Mephisto. Jörg Gugel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jörg Gugel
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738035643
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      Er hatte abscheuliche Taten begangen und dafür wurde er nun bestraft. Der Mann namens Greg Hole war ein „Dead Man“!

      „Mr. Hole, setzen Sie sich auf den Stuhl!“, forderte ihn der Wächter auf, der vorangegangen war.

      Er tat, wie ihm geheißen. Man löste seine Handschellen, kettete seine Gelenke jedoch sofort an den Stuhl fest, ebenso seinen Hals an der Rückenlehne. Ein Schwamm wurde in Wasser getaucht und auf seinen Kopf gelegt. Man streifte ihm einen schwarzen Sack darüber und stemmte etwas auf seinen Kopf, dass wie ein übergroßer, ausgehöhlter Duschkopf aussah.

      Greg hatte im Gesicht nicht den mindesten Anflug von Angst gezeigt, doch seine bebenden Hände verrieten ihn.

      Wieder ertönte die sonore Stimme des Todestraktwächters. „Greg Simon Hole, Sie wurden schuldig befunden des Kindesmissbrauchs mit anschließender Tötung in 23 Fällen…“

      „… und da haben sie ihm nicht einmal die Hälfte nachweisen können“ zischte Mephisto Michael böswillig zu.

      „… daher wurden Sie zum Tode durch den elektrischen Stuhl verurteilt. Es wird nun solange Strom durch Ihren Körper laufen, bis Sie tot sind!“

      Eine Frau weinte in ihr Taschentuch. Ein Mann, der aussah wie die ältere Version von Greg Hole, legte ihr den Arm um die Schultern und drückte sie tröstend an sich, sagte aber nichts. Sein Blick verriet immer noch Fassungslosigkeit und Leere. Die Luft war bis zum Zerreißen gespannt.

      Der Wärter, der artig seinen Spruch aufgesagt hatte, gab nun das Signal an seine drei Kollegen hinten im Raum, die jeweils einen Druckknopf betätigen würden, damit niemand wusste, wer den Verurteilte nun wirklich ermordete. Es war nun soweit!

      Man hörte ein leises Surren im Raum und sah sofort, dass die Wirkung des Stroms ihren Dienst tat. Gregs Glieder zuckten krampfartig und hätten ihn ohne die Fesseln wahrscheinlich vom Stuhl gerissen. Dumpfe, qualvolle Schreie, die man einmal gehört niemals wieder vergessen würde, drangen aus dem über den Kopf gestülpten Sack. Seine Finger umklammerten die Stuhllehnen so fest, dass unter den Nägeln das Blut hervorspritzte. Er verbrannte grausam bei lebendigem Leib, seine Organe barsten oder schmolzen bei der unvorstellbaren Hitze, die tödlich durch seinen Körper jagte.

      „Jetzt verdampfen wahrscheinlich gerade seine Augen“, informierte Mephisto den Engel.

      „Erstens weiß ich das selbst und zweitens amüsiere dich gefälligst nicht darüber!“ Sein Blick war angeekelt von der süffisanten Miene des Teufels.

      Obwohl die Schreie des Verurteilten aufgehört hatten, zuckte der Körper weiterhin. Greg war also noch nicht tot! Solange nicht, bis der Tod endlich seine Sense hob und ihn damit durchbohrte.

      Greg erwachte wieder.

      Er wusste nicht, wo er war. Alles in seinem Kopf schien wie benebelt. Seine Augen waren schwer wie Blei und er fühlte sich schrecklich. Er hob den Kopf, der ihm schlaff von den Schultern gehangen war und betrachtete benommen den Raum um sich herum.

      Wieso kann ich sehen? Wo ist der Sack?, waren seine ersten Gedanken!

      Etwas stimmte hier nicht. Er sah den Raum, denselben Raum, dieselben Menschen. Seine Mutter, die ihn trotz seiner Taten immer geliebt und seinen Vater, der ihn deswegen verstoßen hatte. Die Eltern der Kinder, die er missbraucht und getötet hatte. Sie alle waren noch hier. Aber es schien, als würden sie sich nicht mehr bewegen - nein - als würden sie sich sehr langsam bewegen. Und so seltsam verzerrt!

      Was war hier los?

      Er blickte an sich herunter und bemerkte etwas Hartes, dass durch seinen Rumpf gebohrt worden war. Er verfolgte diesen Gegenstand, der in der Hand einer Kreatur endete.

      Und seine Augen weiteten sich vor Angst als er die drei Botschafter aus dem Jenseits erkannte. Sie sprachen und was er da hörte, ließ Panik in ihm aufsteigen.

      „Tja, da ist nicht viel zu holen, Michael“, sagte Mephisto ungnädig, der mit Absicht in der Sprache des anwesenden Menschen sprach, damit dieser ihn verstehen konnte.

      Der Erzengel atmete tief aus: „Das weiß ich!“

      „Wohin?“, fragte Senta.

      Mephisto sah in Gregs Gesicht, bemerkte, dass er bei „wachem“ Zustand war und lächelte sanft: „Ich denke, 50.000 Jahre in der Hölle werden dir ganz gut tun, oder Greg?“

      Dessen Miene versteinerte sich.

      „Nicht ganz, Mephisto“, erwiderte Michael. „3.000 Jahre werden ihm aufgrund seiner Hinrichtung gutgeschrieben! Außerdem muss seine Reue noch berücksichtigt werden!“

      „Reue, ein Tag vor seiner Hinrichtung entstammt nur der Angst vor dem Unbekannten! Das wird nicht beachtet!“

      Der Erzengel versuchte es wieder: „Seinen Kindern war er ein guter Vater!“

      Da lachte Mephisto tatsächlich auf: „Wirklich? Selbst von seinen Kindern hat er geträumt! Er hat sie gerne auf seinen Schoß genommen und ich denke, du weißt genau, was er dachte, als er mit ihnen Hoppe-Hoppe-Reiter spielte! Dafür schenke ich ihm keine Jahre!“

      Beide, der Vertreter der Hölle und der des Himmels fachsimpelten, argumentierten und deuteten die Vergangenheit des nun verstorbenen Menschen, der sich im letzten Gericht seiner Existenz verantworten musste. Michael hatte die unglückliche Aufgabe, einen durch und durch bösartigen Menschen zu verteidigen und energisch nach Gründen zu forsten, die seine Zeit in der Hölle verkürzen würden.

      Er hatte einen Menschen verprügelt, aber auch einst einer alten Frau geholfen, über die Straße zu gelangen. Er hatte seine Frau bestohlen, aber auch einem Bettler eine großzügige Spende gegeben.

      Letztendlich kamen sie zu dem Ergebnis, dass Greg Hole die Qualen der Hölle für 45.380 Jahre durchlaufen musste.

      „Nun, Senta, gib ihn mir“, forderte Mephisto den Tod mit einiger Genugtuung auf.

      Greg wollte etwas einwenden, doch bevor er auch nur ein Wort gesagt hatte, blickte der Teufel ihm scharf in die Augen und sprach: „Der Tote hat kein Erhörungsrecht! Jeder Augenblick deines Lebens ist uns bekannt!“

      Der Teufel hob seine Hand und augenblicklich bebte die Erde. Ein riesiger Riss erschien im Boden. Aus ihm entstand ein klaffendes Loch, das immer größer und größer wurde, bis ein Mann problemlos hineinpasste. Daraus drang fauliger und schwefliger Gestank in seine immaterielle Nase und ließ ihn stark husten.

      „Bitte“, flehte er.

      Doch der Teufel ließ sich nicht erweichen.

      „Wir werden uns wieder sehen!“

      Ein gequälter Schrei, der noch lange nachhallte und schon verschwand der Sünder in der Kluft und ward bald nicht mehr zu sehen.

      Senta wies seine beiden Begleiter an, ihm zu folgen. Michael blickte sehr traurig, verharrte jedoch nicht länger in seiner Tristesse. Tod und Teufel waren gerecht gewesen – nicht gnädig, aber gerecht.

      Des Tages wurden noch viele Seelen der Hölle, aber auch dem Himmel zugeteilt. Oft waren es Kinder, die den Himmel empor flogen. Das überirdische Gesetz zwischen Himmel und Hölle besagte, dass Kinder, die noch nicht die pubertäre Reife durchlebten oder Menschen, die bis zu einem gewissen Grad geistig beeinträchtigt waren, nicht für ihre Taten zur Verantwortung gezogen werden konnten und daher unweigerlich die Pforten zum Paradies betreten konnten. So schön diese Vorstellung auch war, so erschreckend war es jedoch, dass auch viele Kinder starben: Hunger, Krankheit, Mord und Unglück sind tägliche Ursachen für ein grausames Auseinanderreißen einander liebender Menschen!

      Der Rundgang war beinahe zu Ende. Nur noch eine letzte Seele musste erlöst werden.

      Sie befanden sich auf einem nahezu leeren Platz in einer kalten Großstadt. Es war dunkel geworden. Ein paar Nachtschwärmer besangen ihre Trunkenheit und ein paar Obdachlose hatten ein Lagerfeuer entfacht, um miteinander zu plaudern. Hin und wieder fuhr ein Auto oder fast leerer Bus vorbei.

      Ihr Ziel war eine alte