Die Schneelandschaft und der violette Himmel. Jörg Röske. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jörg Röske
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847678748
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halfen mir die neun beim Bau meiner Burg, drei Türme sollte sie haben. Der Glockenturm der Kirche war gut erhalten, dazu bauten wir zwei niedrigere, von denen einer die letzte Bastion sein sollte. Zwischen den Türmen zogen wir Mauern, und anstrengend war die Arbeit, denn beharrlich lastete der gelbe Himmel auf uns, versetzte uns in ein unangenehmes Schwitzen.

      Lange brachten wir zu mit dem Bau, waren wir nur wenige und hatten nur einfachste Mittel, konnten wir die Überbleibsel der Kirche als Helfer rekrutieren.

      Dann war es fertig, das Dreieck meines Heims, bildeten die drei Türme die drei Ecken der geometrischen Form, auf der es ruhte.

      Und als wir so vor der Burg standen und unser Werk und unseren Hort betrachteten, voll Genusses, da war hinter uns ein großer Schatten herangeschwebt. Ein Schrecken durchfuhr mich, wähnte ich nun wirkliche Vorboten der Hölle hinter mir, könnte jedoch der Schatten durch eine nachvollziehbare Erklärung Eingang finden in das sichtbare Reich meiner Beruhigung.

      Ich wandte mich um und sah ein riesig wirkendes Objekt aus grauem Stahl. Ich kannte diese Art künstlich hergestellter Gegenstände nicht, eine Verbindung bei diesem zum Ebenenboden gab es nicht und der Besucher aus Stahl musste von einer Intelligenz errichtet worden sein, denn sämtliche Strukturen an dem Objekt deuteten auf schlüssige Zusammenhänge hin.

      Im nächsten Moment fand ich einen Hinweis auf meine Vermutung, denn ein Mensch in seltsamer Kleidung erschien auf dem langgestreckten Stahl.

      An einer Strickleiter stieg er herab, ging auf uns zu und sprach uns an. Hellgrau waren die Hose und die zugeknöpfte Jacke und schwarz die Stiefel. Ein schwarzer Gürtel mit Silberschnalle war zusätzlich um die Jacke geschlungen, engte sie ein und auf der Schulter gab es ebenso Silber. Zwei parallel zueinander angeordnete Silberstreifen waren auf dem grauen Stoff zu sehen, auf jeder Schulterseite.

      An der rechten Seite trug der Mann einen Dolch, und er sprach von vielen Goldstücken, die wir bekämen, würden wir zehn ihm folgen und in der Flotte der Kommissarin Dienste leisten.

      Wir lehnten ab, und mit einem Grinsen verabschiedete sich der Seltsame, kletterte das Stahlgetüm hinauf, zog die Strickleiter ein. Dann setzte sich das Monströse behäbig in Bewegung. An uns vorbei glitt es, dann sah ich das hintere Ende, an dem sich zwei runde und mir nicht bekannte Gegenstände drehten.

      Wir sahen das Seltsame hinwegziehen, aber ich wusste, dass es wiederkommen sollte.

      Der Stein

      Lediglich drei Tage waren vergangen, da erschien in östlicher Richtung inmitten des Sonnenaufgangs dieses schwebende Stahlungetüm. Vorkehrung hatte ich getroffen. Am selben Abend noch hatte ich meinen Namen in den Steinboden des Kellergewölbes unter dem einstigen Kirchturm eingemeißelt: Jero vom grauen Stein.

      Würde ich verschleppt, würde ich wieder dorthin finden, denn die Burg war mein Zuhause, versiegelt diese Ursprünglichkeit mit meinem Namen.

      Ich wusste, wir waren unterlegen, denn sicherlich gab es im Bauch dieses Stahlmonsters noch mehr merkwürdig Gekleidete und wer solcherart schwebende Getüme bauen konnte, der wird auch Waffen völlig anderer Art als Hellebarden und Schwerter zur Verfügung haben.

      Jedoch, es kam schlimmer, als von mir angenommen. Das U-Boot - wie ich später erfahren sollte, war das Monster ein solches - näherte sich. Meine Ahnung bestätigte sich, nachdem es nahe der Burg gestoppt hatte, krabbelten mehrere dieser merkwürdig Gekleideten aus dem Boot - Uniform wurde diese Art Kleidung genannt, auch das erfuhr ich später - und an Strickleitern herab zum Boden der Ebene. Zwei von ihnen verblieben bei einem beweglichen Stock auf dem U-Boot.

      Es waren drei Uniformierte mit seltsamen Stöcken, die auf uns zuschritten - wir standen vor dem mächtigsten Burgturm mit den Hellebarden und dem Schwert. Als sie bis auf wenige Schritte herangekommen waren - einer der drei war der Uniformierte von unserer ersten Begegnung -, blitzte es aus den seltsamen Stöcken heraus und laut war es.

      Meine Landsknechte fielen schreiend und stöhnend um, Blut quoll aus ihnen, tränkte ihre Kleidung und das Grau des Bodens. Das hatte ich nicht gedacht, dass die Uniformierten meine stummen Freunde töteten. Ich schaute zur einen Seite, dann zur anderen, sie fielen um wie die Fliegen.

      Erst war ich starr vor Schreck, dann hob ich das Stahlschwert, wollte dem bitteren Spuk ein Ende bereiten, da donnerte ein Krach durch meinen Schädel und schwarz wurde es um mich herum.

      Das nächste, was ich vernahm, war ein kontinuierliches, fernes Hämmern. Ich öffnete die Augen, sah in spärliches Licht und in das Gesicht des Kommandanten des U-Bootes - der Uniformierte mit den zwei Silberstreifen. Er grinste, und bevor ich erneut das Bewusstsein verlor, dachte ich mit einem Wohlgefühl an die Inschrift im Kellergewölbe meiner Burg, dem Siegel meiner Existenz.

      Das Andere Meer

      Ich tat Dienst in der U-Boot-Flotte der Polit-Kommissarin - ich hatte sie nie zu Gesicht bekommen -, und mir blieb nichts anderes übrig. Denn aus dem U-Boot ließen sie mich zunächst nicht heraus, und leistete ich den Anordnungen nicht folge, bekam ich nichts zu essen.

      So einfach wie auch wirkungsvoll waren die Parameter, innerhalb derer ich mich in der weiteren Zeit befand und die entscheidend mein Verhalten bestimmten. Jedoch, ich blieb nicht lange, die Dinge sollten sich ändern. Zunächst lernte ich das Leben der hungernden und lauernden Wölfe kennen - so wurden die U-Boote von den U-Boot-Leuten selbst genannt.

      Ich bekam eine andere Kleidung, sie war warm, weich und anschmiegsam. Sie war ein Anzug bestehend aus einem Pullover und einer Hose, die allesamt aus einem naturfarbenen, wolleartigen Faden gewebt worden waren. Dazu trug ich einen weißen Waffengürtel aus Leder, an dem ein Armeedolch und ein Revolver hingen. Die dazugehörigen Patronen waren in kleinen Fächern am Gürtel untergebracht.

      Ich wunderte mich sehr über dieses Vertrauen, das mit entgegengebracht worden war, begriff jedoch im nächsten Moment die Aussichtslosigkeit eines Fluchtversuches, denn sofort hätten die dreiundvierzig anderen Besatzungsmitglieder mich massakriert.

      An den Füssen trug ich schwarze Lederstiefel und tagaus, tagein drang das Stampfen der Stiefel der vierundvierzig U-Boot-Leute auf den Stahlbodenplatten durch das ganze Boot. Es war vom Typ VII C, der gängige Typ und das Rückgrat der U-Boot-Flotte der Kommissarin, von der immer nur erzählt wurde.

      Ich wohnte im Bugraum mit den anderen, deren Aufgabe es war, sich um die Torpedos - Aale wurden sie genannt - zu kümmern. Ein Torpedomechaniker nahm mich meiner an und erklärte mir alles. Er erzählte mir alles über Torpedos, über die weitere Ausstattung und das Handhaben eines U-Bootes und er berichtete mir von den verschiedenen U-Boot-Typen. Diesen Part schloss er mit einer detaillierten und - wie es nicht zu überhören war - glorifizierenden Erzählung über das Boot vom Typ XI, dem Stolz der Flotte der Kommissarin. Selbst die Zerstörer des Anderen Meeres im Nordosten fürchteten dieses U-Boot.

      Da fragte ich nach dem Anderen Meer und der Torpedomaat schaute mich mit einem leuchtenden Blick in den Augen an und versicherte mir anschließend, dass auch ich ein hungernder und lauernder Wolf werden würde.

      Dann kam wieder das Essen, ein wohlschmeckender Brei, dessen Ingredenzien niemand wusste - ich vermutete, dass selbst unser Koch mit Ahnungslosigkeit bedacht war -, und jenes heiße und schwarze Getränk, das euphorisierte.

      Anschließend gab der Kommandant, jener mit den zwei Silberstreifen, über die Bordsprechanlage bekannt, dass wir Befehl zum Auslaufen erhalten hatten.

      Unser Boot vom Typ VII C legte von der Öltankanlage, dem Hauptstützpunkt der Flotte, ab und nahm Kurs auf das Andere Meer.

      Der lauernde Wolf

      Da kamen wir an dem großen Felsen an und gingen dort neben ihm in unserem VII C-U-Boot in Lauerposition.

      Es war eine lange Fahrt zu dem Felsen gewesen, der bei den Matrosen der U-Boot-Flotte eine Art Berühmtheit darstellte. Denn jegliche Jagd begann bei diesem von der