Wäre es nicht möglich, dass der Papst, durch Karl den Großen zum Reinigungseid gezwungen, doch zu gottesfürchtig war, um an seinen Lügen festzuhalten? Ich gebe zu, es ist für einen gläubigen Katholiken geradezu ketzerisch, zu behaupten, ein Papst sei fähig zu lügen, doch sollte man diese Möglichkeit nicht ganz aus den Augen verlieren, zumal Leo unter anderem des Meineides beschuldigt wurde. (Quelle 17)
Die Situation des Papstes in Rom
Papst Leo, zuvor Presbyter in S. Susanna, wird bereits am Tag der Beisetzung seines Vorgängers Hadrian zum Papst gewählt. Seine Herkunft ist ebenso unbekannt, wie die Gründe für seine Wahl. (Ich folge hier weitgehend der Darstellung von Padberg, Paderborner Treffen, S. 42-47, die das allgemein Bekannte wiedergibt.) Er schickt sofort seine Wahlanzeige zusammen mit dem Schlüssel für das Grab Petri sowie dem Banner der Stadt Rom an König Karl und erkennt ihn damit als Patricius der Römer an. Ja, laut Einhardsannalen soll er ihn sogar aufgefordert haben, seine Bevollmächtigten zu entsenden, damit diese den Römern den Treueid abnähmen. (Quelle 9)
Es ist ganz offensichtlich, dass Leo zumindest nach der Auffassung des Verfassers der Einhardsannalen von Beginn an Rückhalt und Schutz beim Frankenkönig gesucht hat. Darüber ist man sich in der Forschung einig. (Ich nenne nur einige Beispiele: Schieffer, Die Karolinger, S. 100 f.; Von Padberg, Paderborner Treffen, S. 43; Jarnut, 799 und die Folgen, S. 194; Riché, Die Karolinger, S. 151-156) Karl seinerseits antwortet in einem berühmten, von Alkuin verfassten Brief, den er dem Papst mit einem Teil des erbeuteten Awarenschatzes durch Abt Angilbert überbringen lässt. Seinem Gesandten gibt er Anweisungen mit, die einem Reformer des Investiturstreits alle Ehre gemacht hätten: Angilbert sollte den Papst zu einem ehrenwerten Lebenswandel und der Beachtung der heiligen Kanones anhalten, vor allem aber dazu, die Simonie (= Kauf kirchlicher Ämter) zu bekämpfen. (Quelle 10) Karl bringt dem Oberhaupt der Kirche erstaunlich wenig Vertrauen entgegen. Schon dieses Schreiben bezeugt sein Selbstverständnis als Herr der Kirche und „Weisungsbefugter“ gegenüber dem Papst. Dieser Eindruck verstärkt sich bei der Lektüre des an den Papst gerichteten Schreibens (Quelle 11):
Zunächst hebt er ausführlich sein Einvernehmen mit Hadrian, Leos Vorgänger, und seine Trauer über dessen Tod hervor. Trost finde er nur dadurch, dass jetzt Leo täglich beim heiligen Apostel Petrus für die Festigkeit der ganzen Kirche, das Heil des Königs, seiner Getreuen und für das Gedeihen des ihm von Gott anvertrauten Reiches bete und ihn mit väterlicher Liebe als Sohn der Liebe adoptiere. Um die Zusammenarbeit mit Rom auf eine verlässliche Basis zu stellen, will Karl deshalb den mit Hadrian geschlossenen Vertrag heiliger Vaterschaft mit Leo als unverbrüchliches Bündnis dieser Treue und Liebe erneuern. Nur so könne auf ihm der apostolische Segen ruhen und der Sitz der heiligsten römischen Kirche mit Gottes Hilfe durch seinen frommen Dienst verteidigt werden.
Es folgen bezeichnende Formulierungen zur Aufgabenteilung zwischen König und Papst: Seine eigene sieht er darin, die Kirche mit Waffen gegen Heiden und Ungläubige zu verteidigen und nach innen mit der Erkenntnis des katholischen Glaubens zu festigen. Dem Papst bleibt überlassen, „mit zu Gott erhobenen Händen wie Moses unser Waffenwerk zu unterstützen, damit durch Eure Vermittlung dank Gottes Führung und Gabe das christliche Volk über die Feinde seines heiligen Namens allzeit und allenthalben den Sieg habe und der Name unseres Herrn Jesus Christus in der ganzen Welt gepriesen werde“. Frankenkönig und Papst sind gemeinsam Häupter der gesamten Christenheit, der Papst aber bleibt als Priester Gottes auf das Beten beschränkt.
Es dauert nicht lang, bis Papst Leo in Schwierigkeiten gerät. Über diese wissen wir allerdings nur Weniges aus Antwortschreiben Alkuins an Erzbischof Arn von Salzburg aus der Zeit zwischen Juni und November 798. Arn war in Rom vom Papst das Pallium verliehen worden, er hatte Alkuin und vermutlich auch den König als Augenzeuge informiert. Seine Briefe sind nicht erhalten.
Ende Oktober weiß Alkuin von der Bedrohung der Kirche durch falsche Brüder, von Verbrechen und Ungeheuerlichkeiten, die sich in Rom zugetragen hatten. (Quelle 12) Im November zeigt er sich beruhigt darüber, dass der Papst ein geistliches und gerechtes Leben führe und bedauert diesen, weil er unter den ungerechten Angriffen der Söhne der Zwietracht leide. (Quelle 13) Mehr wissen wir nicht.
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