ansatz meiner Brüste, den mein Oberteil sehen ließ. Er wusste gar nicht, wohin er zuerst schauen sollte. Wir tauschten die üblichen Geschichten aus Schule und Elternhaus – alle gelogen auf meiner Seite des Tisches – und redeten über Uni, Studentenwohnheime und die Stadt. Das Kribbeln, das ich mit den Mai Tais erzeugen wollte, stellte sich nicht ein.
Ich beugte mich über den Tisch und fiel ihm ins Wort, indem ich meine Lippen auf seine presste.
Er riss die Augen auf, erwiderte meinen Kuss aber bereitwillig. Später ließ ich ihn mit der Hand unter meinen Rock greifen, im hinteren Teil der Bar, dort wo es zu den Toiletten ging und die Beleuchtung mehr als spärlich war. Er war furchtbar aufgeregt, rieb seine Erektion an meinem Schenkel und kam zwei Minuten später in seine Hose. Zu Tode gelangweilt wartete ich, bis er auf der Herrentoilette verschwand, um sich zu säubern, dann ergriff ich die Flucht.
Die zwei Jungs, die mir hinterherstolperten, hatten einfach nur Pech.
„He, Süße“, grölte der eine. „War das dein Macker, da eben?“
„Geht dich einen Dreck an“, fauchte ich über die Schulter. Mit meinen Zehn-Zentimeter-Heels konnte ich nicht rennen, doch selbst mit Turnschuhen wäre ich vermutlich geblieben, um den Jungs ihren fatalen Fehler klarzumachen.
„Hat er es dir ordentlich besorgt?“, fiel der andere ein. „Brauchst du's nochmal? Alte, du hast einen geilen Arsch!“
„Fass ihn an, und ich reiß dir die Eier ab.“
Sein Pech, dass er mir nicht glaubte. Sekunden später lag er auf dem Pflaster, schrie durchdringend und hielt sich die Kronjuwelen. Ich musste grinsen.
„Du auch?“, fragte ich den anderen. Der starrte mich an wie ein Reh einen Tanklastzug, dann machte er auf den Hacken kehrt und stürzte davon.
Ich atmete aus. Die Wölfin drängte von innen gegen meine Haut, das spürte ich. Ich stand kurz vor dem Zerreißen.
Ich schnappte mir das nächste Taxi und hetzte den Fahrer jenseits aller Tempolimits aus der Stadt.
Auf einem schmutzigen, aber großen Areal zwischen zwei Autobahnen ließ ich ihn stoppen, zahlte und stieg aus. Meine Heels versanken im weichen Boden. Während das Taxi davon fuhr, streifte ich sie mir von den Füßen und riss mir die Kleidung vom Leib. Kühl strich der Mond über meine nackte Haut.
Dann ließ ich die Wölfin ans Licht und rannte.
4. Kapitel
Winter 1588, Bedburg bei Köln
«Vielleicht hatte sie Glück, und er würde dort draussen erfrieren.»
Katharina verbiss sich die Schreie.
Entspannen. Locker lassen. Gleich ist es vorbei.
Peter lag schwer auf ihr, stieß sie hart und grunzte dabei wie ein Tier. Katharina spürte die Nässe zwischen ihren Schenkeln, aber es war keine Erregung, es war Blut. Ein dumpfer Schmerz wühlte in ihren Eingeweiden.
Er hatte ihr die Kleider vom Leib gerissen, was sie normalerweise in Erregung versetzte. Doch diesmal hatte er sie fast mit den Bändern ihrer Haube erwürgt, und das Knirschen des Stoffes, als ihr Unterkleid an der Naht aufriss, hatte sie immer noch im Ohr. Sie würde es flicken müssen, dabei war vom Zwirn kaum mehr als eine Elle übrig.
Und