Die Fallschirmjäger der Fremdenlegion. Thomas GAST. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Thomas GAST
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783738066425
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des Einsatzortes. Im olivgrünen, nach außen gut abgedunkelten OPS-Zelt herrschte eine gespannte Atmosphäre. Dazu war es stickig heiß und es roch nach Tabakqualm und Schweiß. Die Einweisung erfolgte im Beisein aller Offiziere der an der Operation teilnehmenden Einheiten. Als die kleine GIGN-Truppe hinter Leutnant Prouteau das Zelt betrat, bedachte man sie mit missmutigen Blicken. Prouteau und seine Männer hatten etwas längere Haare und sie trugen verdreckte Kampfuniformen. Ihr Fahrzeug war unterwegs im Schlamm stecken geblieben und sie hatten es bei völliger Dunkelheit mit vereinten Kräften herausziehen müssen. Prouteau trug Brille. Das ging gar nicht. Bei den meisten Soldaten war sie verpönt. Wer eine aufhatte, war höchstens eines: untauglich und geeignet für die Ausmusterung! In den Augen der anwesenden Militärs war diese GIGN ein Haufen Hippies. Das zumindest konnte man den Blicken entnehmen, die sie der Gruppe zuwarfen. Als der General seine Einweisung beendet hatte, wandte er sich an Leutnant Prouteau.

      »Wie wollen Sie vorgehen?« Seine Stimme klang aggressiv. Er hatte das Détachement einer modernen und schlagkräftigen Eliteeinheit erwartet, doch nicht eine Bande Lustig, wie man im Legions-Militärjargon Menschen nannte, die man nicht ernst nahm. Und genau so eine stand seiner Meinung nach gerade vor ihm.

      Prouteau, der etwas Zeit gehabt hatte, sich im Gelände umzusehen, schien sich seiner Sache sicher. »Wenn alles so läuft, wie ich es mir erhoffe, dann kommen meine Männer bis auf etwa 200 Meter ungesehen an den Bus ran, möglicherweise näher. Und zwar genau bis hierher.«

      Er wies mit seinem Finger auf eine Karte, die hinter General Brasart an der Pinnwand hing.

      »Auf diese Entfernung treffen wir die Köpfe der Banditen. Fünf Terroristen, das macht fünf Schüsse, vielleicht sechs, mal sehen. Das Signal zur Feuereröffnung gebe ich. Niemand anders!«

      Einer der Offiziere lachte. Der General glaubte, sich verhört zu haben. Er riss die Augen weit auf. Noch nie hatte ein einfacher Leutnant so unverschämt offen mit ihm gesprochen, aber: Noch nie allerdings hatte er von so einem verwegenen Plan gehört.

      »Sie vergessen«, sagte er aufgebracht, »dass das hier kein Alleingang der GIGN ist. Und was den Befehl zur Feuereröffnung angeht, der kommt, wenn schon, dann aus Paris. Ich gebe ihn dann an Sie weiter, und Sie führen meine Befehle aus.«

      »Meine Schützen«, erwiderte Prouteau gelassen, »melden mir, wenn sie ihr Ziel im Fadenkreuz haben und es bekämpfen können. Und zwar alle gleichzeitig. Wie oft dies der Fall sein wird, darüber will ich nicht mal nachdenken. Vielleicht nie, vielleicht ein-, zwei oder dreimal an einem Tag, und das dann auch nur für eine, zwei oder drei Sekunden. Sobald sich nämlich einer der Terroristen bückt oder sich in allerletzter Sekunde wegdreht oder gar ganz aus dem Blickfeld verschwindet, beginnt das ganze Spiel von vorne.«

      Das leuchtete auch dem General ein. Auch wenn er von Zielverteilung, Countdown und Schuss-Code noch nie etwas gehört hatte: Ihm blieb gar keine andere Wahl. Der Präsident hatte die GIGN geschickt. Und damit musste er nun umgehen können.

      Der junge Leutnant der GIGN sah hinüber zu Capitaine Soubirou. Das war der einzige anwesende Offizier, der ihn ernst zu nehmen schien. In der Tat, für Soubirou zählte der äußerliche Aspekt wenig. Das Aussehen der Männer war ihm deshalb völlig egal. Für ihn zählten Taten.

      »Von dem Augenblick, an dem der erste Schuss fällt, bis zu dem, in dem Ihre Legionäre den Bus erreichen …?«

      »Eine Minute«, unterbrach ihn Soubirou. »Wenn es das ist, was Sie wissen wollten. Das ist viel Zeit, ich weiß. Aber es gilt fast zweihundertfünfzig Meter schwieriges Gelände zu überwinden.«

      Prouteau nickte anerkennend. Mit Männern wie diesem Capitaine der Fallschirmjäger der Legion, so dachte er, war die Zusammenarbeit kein Problem. Er wusste das zu schätzen.

      »Perfekt. Doch was ist, wenn die Grenzsoldaten der Somalis eingreifen?«

      »Dann sprechen die Kanonen der AML«, antwortete der General wie aus der Pistole geschossen. Der Plan, den die Chefs ausheckten, war verwegen. Die Scharfschützen der GIGN sollten die Terroristen mit gezielten Schüssen zur Strecke bringen, während in der gleichen Sekunde die Legionäre vorstürmten, mit einem Team in den Bus eindrangen, die Kinder herausholten und aus der Gefahrenzone brachten. Ein Legionärszug „neutralisierte“ den somalischen Grenzposten, ein weiterer die Soldaten, die in einem Palmenhain unmittelbar daneben in Stellung lagen. Die Kanonen der AML Panzerwagen würden die ganze Aktion mit ihrem Feuer decken. Diese Art Vorgehen erforderte eine sachkundige, sekundengenaue Koordination. Leutnant Prouteau kannte die Legionäre nicht, wusste also kaum, wozu diese fähig waren. Umgekehrt verhielt es sich genauso. Für Capitaine Soubirou stellte die GIGN eine große Unbekannte dar. Er selbst hatte in seinen Reihen einige exzellente Scharfschützen, einlenken musste er dennoch. Das 2. REP, auch die Kompanie Soubirou, verfügte zwar über die neuen Scharfschützengewehre FR-F1, diese aber waren in Calvi zu Händen der vierten Kompanie zurückgeblieben. Es handelte sich um wertvolle, brandneue Gewehre. Bedient von einem guten Schützen repräsentierten sie modernste Technik und Effizienz. Aber sie waren in der Testphase und womöglich anfällig. Das Regiment wollte nicht das Risiko eingehen, sie jetzt schon in Afrika einzusetzen. Vor allem nicht in Dschibuti, wo die extreme Hitze gepaart mit der hohen Feuchtigkeit die Kanonen innerhalb weniger Zeit von innen regelrecht zerfraß. Die Scharfschützen der „Roten“ verfügten also nur über die alte MAS 1949-56. Auch wenn diese Waffe haarscharf mit derselben Optik, dem Zielfernrohr APXL-806, ausgestattet war wie auch die nagelneue FR-F1, so ließ die Präzision über die Dreihundert-Meter-Grenze hinaus doch zu wünschen übrig. Das alles wusste Capitaine Soubirou.

      General Brasarts Stimme schreckte ihn aus seinen Gedanken hoch.

      »An die Arbeit, meine Herren. Viel Erfolg und Gott mit den Kindern!«

      »Wie viele Terroristen sind in dem Bus?«

      »Vier. Höchstens fünf!«

      Leutnant Doucet hatte sich das grüne Barett tief in den Nacken geschoben und beobachtete mit seinem Feldstecher die somalische Grenze. Was er sah, gefiel ihm ganz und gar nicht.

      »Wenn die da drüben ernst machen, wird’s zappenduster.«

      Soubirou nickte. Jenseits der Grenze tat sich was. Einheiten der regulären somalischen Armee brachten dort ein gut aussortiertes Waffenarsenal in Stellung.

      »Da brat mir doch einen ’nen Storch«, sagte Leutnant Andrieu. »Das sind deutsche MG-42. Und die sind auch noch richtig gut platziert.« Sein Zug lag einsatzbereit dreihundert Meter hinter ihm und genoss die Ruhe vor dem Sturm. Auch Soubirou kannte diese MGs, wusste um deren Feuerkraft.

      »Ja, les Boches! Wenn sie was herausbringen, dann ist es tipptopp.« Er sah sich im Gelände um, entdeckte jedoch nur eine Stelle, die ihm als Ausgangsbasis für einen Sturm auf den Bus und den Grenzposten geeignet schien.

      »Doucet. Links von uns, einhundert. Am Strand, die leeren Tonnen mit dem Stacheldraht.«

      »Gesehen.«

      »Bringen Sie dort Ihren Zug in Stellung. Maximale Diskretion bei der Annäherung. Die Banditen sollen noch nicht mitbekommen, dass wir hier sind.«

      Der Leutnant nickte humorlos.

      »Die anderen Sturmgruppen positionieren sich rechts davon. Jorand Mitte, Raoul äußerst rechts. Den Befehl zum Sturm gebe ich, sobald die GIGN loslegt. Für alle aber gilt: Sollte auch nur ein einziger Schuss auf eine der Geiseln abgegeben werden, egal in welcher Phase, gehen wir sofort zum Angriff über.«

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       Ein FR-F2 der zweiten Kompanie der Paras Legion im Einsatz in Afrika.

      Die Zugführer sahen sich an. Was das hieß, wussten sie. Die Legionäre mussten ihre Sturmausgangsstellung robbend erreichen, und es konnte durchaus sein, dass sie die ganze Nacht und den darauf folgenden Tag dort draußen lagen. Nachts war das kein Problem, tagsüber aber knallte die Sonne mit über 50 Grad gnadenlos vom Himmel und die kleinste Bewegung konnte sie verraten.

      »Ihre Männer, Raoul, knöpfen sich den somalischen Grenzposten