Nach langen Ermittlungen fand man schließlich heraus, dass es Johnnys Zuhause gewesen war.
“Als uns dies die Polizei übermittelte, war ich fast ein bisschen erleichtert”, gestand Irmi, “denn inzwischen hatten wir uns so an ihn gewöhnt, dass wir ihn nur schweren Herzens wieder hergegeben hätten.”
Vanessa hörte sich die Geschichte aufmerksam an, fragte aber dann: “Woher wusstet ihr denn seinen Geburtstag, wenn ihr ihn doch nicht gekannt habt? Er ist nämlich genau am gleichen Tag im gleichen Jahr auf die Welt gekommen, wie ich..!“
“Das kann ich dir gerne erklären”, antwortete Irmi.
“Wir entdeckten bald eine Markierung in seinem rechten Ohr, auf der das Datum “24. Juni 2003” stand, und als uns der Tierarzt nach einer Untersuchung auch noch versicherte, es könne sich eigentlich nur um sein Geburtsdatum handeln, waren wir ziemlich sicher.
Vanessa war nur zum Teil zufrieden mit dieser Antwort, erhoffte sie sich doch etwas mehr Aufschluss über Johnnys glitzernden Huf. Doch darüber kam nichts zur Sprache. Sollte sie sich ihr anvertrauen?
Nein, das würde ihr sowieso keiner glauben und womöglich nähme sie dann niemand mehr ernst! Sie verwarf den Gedanken schnell wieder.
Schweigend ritt Vanessa durch den Wald auf dem Pfad, der inzwischen immer schmäler wurde, bis Frau Weixelbaum meinte:
“Was ist los, Vanessa, hat es dir die Sprache verschlagen? Ich denke, wir müssen umkehren. Es ist schon spät und der Weg wird zu eng für uns.” Sie machten kehrt und Irmi begann wieder zu erzählen:
“Wo war ich vorhin stehen geblieben? - Nun, als wir die Geschichte um Johnny und auch sein Alter erfahren hatten, entschieden wir uns, ihn zu behalten und gaben ihm seinen Namen. Der Rest war nur noch Formsache. Inzwischen ist er schon über ein Jahr bei uns”, ergänzte sie und tätschelte seinen Kopf.
“Er ist wirklich ein liebes Tier.”
Die Zeit verging wie im Flug und ehe sie sich versahen, standen die Drei wieder vorm Tor des Hofes. Da kamen ihnen schon Mama und Papa entgegen.
“Hat es dir gefallen?”, fragte Mama und fing Vanessa mit beiden Armen auf, als diese vom Pferd springen wollte.
“Das war mein schönstes Geburtstagsgeschenk!”, jauchzte sie.
Da kam Hanna um die Ecke gebogen. Auf dem Arm trug sie ein winziges Etwas, das aussah, wie ein Haarknäuel.
“Ist die aber süß!” Vanessa war ganz entzückt von dem kleinen Kätzchen, das Hanna in der Hand hielt.
“Das ist eines von unseren vier neuen Familienmitgliedern”, erklärte Herr Weixelbaum, der nun auch herbeigekommen war. “Nun bring es aber rasch wieder in sein Nest zurück”, befahl er, als er bemerkte, dass die Katzenmutter bereits um ihn herum tänzelte und drohende Laute ausstieß.
“Ihr könnt gerne eins davon haben, wenn die Kleinen erst mal von der Mutter entwöhnt sind.”
“Darüber reden wir ein anderes Mal”, entschied Mama kurzerhand. “Nun müssen wir uns aber von euch verabschieden und bedanken uns von Herzen für diesen wundervollen Tag, den ihr uns und vor allem Vanessa bereitet habt.”
Mama reichte zuerst Irmi und dann Herrn Weixelbaum die Hand. Er war ein kleiner, hagerer Mann, kaum größer als Mama und hatte graumeliertes, dünnes Haar und einen noch dünneren Schnauzbart.
“Auf Wiedersehen!”, riefen alle noch einmal, als sie schon im Auto saßen und Vanessa war froh, dass Mama gleich weitere Reitstunden mit Irmi vereinbart hatte. Aber jetzt ging es erst einmal heimwärts.
Die Heimfahrt kam Vanessa entschieden kürzer vor. Das schien aber nur so, weil sie nicht mehr angespannt war und alles nun hinter ihr lag. Während der Fahrt überlegte sie hin und her, ihrer Schwester Hanna von der Beobachtung im Stall zu erzählen. Es sollte gut gewesen sein, dass sie es nicht tat ...
Kapitel 2: Vanessa und Sirius
Wieder Zuhause, spürte sie die Anstrengungen des vergangenen Tages und eine bleierne Müdigkeit überkam sie, so dass sie kurze Zeit später schon und ohne ihr Abendbrot, wie tot ins Bett fiel und sofort in tiefen Schlaf versank.
In dieser Nacht jedoch hatte sie einen merkwürdigen Traum:
Sie sah Johnny, das Pferd von Irmis Reitstall, auf sich zu kommen. Es schwebte ihr auf einer weißen Wolke entgegen und landete mitten in ihrem Zimmer auf dem Teppich. Dann stieg es herab und sprach: “Gestattest du, dass ich mich vorstelle? Ich bin SIRIUS, DER ERSTE! Ich kenne dich, aber du kennst mich nicht, jedenfalls nicht richtig. Mein Name ist nicht Johnny! Die Leute vom Hof nennen mich nur so, weil sie mein wahres Ich nicht kennen!!
Vanessa saß mit weit aufgerissenem Mund auf ihrem Bett und wusste nicht, ob sie wach war oder träumte.
“Ich will dir sagen, warum ich gekommen bin und was es damit auf sich hat. Du hast dich heute wahrlich nicht getäuscht im Stall, als du glaubtest, eine Stimme gehört zu haben. Ja, ich war es, der zu dir gesprochen hat! Doch nur du konntest mich hören und meinen Glitzer-Splitter sehen. Denn du, Vanessa, bist etwas Besonderes und nur du besitzt diese Fähigkeit! Ich aber kann die Sprache der Menschen verstehen.”
Vanessa schluckte.
“Aber warum gerade i c h ??”
Angst schwang in ihrer Stimme mit.
“Weil du den BLICK hast, Vanessa!”
Plötzlich wurde es hell im Zimmer.
“Vanessa, aufstehen!”, dröhnte Mamas Stimme in ihren Traum.
“Gott sei Dank, es ist vorbei!”, dachte Vanessa, die wie gelähmt im Bett lag und alles nicht glauben konnte. Nein, das musste ein Traum gewesen sein, so was gab es einfach nicht!
Sie rieb sich die Augen und gähnte und gähnte. Sie fühlte sich, als hätte sie die ganze Nacht nicht geschlafen.
„Los, ab ins Bad. Die Schule wartet nicht auf Träumer!”, hörte sie Mama, die gerade das Frühstück vorbereitete, aus der Küche rufen. Vanessa trottete gequält ins Badezimmer. In der Schule war sie heute sehr unkonzentriert, das fiel sogar ihrem Lehrer, Herrn Eckstein auf, den sie immer nur den “Dicken” nannten wegen seiner fassförmigen Erscheinung. Er war mehr breit als hoch und sah irgendwie aus wie sein Hund. Herr Eckstein hatte Zuhause nämlich eine stark übergewichtige Bulldogge mit Hängebacken und platter Nase, die genauso breitbeinig daher stampfte wie er. Vanessa witzelte deswegen oft mit ihren Freundinnen darüber, ob denn nun der Hund ihm, oder er dem Hund ähnlich sah..
Sie dachte wieder an ihren seltsamen Traum. Und wenn es doch stimmte, was ihr dieser “Sirius” offenbart hatte? Das ließ sie erschaudern und darum bemühte sie sich nun, ihre Gedanken wieder auf die Mathe-Stunde bei Herrn Eckstein zu lenken, der so langweilig sprach, dass man fast dabei einschlief.
“Mama, wann ist meine erste Reitstunde?” Vanessa rief es ihrer Mutter im Vorbeigehen zu, als sie von der Schule nach Hause kam.
“Schon übermorgen, mein Liebling! Freust du dich?”
Die Antwort kam etwas zögernd.
“Ja, ähm ... Klar doch!” Es klang aber wahrscheinlich nicht sehr überzeugend.
Nach dem Mittagessen machte sie sich daran, ihre Hausaufgaben zu erledigen. Seltsam, es ging heute so flott, dass sich Mama schon wunderte, als sie so ungewöhnlich schnell fertig war. Vanessa stand auf und schnappte sich ihre purpurfarbige Jacke. Sie wollte hinaus in den Garten, um es sich auf der großen Holzschaukel, die Papa erst im letzten Jahr gebaut hatte, gemütlich zu machen. Während sie dort hin lief, fiel ihr Blick zufällig auf das Gartenhäuschen, das von oben bis unten dicht bewachsen war. Die Tür klaffte einen Spalt breit. Das durfte nicht sein, denn bei Familie