Das Herz der Greakar. Christian Dornreich. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christian Dornreich
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847648734
Скачать книгу
auf sich geladen. Er hatte keine Wahl. Niemals. Er musste diese Mission erfüllen oder er würde sich das Leben nehmen müssen.

      Jeder in Rohars Trupp wusste das. Die Kämpfer in Rohars Trupp waren ebenso berüchtigt. Rohars Trupp bestand vor allem aus jenen Greakar, die sich etwas hatten zuschulden kommen lassen. Der Kodex der Greakar war streng. Die Schuld konnte getilgt werden, in dem man sich selbst, seiner Sippe und seinen Ahnen Ehre machte. Diese Ehre ließ sich in einem Kriegstrupp, wie dem, den Rohar führte, erlangen. Selbst wenn dieser Trupp ein Straftrupp war.

      In Rohars Trupp war man einfach. Manche waren dabei, weil sie wollten, andere, weil sie mussten. Aber man redete nicht darüber. Man sprach nicht von Schuld, Sühne oder Wiedergutmachung. Was ein jeder getan hatte, war allein seine Sache. Man war hier.

      »Machen wir Feuer?« Elramar, einer der jüngeren Krieger hatte gefragt.

      Rohar hob den Kopf. Aus seinen Gedanken gerissen, murrte der Truppführer unwillig.»Wir können auch gleich eine Fahne vor die Höhle stellen… Was hältst du davon, Elramar?« Der Truppführer hob die Stimme an. »Das ist kein verdammter Ausritt, Leute. Wir sind in einem Kampfeinsatz!«

      »Also… kein Feuer?«

      Rohar schnaubte. Über die tätowierten Gesichtszüge des Truppführers lief ein Zucken. Dann sah er auf und blickte in ein unverkennbares Gesicht.

      Crows grinste breit und in seinem Mund blitzten scharfe, angefeilte Zähne, was Crows ein gefährliches Aussehen verleihen sollte. Bisweilen sah er in Rohars Augen eher wie eine merkwürdige Eidechse aus. Ob dieses Anfeilen der Zähne eine spezielle Tradition der Halblinge war oder einfach nur eine Macke von Crows, wer konnte das sagen? Crows war der einzige Halbling, dem Rohar je begegnet war. Vor Jahren hatte er ihn aus einem Kerker befreit.

      »Halt´s Maul, Zwerg!« Zymas Stimme fauchte durch die Höhle. «Es ist weder Platz noch Zeit für deine merkwürdigen Scherze!«

      Zyma - oder auch einfach Hackfresse - die vielleicht hässlichste Greakar, die man sich vorstellen konnte. Sie trug ihr Haar kurzgeschoren über dem - wie üblich - tätowierten Gesicht. Die Greakar trugen rituelle Tätowierungen im Gesicht, die verrieten, wer man war und woher man kam. Rohar musterte das ihm vertraute Gesicht Zymas. An die Tätowierungen konnte man sich gewöhnen. Die Greakar kannten es nicht anders. Aber an Zymas Narbe konnte man sich weniger gut gewöhnen. Beginnend mitten auf der Stirn, in einem Bogen abwärts durch die Augenbraue - das Auge nur knapp verfehlt - lief die breite, rote und fleischige Narbe weiter über die Wange, über den linken Mundwinkel und verlor sich am Kinn. Hackfresse. Und so was wie die gute Seele des Trupps. Rau, kernig, fähig und vorlaut. Rohar konnte sich jederzeit auf Zyma verlassen. Und auf das, was sie mit den beiden Spaltbeilen zu tun imstande war, die sie am Gürtel trug.

      Crows machte den Mund auf - und schloss ihn gleich wieder. Tjagar, der riesenhafte Greakar, hatte dem Halbling einen leichten Klaps verpasst, der Crows fast nach vorn umkippen ließ.

      »Wo sie recht hat…« Tjagars Stimme dröhnte tief und durchdringend. Rohar fuhr sich mit der Hand über das feuchte Gesicht.

      »Haltet die Klappe! Alle! Hört auf euch zu streiten und ruht euch lieber aus.« Der Truppführer schüttelte entnervt den Kopf. »Hat jemand Xalany gesehen?«

      Rohar fand Xalany etwas abseits der anderen in eine Diskussion mit Ilasar vertieft. Die beiden hörten auf zu reden, als sie die Anwesenheit des Truppführers bemerkten.

      »Xalany!« Mit einer knappen Geste rief Rohar die Untertruppführerin heran. Sie erhob sich in einer fließenden Bewegung und war mit einem Satz bei ihrem Anführer angelangt. Rohar fand, dass Xalany eine der besten Untertruppführerinnen war, die er je kennengelernt hatte. Außerdem gab es kaum jemanden im Trupp, der in einer besseren körperlichen Verfassung gewesen wäre, als die schlanke Soldatin. Trotzdem waren sie und Rohar oft nicht einer Meinung.

      »Was will der Stinkstiefel wieder?« Rohar wies mit einer kurzen Kopfbewegung in die Richtung des noch am Boden hockenden Ilasars. Dessen kleine, auf den Truppführer stets ein wenig missgünstig wirkende Augen beobachteten die beiden Anführer des Kriegstrupps.

      Xalany zuckte mit den Schultern. »Das Gleiche wie immer… stänkern. Du machst wie immer alles falsch…«

      Rohars Augen blitzten. »So… mache ich das?«

      Xalany wich dem Blick des Truppführers aus. »Die Pferde sind versorgt. Wir können bald weiter.«

      Rohars Augen verengten sich kurz zu schmalen Schlitzen und seine Kiefermuskeln zuckten. Dann räusperte er sich.

      »Wie schön.«

       *

      Zwei

      Die dritte Klinge verharrte bewegungslos zwischen Felsen und verdorrten Sträuchern und starrte in den Nebel. Ruhig und fokussiert ruhte ihr Blick auf dem Späher der Greakar, der sein Pferd langsam zwischen den Felsen hindurch manövrierte. Die Läufe des Tieres und die lederne Rüstung des Reiters waren völlig verdreckt und mit Schlamm verkrustet. Darin stand ihm die schwarze Rüstung der elfischen Todesklinge allerdings in nichts nach.

      Ansonsten waren die Rüstungen vollkommen unterschiedlich, wie die Klinge bemerkte. Die Rüstung des Greakar bestand aus Flickwerk. Verschiedenste Teile aus verschiedenen Materialien, Formen und Farben. Nichts schien richtig zusammen zu passen. Wie wenig sorgsam die Greakar mit ihrem Handwerkszeug umgingen. Immerhin waren sie ein Kriegervolk. Dennoch trugen die meisten von ihnen lediglich gekochtes und gehärtetes Leder. Natürlich war man dadurch beweglich. Nicht so wie die Menschen in ihren schweren Ketten- und Plattenrüstungen. Einige wenige der Greakar trugen zwar auch einzelne Teile von Schuppenrüstungen, die sie vermutlich ihren toten Gegnern abgenommen hatten. Nicht zu vergleichen mit dem, was der Elf trug. Er strich über den stabilen Umhang, der zwar leicht zu tragen war, aber durchaus auch Schutz bot. Und das nicht nur vor dem Wetter.

      Die Klinge sah nach oben. Noch so eine Sache, die er im wilden Land - so hieß dieses Gebiet bei den meisten Völkern - nicht verstand. Für einen Moment der Versuchung ausgesetzt, zu seufzen, besann sich der Elf eines besseren.

      Der Regen hatte nachgelassen. Dennoch dämpfte er noch fast jedes Geräusch.

      Der Greakar war vorsichtig. Bewegte sich und sein Tier langsam und bedächtig. Natürlich sah er, dass die Elfen hier durchgekommen waren. Überall war das kärgliche Strauchwerk von Pferdehufen niedergetreten worden. Überall waren die Spuren auf den schlamm- und moosüberzogenen Felsen zu sehen. Der Greakar musste sie einfach sehen, dachte der Elf. Und - natürlich - musste er an einem Ort wie diesem - ein schmaler, verwinkelter Pfad zwischen hohen Felsen - mit einem Hinterhalt rechnen. Die Greakar waren nicht eben bekannt für schlechte Späher. Eigentlich waren sie gar nicht bekannt. Aber der Elf wusste, dass die Greakar ein erfahrenes Kriegervolk waren. Der Greakar spähte in alle Richtungen. Nur nach oben sah er nicht.

       Nie sehen sie nach oben.

      Unwillkürlich verzog der Elf die Lippen zu einem kalten Lächeln und zeigte dunkelrot gefärbte Zähne. Kriegsbemalung einer Todesklinge der Schattenelfen. Weiße Zähne, die in der Dunkelheit leuchteten, konnten einen Attentäter verraten. Blutrote Zähne sah man im Dunkeln weniger. Und, nicht zu verachten, sie jagten dem Feind einen Schreck ein. Die Schrecksekunde, die es dem Elfen schon so oft ermöglicht hatte, die eigene Waffe in den Körper des Feindes zu versenken und dessen Blut zu vergießen.

      Das Pferd des Greakar war nun direkt unterhalb der Position der dritten Klinge. Leise zog der Elf einen Dolch, mühelos schwang er sich über den Felsen, hinter dem er gesessen hatte, und sprang ...

      Schreckerfüllt wieherte das Pferd des Greakar, als der Elf auf seinem Rücken landete. Noch ehe der Greakar reagieren konnte, fuhr ihm der Dolch des Elfen hinter das rechte Schlüsselbein. Die dritte Klinge fletschte die Zähne ob dieses Missgeschicks. Er war beim Absprung vom nassen Fels abgerutscht und hatte die Waffe verrissen.

      Der Greakar brüllte vor Pein. Dennoch fuhr der Krieger blitzschnell herum und