Der reiche Russe. Dietrich Knak. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dietrich Knak
Издательство: Bookwire
Серия: Marowskis 3.Fall
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742758309
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ist weg.“ Es gelingt mir gerade noch das Wort Geld zu vermeiden.

      Die Kriminalisten zucken mit den Schultern.

      „Was enthält Ihr Koffer denn so Wichtiges?“, will Hauswald wissen.

      „Unterlagen! Ich brauche sie dringend für einen Mandanten!“ Ich schaue auf die Uhr. „In einer guten Stunde muss ich bei ihm sein! Es geht um viel. Sehr viel sogar!“

      Die Kriminalisten zucken erneut mit den Schultern.

      Und plötzlich sehe ich rot. Die gestohlenen zwei Millionen weg, das Manuskript ebenfalls und, der Vertrag nicht unterschrieben und das allerschlimmste, was mache ich, wenn Kutusow die zwei Millionen zurückhaben will. Die Zwanzigtausend kann ich auch vergessen. Alles geht schief! Außerdem habe ich das Gefühl, hinter meinem Rücken grinsen die beiden über mich. Das alles ist für mein angespanntes Nervenkostüm entschieden zu viel. Ich trete nahe an die beiden heran. „Wer von Ihnen hat meinen Koffer geklaut?“ Ich ernte lediglich ein eisiges Schweigen, was mich nur noch wütender werden lässt. „Verdammt, geben Sie es zu! Oder soll ich Sie vor ein Gericht zerren!“

      „Bevor die Spurensicherung nicht da war, fassen wir grundsätzlich nichts an! Und die Kollegen sind erst im Anmarsch!“, weist Kommissar Bachmann mich erstaunlich sachlich zurecht.

      Doch ich habe längst den Punkt erreicht, an dem ich meinen Kopf abschalte, er kommt mir nur noch überflüssig vor. Ich schnappe mir Bachmanns Hemdkragen, schüttele an ihm herum und schreie ihm ins Gesicht: „Raus mit der Sprache! Wo ist mein Koffer?“

      Der einfache Kommissar versucht sich zu befreien. Doch der schmächtige Bursche hat keine Chance gegen mich.

      „Sie, Sie ...... sind verrückt!“, keucht er nach Luft ringend. Plötzlich spüre ich den Lauf einer Waffe in meinem Rücken. „Hände auf den Rücken! Ich kann Ihnen nur empfehlen, es zu tun!“, zischt mir der Kriminalhauptkommissar ins Ohr.

      Einem Instinkt folgend, gehorche ich augenblicklich. Sekunden später schließen sich die Handschellen um meine Handgelenke.

      „Kollege Bachmann, bringen Sie diesen durchgeknallten Schnüffler umgehend aufs Präsidium, dort werden wir ihn im Laufe des Nachmittags verhören. Es wäre in seinem Interesse, wenn er sich bis dahin beruhigt hätte. Ich komme hier alleine klar!“ An mich gewandt fährt er mit kühler Stimme fort: „Rechnen Sie mit einer Anzeige! Und schauen Sie sich schon mal nach einem neuen Beruf um. In der Altenpflege soll es jede Menge freier Stellen geben.“ Ein hinterhältiges Grinsen legt sich um seinen Mund. „Wie es in der Branche mit der Bezahlung aussieht, kann ich Ihnen allerdings nicht sagen.“

      Ich zerre an den Handschellen, während ich aufgebracht schreie: „Das dürfen Sie nicht! Ich werde Sie verklagen! Mein Anwalt wird Sie zerfetzen!“

      Über die Gesichter der beiden Kriminalisten legt sich ein hämisches Grinsen. Bachmann befindet: „Sie ein Anwalt! Lächerlich! Da reicht’s doch gerade mal zu einer Flasche Bier!“

      „Herr Marowski, natürlich ist es Ihr gutes Recht sich einen Anwalt kommen zu lassen! Dennoch gibt es eine vierundzwanzig Stunden Regelung. Die hebelt kein noch so guter Anwalt aus.“

      Kommissar Bachmann schnappt sich meinen linken Oberarm. „Kommen Sie!“

      „Sie haben kein Recht dazu! Diktatur! Bullenstaat!“, schreie ich die beiden in meiner Verzweiflung an. Am liebsten hätte ich sie noch angespuckt, doch mein Mund war zu trocken dazu.

      Kriminalhauptkommissar Hauswald winkt amüsiert ab, während sein Kollege lakonisch befindet: „Anstatt hier wie ein Idiot herumzuschreien, ziehen Sie lieber die Möglichkeit in Betracht, dass Brandts Mörder Ihren Koffer wie auch Ihren Laptop und womöglich noch andere Dinge hat mitgehen lassen. Liegt doch auf der Hand, Sie Superdetektiv! Oder wie sehen Sie das?“

      Am liebsten hätte ich mir erneut paar runtergehauen. Natürlich hat mit hoher Wahrscheinlichkeit der Mörder die zwei Millionen mitgehen lassen! Ich Trottel habe mich wieder einmal in meine idiotischen Hirngespinste verrannt. Mit dieser Erkenntnis im Nacken bricht meine Widerstandskraft wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Zu allem Unglück meldet sich auch noch meine innere Stimme, indem sie sarkastisch spottet: „Marowski, erst denken, dann schießen!“ Ich verzichte auf eine Antwort und lasse mich einfach nur noch abführen.

      7.

      Auch wenn die Arrestzelle nur als Vorstufe für eine richtige, echte Gefängniszelle angesehen wird – gewissermaßen als ihr kleiner Bruder - und man in der Regel in ihr nur kurz verweilt, so wirkt sie auf die meisten Insassen trotzdem ausgesprochen deprimierend. Eine Stunde Auftenhalt reichen vollkommen aus und man weiß, warum so viele Menschen ausgerechnet in Gefängniszellen Selbstmord begehen. Zum einen sind sie dazu verdammt, die Freiheit durch ein vergittertes Fenster zu betrachten und zum anderen müssen sie Wände anstarren, die mit derben Sprüchen wie: „Fick dich, du Schlampe“ oder „Geiler Schwanz, ich lutsch dich!“ vollgepinselt sind. Aber was weitaus schlimmer ist: Als Insasse so einer Zelle weiß man nie, wie es mit einem wirklich weitergeht. Kommt man frei oder landet man in einer richtigen Zelle.

      Zwar versuche ich den Kopf oben zu behalten, in dem ich mir immer wieder sage: Marowski, bald bist du wieder frei! Auch vierundzwanzig Stunden vergehen! Schließlich haben sie nichts Konkretes gegen dich in der Hand! Die beiden finden keinen Haftrichter, der mich länger hier zu behalten wird. Leider muss das alles nicht stimmen. Zumal mich dieser Kriminalhauptkommissar beunruhigt. Er ist keineswegs der nette, umgängliche Typ, für den ich ihn anfänglich gehalten habe. Der Mann ist raffiniert. Er versucht, sich in mich hineinzuversetzen, um herauszufinden, wie ich ticke. Und wenn er es weiß, dann dreht er mir lächelnd die Luft ab. Ich kenne diese Typen! Immer hatte ich Schwierigkeiten mit ihnen. Und fällt ihm gar mein Koffer mit den zwei Millionen, dem Manuskript nebst Vertrag in die Hände, dann müsste ich begründen, warum ich gelogen habe. Ich könnte Kutusow unmöglich heraushalten. Mit fatalen Folgen für mich. Ich kann nur hoffen, dass dieser vermaledeite Koffer verschwunden bleibt, zu mindestens für‘ s erste. Denn seinen Inhalt habe ich noch lange nicht abgeschrieben.

      Schließlich meldet sich auch noch meine innere Stimme: „Marowski, du Trottel, bist in eine Russenfalle gestolpert!“ Russenfalle! Ich lauschte dem Wort hinterher, das wie ein völlig außer Kontrolle geratener Irrwisch durch die Gehirnwindungen meines Kopfes jagt. Und je länger es dauert, umso überzeugter bin ich, dass Russenfalle den Verlauf des Geschehens auf den Punkt bringt. Warum wollte Kutusow unbedingt mich für diese Geldübergabe haben, jeder andere und auch er selbst oder sein hübsches Töchterchen hätten sie ebenso gut erledigen können. Als ich mich weigerte das Geld weiterzuleiten, versprach er mir Zwanzigtausend! Spätestens an der Stelle, hätten bei mir alle Alarmglocken anschlagen müssen. Das ist wie mit Geldanlagen, die mehr als zehn Prozent Rendite versprechen. Sie sind selten seriös. Als ehemaliger Bankberater weiß ich schließlich, wovon ich rede. Ebenso Natascha! Sie erschrak zu Tode, als ich ihr sagte, sie solle gefällig selbst zu Brandt gehen. Das kann einen simplen Grund haben: Nicht nur ihr Vater, auch sie wusste, was mit Brandt passieren würde. Er war zu dem Zeitpunkt quasi schon tot. Vielleicht sahen sie in mir einfach nur den größten Trottel, der auf die Schnelle greifbar war. Aber wo liegt der Sinn? Da meine Beretta sauber war, und ich keine Schmauchspuren an den Händen hatte, kann mir niemand den Mord in die Schuhe schieben. Zumal ein Motiv meinerseits nicht mal vom Ansatz her zu erkennen ist. Nun, Putin macht auch Dinge, die einem Mitteleuropäer völlig Sinn frei erscheinen. Erst nach einer geraumen Zeit beginnt der normale Mitteleuropäer zu ahnen, was der allmächtige Zar sich dabei gedacht haben könnte. Ich sollte einfach nur beten, dass ich halbwegs unbeschadet aus dem Auftrag herauskomme.

      Unwillkürlich fällt mir Brandts merkwürdiges Geschenk ein. „Russisch in einer Woche“. Und plötzlich finde ich: Jetzt und hier, in dieser total heruntergekommenen Zelle, ist der ideale Zeitpunkt gekommen, um mit dem Lernen dieser Sprache zu beginnen. Hastig hole ich das Büchlein hervor. Als ich in den Händen halte, scheint es mich anzulächeln und mir suggerieren zu wollen, dass mir die russische Sprache helfen wird, meine depressiven Gedanken zu verscheuchen. Ich betrachte es als eine Art Medikament, man könnte auch sagen Stimmungsaufheller. Mit dem