Die Angelsächsin. Sabine Keller. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sabine Keller
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844231922
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unversöhnliche Feinde geschaffen hatte. Diese Männer durfte der König in der Tat nie ohne Gefahr aus den Augen lassen.

      „Es gibt nur wenige Menschen, auf deren Loyalität ich mich wirklich verlasse, und zu denen gehören weder unsere Söhne noch du. Mein Wille zählt hier und ihr würdet euch doch nie an meine Anweisungen halten.“

      „Wieso auch, wir sind durchaus in der Lage, selbst zu denken! Überleg doch bloß, was für ein Aufwand es ist, ständig mit dem ganzen Hofstaat durch die Gegend zu ziehen.“

      Das war es zweifellos, denn selbstverständlich wurde der König immer von seinem gesamten Hofstaat begleitet, bestehend aus Rittern, Beamten, Beratern, Priestern, Hofdamen, Edelmännern, Soldaten, unzähligen Bediensteten, außerdem Pferden, Hunden, Jagdfalken und sämtlichem Inventar, bis hin zu den Einrichtungsgegenständen seiner eigenen Kapelle. Entsprechend groß war der Zug an Menschen, Tieren und Wagen, der ihm jedes Mal folgte.

      Unterwegs residierte Henry, wie gerade hier in Vigeois, samt Hofstaat in einer seiner vielen eigenen Burgen oder auch als Gast bei einem seiner Lords, wobei er teilweise nur wenige Tage an einem Ort blieb. Für die mehr oder weniger hocherfreuten Gastgeber, denen diese hohe Ehre ungefragt und unabänderlich zuteilwurde, war es eine Selbstverständlichkeit, der vornehmen Gesellschaft die besten Quartiere und erlesensten Speisen zur Verfügung zu stellen. Ohne Entschädigung natürlich, denn die Auszeichnung des Gastgebers durch die Anwesenheit des Königs in seinem geehrten Hause war Gegenleistung genug. Schließlich residierte der König ja nicht bei jedem! Deshalb traten die Auserwählten auch gerne ihre privaten Räumlichkeiten an die hohen Gäste ab. Und natürlich bedauerten sie es sehr, wenn der Hof schließlich weiterzog, nachdem sämtliche Vorräte an Essbarem und an Brennholz, die eigentlich für ein Jahr hätten reichen sollen, komplett aufgebraucht waren.

      König Henry persönlich war an sich nicht sehr anspruchsvoll und hätte auch kein Problem damit gehabt, notfalls am Wege in irgendeiner kleinen Bauernhütte zu übernachten. Die vielen Mitglieder seines beträchtlichen Hofstaates dagegen schon eher, da in solchen Fällen das einfache, aber immerhin warme und trockene Bauernhaus allein dem König vorbehalten blieb. Alle anderen Personen, von seinen Rittern bis zu den edlen Hofdamen, müssten die weniger komfortablen Bedingungen von Schuppen, zugigen Scheunen und Zelten in Kauf nehmen.

      „Ich gebe zu, es ist ein gewisser Aufwand mit dem ständigen Ortswechsel verbunden, aber was macht das? Wenn ich dadurch Schwierigkeiten mit aufmüpfigen Beamten, oder Söhnen, von vorneherein unterbinden kann, dann ist es die Mühe wert.“

      „Das sehe ich aber anders! Ich will ...“

      „Ist mir egal, was du willst oder nicht! Es wird bleiben, wie es ist! Und jetzt lass mich endlich in Ruhe!“

      Manchmal hatte er das Gefühl in seinen ganzen Problemen zu ersticken, und dann kam auch noch seine Frau schon wieder mit ihren kleinlichen Vorhaltungen! Er ließ sie einfach stehen, verließ die Privatgemächer und zog sich in sein Arbeitszimmer zurück.

      So ganz unrecht hatte seine Frau ja nicht, das musste er sich eingestehen. Auf dem Weg durch die schwach beleuchteten, zugigen Flure sah er nichts, was ein wenig Gemütlichkeit hätte verbreiten können. Keinerlei Wandbehänge oder irgendwelche Dekorationen, nur rußende Fackeln in schmucklosen eisernen Halterungen, die im Zugwind flackerten. Die Einrichtung der Festungen hatte in der Tat nur wenig Komfort zu bieten. Alles war eher einfach und zweckmäßig gehalten. Vorhänge, Teppiche oder gar Wandbehänge gab es kaum. Die Fenster bestanden aus aneinandergefügten, dünn geschliffenen Hornscheiben, die zwar den kalten Wind abhielten, aber dafür auch nur gedämpftes Licht durchscheinen ließen. Nur in der Burgkapelle gab es einige wenige Glasfenster, aber das war auch schon der einzige Luxus.

      Die Festung von Westminster drüben in England hatte tatsächlich ein deutlich anderes Niveau, zugegeben. Seine Königin, und wohl auch die meisten Mitglieder des Hofstaates, die auf Luxus und Bequemlichkeit viel Wert legten, würden diesen Standort als Hauptsitz geradezu lieben.

      Aber es ist eben so, wie es ist, sagte er sich mit einem Schulterzucken und schüttelte die Gedanken an die fruchtlose Debatte mit seiner Frau ab. Er konnte sich nicht auch noch über die Wünsche des Hofstaates Sorgen machen.

      Entschlossen betrat er seinen Arbeitsraum, in Gedanken schon bei den neuen Depeschen seiner Beamten in London, die am Morgen ein Bote aus England gebracht hatte. Neben den üblichen Berichten über alltägliche Staatsangelegenheiten war diesmal auch ein Schreiben dabei, das Henry über neue, unerwartete Schwierigkeiten in Mittelengland in Kenntnis setzte. Diese Angelegenheit war für Henry von besonderer Bedeutung, weil einer seiner engen Freunde, Edward de Tourneau, Herzog der wohlhabenden Grafschaft Grantham, darin verwickelt worden war und Henry musste sich überlegen, wie er jetzt vorgehen wollte.

      Natürlich hätte er sich gerne persönlich um das Problem gekümmert, verbunden mit einem Besuch bei seinem Freund und vielleicht einer ausgedehnten Jagd, aber gerade jetzt konnte er sich beim besten Willen unmöglich nach England begeben. Seine Anwesenheit in Frankreich war im Augenblick unabdingbar.

      Natürlich waren seine Beamten in England fähige Männer, die auch alleine mit den neuen Schwierigkeiten zurechtkommen würden. Andererseits, überlegte der König, hatten sie genug andere Aufgaben und ein wenig Unterstützung konnte schließlich nicht schaden. Außerdem, Herzog Edward war nicht nur sein Freund, sondern auch ein sehr mächtiger und wohlhabender Mann, und den als Gegner zu haben, konnte er sich nicht leisten. Schon von daher war es nicht falsch, die alte Freundschaft durch eine Hilfeleistung ein wenig aufzufrischen. Also entschloss Henry sich, zwei seiner Ritter auf die Insel hinüberschicken, die an seiner Stelle nach dem Rechten sehen sollten.

      Für so eine Aufgabe kamen einige Männer infrage, denn in Henrys Gefolge hatten sich inzwischen viele große Ritter versammelt. Diese Aristokraten stammten nicht nur aus seinen eigenen Regierungsbezirken, sondern auch aus anderen Königreichen, zu denen er freundschaftliche Verbindungen pflegte oder anstrebte. Durch den Austausch von Gesandten, Rittern und Kirchenmännern wurden auf den höheren Ebenen des Adels und der Kirche immer rege diplomatische Beziehungen gepflegt.

      Die Hofmitglieder und Ritter des Königs, der ja von normannischer Abstammung war, sprachen vor allem Französisch. Trotzdem gab es selten Sprachschwierigkeiten mit den Gästen, denn neben der Landessprache gehörte Latein zur Grundausbildung der höheren Gesellschaft, und der Geistlichen sowieso, und wurde von jedem Gebildeten verstanden.

      Henry hatte also eine gute Auswahl an fähigen Adeligen, die sich in Diplomatie auskannten, aber im Ernstfall auch einen Kampfeinsatz leiten konnten. In seinem Arbeitsraum überdachte er noch einmal gründlich den Bericht aus England. Offenbar war die Angelegenheit noch nicht sehr ernst, aber sie konnte es leicht werden und deshalb ließ sich Henry bei der Wahl Zeit. Letztlich entschied er sich für zwei bestimmte Ritter aus seinem Gefolge, die nach seiner Meinung besonders gut für die Mission geeignet waren, und schickte einen seiner Diener aus, die beiden zu ihm zu bitten.

      Der Bursche musste nicht lange suchen. Er wusste natürlich, dass an diesem Morgen Kampfübungen angesetzt waren, und wurde dann auch auf dem Übungsplatz fündig. Das metallische Klirren der Schwerter klang ihm schon von Weitem entgegen und wies ihm den Weg zu dem großen Platz vor dem Palast, wo sich die Ritter in leichter Rüstung freundschaftlich im Schwertkampf übten, immer bestrebt, ihre Kampftechniken in solchen Scheinkämpfen weiter zu verbessern.

      Vom Rande des Platzes aus, im Windschatten der Mauer stehend und in warme, pelzgefütterte Umhänge gehüllt, beobachteten einige reich aufgeputzte Mitglieder des Hofes die Gefechte. Das war ein beliebter Zeitvertreib unter den Hofmitgliedern, gut geeignet, sich zu treffen und die neuesten Gerüchte auszutauschen, während man gleichzeitig die Fähigkeiten der Ritter begutachten konnte.

      Es war schon Nachmittag, als sich der Diener den Kämpfenden näherte und in die Gruppe rief: „Sir Duncan Belwood und Sir Robert de Tourneau, Seine Majestät, der König verlangt nach Euch!“

      Sofort erhob sich Getuschel unter den Zuschauern. Vermutungen und Spekulationen machten die Runde. Das Eintreffen des Boten aus England am Morgen hatte sich natürlich längst herumgesprochen und es war außerdem bekannt, dass die beiden aufgerufenen Ritter aus dem östlichen Mittelengland stammten, wo sich immer