Kurt Fleischner
Gute Nacht Geschichten für Papas
Satiren rund ums Kinder-Zu-Bett-Bringen mit Illustrationen von Johanna Wegscheider
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Inhaltsverzeichnis
Die Geschichte vom Rotkäppchen und dem Lieben Wolf
Eine außerirdische Gute Nacht-Geschichte
Franz, der Bücherwurm mag keine Gute Nacht-Geschichten
Die letzte Gute Nacht-Geschichte
Die Geschichte vom Rotkäppchen und dem Lieben Wolf
Vorwort
Dies ist eine Sammlung von Gute Nacht-Geschichten für Papas. Ich sehe nämlich überhaupt nicht ein, warum wir Papas unseren Kindern allabendlich Geschichten vorlesen und erzählen müssen, die für uns selbst ohne jeden Unterhaltungswert sind. Geschichten, die uns überhaupt nicht interessieren, unter anderem deshalb, weil keine Geschichten erzählenden Papas darin vorkommen.
Ich gebe es zu: Der Papa, von dem in den folgenden Geschichten die Rede sein wird, bin ich selbst. Die Kinder, die darin vorkommen, das sind unsere Kinder Sophie (4 Jahre), Anna (6 Jahre), Vanessa (11 Jahre) und Florian (12 Jahre). Und die Mama, meine wundervolle Frau Sissy.
Obwohl die Geschichten eigentlich vorwiegend für Papas gedacht sind, haben sich einige von ihnen zu absoluten Lieblingsgeschichten meiner Kinder entwickelt. Es wird darin die Rede sein von einem Papa, der oft zu müde ist, um seinen Kindern noch eine Gute Nacht-Geschichte zu erzählen und der sich weigert „Rotkäppchen“ zum viertausendachthundertzwölften Mal vorzulesen. Der Bogen spannt sich von der Babykarotte, die sich in eine Killertomate verliebt und von der Lebensmittelpolizei verfolgt wird, bis hin zum Weihnachtsmann, der wieder einmal Streit mit seiner Frau Hilda hat. Vom Grafen Dracula wird ebenso die Rede sein wie von der „Sandmännchen-Beschwerdestelle“. Und, Ufo-Forscher aufgepasst: Die Sammlung enthält auch eine „Außerirdische Gute Nacht-Geschichte“.
Die Geschichten erzählen von den manchmal recht kindischen Gefühlen von Vätern und von der Weisheit und dem Phantasiereichtum unserer Sprösslinge, die mitunter zwar rechte Quälgeister sind, die wir dennoch um keinen Preis der Welt missen möchten.
„Erzähle uns eine Gute Nacht Geschichte!“ ruft meine kleine Tochter Anna und ihre Stimme klingt bestimmt und erwartungsvoll. Sie sitzt aufrecht in ihrem Bett, neben ihr sitzt die kleine Sophie in ihrem „Lila-Katzen-Pyjama“ und versucht trotz beachtlicher Müdigkeit - mit Erfolg - ihre Äugelein offen zu halten.
„Ok.“, seufze ich. Es ist nicht so, dass ich meinen beiden kleinen Töchtern nicht gerne Einschlafgeschichten erzählen würde, aber es ist gar nicht so einfach sich täglich eine neue Geschichte auszudenken.
„Rotkäppchen!“, fordert Sophie. Rotkäppchen ist Sophies Lieblingsmärchen, das muss man wissen, und es würde ihr nichts ausmachen, wenn ich jeden Abend immer nur dieses Märchen erzählen würde. Ich habe jedoch neben Anna und Sophie noch zwei weitere Kinder, die sind schon etwas älter und hören nur mehr sehr selten Märchen und so habe ich Rotkäppchen schon mindestens EINHUNDERTDREIUNDFÜNFZIGTAUSENDDREIHUNDERTSIEBZEHN Mal erzählt und ich kann dieses Märchen einfach nicht mehr hören.
„Nein!“, sage ich deshalb, „ich erzähle euch heute die Geschichte von...“ „Rotkäppchen!!!“ besteht Sophie knapp und ihre Stimme hat den mir wohl bekannten Klang, der so viel bedeutet wie: „Du erzählst mir jetzt diese Geschichte oder ich beginne auf der Stelle loszuheulen, und zwar so für die nächsten siebeneinhalb Stunden, da kannst du machen, was du willst…“
„Na gut“, gebe ich mich geschlagen, wahrscheinlich wäre mir heute ja ohnehin keine andere Geschichte eingefallen. Wirklich einverstanden war ich ja nicht mit der Wahl, aber ich dachte daran, die Geschichte ein wenig zu verändern, ein bisschen anders zu erzählen als sonst, um auf diese Weise mein kreatives Potential auszuleben mit dem möglichen Ergebnis, dass diese Geschichte nicht mehr so eintönig ist.
„Also“, begann ich etwas trotzig, „es war einmal ein Mädchen, das putzte sich abends vor dem Zubettgehen nie die Zähne...“
„...das hatte immer ein rotes Käppchen auf!“ verbesserte mich Anna und ihre Stimme klang äußerst verärgert, ja fast ein wenig bedrohlich.
„Ach ja!“ sagte ich kleinlaut, „das hatte immer ein rotes Käppchen auf und deshalb wurde es von allen Rotkäppchen genannt. Eines Tages sagte die Butter zum Rotkäppchen: ...“
Ein vorwurfsvoller Blick traf mich. „Die Mutter, natürlich ...“ verbesserte ich mich sofort und Sophie meinte nur trocken: „Du bist manchmal so blöd Papa, die Butter kann ja gar nicht sprechen!“
„Eben“, sagte ich, „also die Mutter sprach zum Rotkäppchen: Geh in den Wald und bringe der kranken Großmutter diesen Korb mit dem Kuchen und dem Wein, aber vertrödle keine Zeit und bleib auf dem Weg und kauf dir kein Eis beim Zuckerlgeschäft an der Ecke, denn du warst eben erst erkältet und gestern hast du noch gehustet.“
Meine beiden Töchter blickten mich verärgert an, aber sie übergingen diese Ausschweifungen gnadenhalber und ich konnte ohne Unterbrechung fortsetzen. „Also ging Rotkäppchen in den tiefen, tiefen Wald. Nachdem es eine Weile gegangen war, traf sie den Lieben Wolf.“
„‘Lieben‘ Wolf gibt‘s nicht!“, protestierte Sophie. In Wirklichkeit wollte ich ohnehin nur testen, ob die beiden nicht schon eingeschlafen waren.
„Ach, wo hab ich denn heute meine Gedanken nur?“, sagte ich scheinheilig. „Natürlich stand da der Böse Wolf. Der überredete Rotkäppchen dazu, ein paar Blumen für die Großmutter zu pflücken und lief einstweilen zum Haus der Großmutter und verspeiste sie, denn gestern hatte es nur Karottensuppe gegeben, und die hatte ihm überhaupt nicht geschmeckt. Als dann das Mädchen das Haus betrat..“ fuhr ich schnell fort, bevor meine beiden Mädchen noch etwas einwenden konnten, „… und den Wolf im Bett als Großmutter verkleidet liegen sah, sagte es: „Warum hast du so große Augen?“
„Damit ich dich besser hören kann!“
„Damit ich dich besser s e h e n kann!“ kam die ungeduldige Stimme aus Sophies Bett.
„Und warum hast du so große Ohren?““
„Damit ich dich besser hören kann!“ mischte sich jetzt auch Anna ein. Auch sie war noch nicht eingeschlafen.
„Und warum hast du so große Zehen?“
„Papa!“ Sophies Stimme klang zwar noch immer anklagend, aber schon
einigermaßen kraftlos. Sie war offenbar kurz vor dem Einschlafen.
„Nachdem der Wolf auch das Rotkäppchen verspeist hatte (den spannendsten Teil der Geschichte hatte ich einfach übersprungen) legte