„Ich habe die Beweise.“ rief er triumphierend.
Tobias stellte sich vor ihn und trocknete sich Stirn runzelnd die Haare.
„Was für Beweise?“
Tobias schlug wieder den Weg ins Bad ein.
„Ich habe sie belauscht, Robert und Conny. Stell dir vor, sie haben Geld über die Firmenkonten gewaschen.“
Marco war schwer getroffen.
„Ich werde zur Polizei gehen und das saubere Pärchen auffliegen lassen.“
Marco konnte sich kaum beruhigen, er sprang von der Couch auf und lief rastlos auf und ab. Wie immer, wenn er nervös war fuhr er sich mit beiden Händen durchs Haar. Tobias hatte seinem Bruder vom Bad aus zugehört und kam nun wieder ins Wohnzimmer. Plötzlich schrie Marco wie von Sinnen auf.
„Ich werde sie umbringen, alle beide. Ins Gefängnis werde ich sie bringen. Hochgehen lass ich das saubere Pärchen. Dieser dreckige Hund mit seiner hinterhältigen Schlampe. Der Stick muss sofort zur Polizei.“
Tobias erkannte seinen Bruder nicht wieder. Der Schlag war aber auch zu heftig gewesen. Zwei Menschen, die ihm nahe standen, hatten ihn aufs Übelste hintergangen. Er konnte einfach nicht glauben, das Conny, die langjährige Sekretärin mit Robert zusammen Geld gewaschen hatte. Sie war quasi von Anfang an beim Aufbau der Firma dabei gewesen. Marco ging an die Bar, schenkte sich einen doppelten Whisky ein und kippte ihn in einem Zug runter. Hörbar rang er nach Luft, lief rot an und musste im gleichen Moment heftig husten. Der Whisky begann eine wohlige Wärme in seinem Magen zu hinterlassen. Langsam konnte er wieder klar denken. Resigniert starrte er aus dem Fenster.
„Ich kann nicht zur Polizei gehen, ohne den Verschlüsselungscode habe ich keine Beweise, außerdem stehen sie bereits vor meiner Tür.
Die glauben mir doch kein Wort. Robert wird garantiert Himmel und Hölle in Bewegung setzen den Stick wieder in seinen Besitz zu bekommen. Ich muss erst mal raus aus Berlin und nachdenken. Wie komm ich an die Daten von Roberts Bürocomputer und wie kann ich die beiden überführen?“
Tobias war hin und her gerissen. Er wollte unbedingt seinem Bruder helfen, aber in einer Stunden war er auch mit Lea verabredet.
“Marco, alter Junge, ich würde dir ja gern helfen, aber in einer Stunde muss ich im Café am Brandenburger Tor sein. Lea und ich wollen heute unseren Urlaub starten.“ Er wirkte etwas zerknirscht.Marco sah ihn entgeistert an. Augenblicklich fing er sich wieder. Natürlich, klar, das hatte er ja ganz vergessen. Mit einem Schlag sah er sich allein gegen den Rest der Welt. Niedergeschlagen setzte er sich auf die Couch und stützte den Kopf in beide Hände.
„Ich würde dich ja gern mitnehmen, aber du verstehst doch, dass das nicht geht. Geh zur Polizei, die werden die Wahrheit schon rauskriegen. Einen besseren Vorschlag habe ich nicht. Tut mir leid.“
Tobias wandte sich ab und ging ins Schlafzimmer um sich an zu ziehen. Erst jetzt fiel Marco die fertig gepackte Reisetasche auf, die neben der Tür stand. Er hätte später nicht mehr sagen können, welchen Teufel ihn geritten hatte, als er sich die Tasche seines Bruders schnappte und zur Tür heraus rannte. Völlig kopflos stürzte er die Straße runter, stieg in das nächstbeste Taxi das am Straßenrand stand und war auf dem Weg ins Café zu Lea.
8
Lea saß ungeduldig zu Hause auf der Couch und knetete nervös ihre Hände. Ihre beste Freundin Sylvie lief aufgeregt hin und her. Seit Wochen versuchte sie Lea die Idee, ohne Handy, in einem Wohnmobil, quer durch Deutschland zu reisen, auszureden. Alle Bedenken, die sie vorbrachte, halfen nicht. Wenn Lea sich mal was in den Kopf gesetzt hatte, konnte selbst der Teufel es ihr nicht mehr austreiben. So viel Dickköpfigkeit war Sylvie noch nicht untergekommen.
„Jetzt überleg doch mal, was alles passieren kann und dann kannst du noch nicht mal telefonieren.“ wagte sie einen letzten Versuch. Euer Vorhaben, ohne Handy und Laptop, sechs Wochen durch die Wildnis zu reisen, grenzt an Wahnsinn. Überleg es dir doch noch mal.“
Über das flehende Gesicht ihrer Freundin musste Lea jetzt doch lachen. Trotzdem erwiderte sie mit fester Stimme.
„Nein.“
Lea schaute ihre Freundin fest an.
„Ich will Urlaub machen und nicht laufend am Handy oder am Telefon hängen. Früher ging es ja auch ohne technischen Schnickschnack. Wie abhängig man doch von diesen manchmal nerv tötenden kleinen Biestern geworden ist. Nein, und noch mal nein. Basta. Und wenn wir jetzt nicht fahren, werde ich mir eine Droschke bestellen.“
Sie verstand ja die Sorgen, die ihre beste Freundin sich machte, aber Tobias und sie hatten es nun mal beschlossen.
Sylvie seufzte hörbar auf und gab sich geschlagen. Im Stillen musste sie Lea sogar recht geben.
Sylvie hatte das Wohnmobil gestern in einer Tiefgarage untergestellt, um Lea die Suche nach einem geeigneten Parkplatz mitten in der Stadt zu ersparen. Lea angelte sich ihr Handgepäck und verließ mit Sylvie, die den Katzenkorb mit Shiva trug, den Raum. Während Sylvie zügig das Auto auf die Landstraße lenkte, ließ Lea gedankenverloren die Landschaft an sich vorüberziehen. Obwohl es sehr heiß im Wagen war, fröstelte sie leicht. Wie würde die Reise wohl für sie enden?
*
Marco war innerlich immer noch völlig aufgewühlt. Seine Gedanken überschlugen sich. Du musst dich jetzt auf das Treffen mit Lea vorbereiten, versuchte er sich zu beruhigen. Zum Glück hatte Tobias ihm fast alles über Lea erzählt, auch seine Treffen mit Lea hatte er mit viel Gespür zum Detail lebhaft ausgeschmückt. Marco war es, als wäre er dabei gewesen und würde Lea genauso gut kennen wie Tobias. Er hatte es sehr bedauert, die Einladung seines Bruders zum Ammersee hat absagen müssen. Sehr gerne hätte er Lea kennen gelernt. Tobias hatte nicht unerwähnt gelassen das Lea und er gute
Freunde geworden waren, nicht mehr. Lea wusste das Tobias einen Bruder hatte, doch das sie Zwillinge waren, hatte er Lea verschwiegen. Seit Jahren bestand diese Abmachung nicht gleich heraus zu posaunen, das sie Zwillinge waren. Diese kleine Überraschung auf den Gesichtern der anderen amüsierte sie immer wieder aufs Neue. Er hatte sich in letzter Zeit öfters dabei ertappt, wie ihm das Bild von Lea vor seinem inneren Auge auftauchte. Es waren ihre sehnsuchtsvollen Augen, die ihm nicht mehr aus dem Sinn gingen. Und doch zeigten ihre Gesichtszüge Entschlossenheit und ihr Lächeln wirkte weich und sinnlich. An seinen Bruder wollte er jetzt lieber gar nicht denken. Der würde ganz bestimmt stinksauer auf ihn sein. Es war aber nun nicht mehr zu ändern. Er raffte sich auf und der Straße nach zu urteilen, die sie gerade entlang fuhren, mussten sie gleich am Brandenburger Tor sein.
„Macht zwölf Euro.“
Der Taxifahrer lehnte sich gelangweilt zurück. Marco drückte ihm einen Zwanziger in die Hand und verließ fluchtartig das Taxi.
„Der Rest ist für Sie.“ murmelte er beim Aussteigen.
Völlig perplex schaute der Taxifahrer ihm nach und schüttelte