»Das ist normal«, beruhigte ihn Adjudant-chef Kretschmar. »Die Legionäre wollen kämpfen oder ficken. »Denen sind Marsch mit Gesang, der übliche Kasernendrill und die ständigen Corvées doch egal. Alles, was sie brauchen, ist ein gesalzener Einsatz. Oder Sie lassen Mädchen kommen. Ich könnte da was organisieren, bräuchte nur Ihr Einverständnis.«
»Das fehlte noch«, erwiderte der Kommandant barsch. »Aber bevor sie sich gegenseitig die Köpfe einschlagen …!« Er hielt inne und sah zum Fenster hinaus. Auf dem Vorhof standen Legionäre und gestikulierten mit Überschwang. Ihre lauten Stimmen drangen bis an seine Ohren.
»Mann, schaut mal, Hubschrauber!«
De Chastenet traute seinen Augen kaum. Aus der untergehenden Sonne heraus schälten sich ungewöhnliche Schatten. Hummeln gleich, flogen die Hubschrauber heran, drehten eine Schleife und landeten dann einer nach dem anderen auf dem Kasernenhof. Der Commandant rieb sich die Hände. Seinem Détachement waren definitiv die Hubschrauber zugeteilt worden, nach denen er immer wieder gefragt hatte. Außer sechs H-34 Truppentransporthubschraubern verfügten er und seine Männer nun über eine Alouette-2, eine H-34 „pirate“ – ausgestattet mit einer Bordkanone 20 mm – und über zwei Aufklärungsflugzeuge vom Typ Piper-Tripacer. Endlich konnten sie Aufklärung aus der Luft betreiben. Was den operationellen Teil anging, so dachte er daran, ähnlich zu agieren wie die Paras einst in Algerien. Die Piper oder die Alouette stöberten den Feind auf. Die H-34 brachten eine Einheit weit in seinen Rücken, wo die Männer sorgfältig angelegte Auffanglinien bildeten. Eine andere Einheit trieb ihnen die Rebellen dann direkt in die Arme. Auch erschien es unter diesen Umständen denkbar, weit im Hinterland, vor allem an den Pisten, die zur Grenze führten, ganz punktuell kleine Kommandos für einen nächtlichen Hinterhalt abzusetzen. In rascher Folge ereigneten sich mehrere Gefechte in der Region Bitkine, doch jedes Mal rückte die erste Kompanie aus, klärte die einzelnen Situationen und sammelte dabei wertvolle Kampferfahrungen. Die Legionäre gewöhnten sich langsam an den Einsatzrhythmus und an den Tschad. Im September verlegte die zweite Kompanie des Capitaine Aubert nach Fort Lamy und von dort, an Bord einer Trans Faya-Largeau all und dreier Nord Noratlas, weiter nach Faya-Largeau. Im Westen der Oasenstadt, mitten in der zerklüfteten Felswüste des B.E.T., hatten die Rebellen eine Einheit der regulären Armee angegriffen. Beim Eintreffen der Legion vor Ort wich der Feind aus. Der Ruf, der den Legionären stets vorauseilte, hatte sie vorsichtig werden lassen. Im Morgengrauen am Tag darauf stieß eine Patrouille auf die Ortschaft Bedo. Bedo war ein winziger Ort im Bembeche Massiv. Das „Bled“, wie die Legionäre ihn nannten, bestand aus ein paar heruntergekommenen Hütten aus gebranntem Lehm, die kreisförmig um den einzigen Platz des Dorfes standen. Ein alter Mann, begleitet von einem ockergelben Hund, kam den Legionären händeringend entgegen. Die anderen Einwohner waren zwar alle quicklebendig, hatten sich aber sicherheitshalber in den Hütten verbarrikadiert. Der Mann sprach kein Französisch, zeigte jedoch aufgeregt nach Norden. Dort, in der langsam aufgehenden Sonne gut sichtbar, begann ein tiefer, im Schatten hoher Felsen versteckter Canyon, dessen eng aufsteigende Felswände nichts Gutes verhießen. Capitaine Aubert begriff sofort. Prompt wählte er eine kleine Gruppe Legionäre aus.
»Nehmt die Verfolgung auf. Wenn ihr in einer Stunde nicht fündig werdet, kehrt um!«
Es wurde eine Hetzjagd. Die Legionäre ließen ihre Rucksäcke in Bedo zurück und drangen vorsichtig in den Canyon ein, in dem sich jeder Fels und jede Biegung als Hinterhalt anbot. Sie konnten den Feind hören, ihn aber nicht sehen. Immer wieder hielten sie an, weil vor ihnen verdächtige Schatten auftauchten, die sich dann aber als kleine, mit Stacheln übersäte Bäume entpuppten. Als das Licht besser wurde und die Umrisse sich endlich deutlicher herauskristallisierten, blieb der Legionär, der wie ein Jagdhund an der Spitze lief, plötzlich stehen. Atemlos, die Pistole in der Faust, war der Kommandoführer sofort an seiner Seite.
»Was ist los?«
»Da vorne sind sie!«
Der Sergent nickte. »Ich zähle sechs, und du?«
»Richtig. Und sie klettern wie Gämsen.«
»Was schätzt du, hundertfünfzig Meter, mehr?«
Der Legionär überlegte kurz und stimmte dann zu. »Hundertfünfzig. Wir könnten sie von hier aus alle auf einmal erledigen.«
Einige Sekunden darauf hallte das Echo der Schüsse von den Berghängen wider. Das Feuer war präzise und wirkungsvoll. Vier der sechs Rebellen starben, zwei hingegen gelang die Flucht. Sie hatten sich, so schien es, einfach in Luft aufgelöst. Im Dorf blieb die zweite Kompanie inzwischen nicht untätig. Auberts Männer stöberten eine versteckte Rebellengruppe auf und töteten in einem kurzen Feuergefecht den verantwortlichen Rebellenchef der gesamten Nord-Region des Borkou-Ennedi-Tibesti. Im Versteck fanden sich Dokumente von großer Bedeutung, einige Kriegswaffen, Nahrung, Waffen und Munition. Auch in Massloua bei Am-Timan kam es zu Kämpfen. Achtundsechzig Rebellen starben im Kugelhagel der Legionäre, und es war wie ein Wunder: Bisher gab es unter den Paras nur einige Leichtverletzte. Die Erfolge konnten jedoch nicht die Tatsache beiseitefegen, dass sich die Situation überall im Land drastisch zuspitzte. Und so kam es, dass die in Calvi verbliebenen Kompanien der Paras sich eine nach der anderen einfanden. Am 7. Oktober traf das EMT-2 unter dem Befehl des Major Malaterre im Tschad ein, und am 25. Oktober war das ganze Regiment, Oberst Lacaze an der Spitze, komplett im Einsatz. Darunter die dritte Kompanie, die schwere Kompanie, damals CAE, heute Compagnie d'éclairage et d'appui (CEA), sowie eine motorisierte Einheit, die Compagnie motorisée de la Légion étrangère (CMLE). Letztere bestand aus Legionären des ersten Fremdenregimentes. Die Operation „Cantharide“ konnte also beginnen. Ziel der Operation war es, das gesamte Gebiet im Dreieck Bokoro-Melfikole-Bitkine zu befrieden. Die Resultate hingegen blieben aus. Sobald die Legion in Erscheinung trat, tauchten die Rebellen unter. Überhaupt agierten die Rebellen nun eher in kleinen Gruppen, was es schwieriger machte, sie aus der Luft aufzuklären. Auch waren die zurückzulegenden Distanzen einfach zu erheblich, und die Legionärs- Kompanien zwischen Faya-Largeau, Mongo und Mangalmé zu weit auseinandergezogen. Wenn man die Legions-Einheiten abzog, die an der Grenze zum Sudan operierten, dann erwies sich die Rechnung als einfach: Eine Kompanie musste in einer Region für Ordnung sorgen, die so groß war wie die Insel Korsika. Das zu stemmen war auch mit Unterstützung aus der Luft kein Leichtes. Ganz automatisch wurden die Patrouillen mit den Kfz seltener und kürzer, bis sie irgendwann ganz aufhörten. Schwer wog auch die Tatsache, dass im Nachbarstaat Libyen ein gewisser Muammar al-Gaddafi inzwischen die Macht an sich gerissen hatte. Sein Regime unterstützte die FROLINAT, und wer Unterstützung sagte, der meinte moderne Waffen, Munition im Überfluss und bessere Informationen über den Feind. Die Legionäre waren gewarnt!
13.