Somit stieg ich in die Welt der Sprache ein und entdeckte, wie ich mit Hilfe der Worte eine Wirklichkeit und mein Leben verändern konnte. Worte konnten Nähe und Abstand schaffen. Und Jo spielte mit der Sprache und mit der Stimme.
Ich empfand es manchmal als bittere Tatsache, dass für zwei Menschen ein Wort nie dasselbe bedeutet. Dieses Wissen gab mir aber auch mehr Klarheit über mich und andere Menschen. Während ich mit Jo zusammen in die Welt der Sprache eintauchte, entdeckte ich, dass ich immer mehr fähig wurde, authentisch zu sein.
In der ersten Zeit unserer Gespräche machte es mich verrückt, wenn Jo von Modellen sprach. Ich fragte ihn, ob er nicht mal normal reden könnte. Da fragte er mich prompt: „Was ist normal?“
Jedoch erklärte er mir seinen für mich ungewöhnlichen Sprachgebrauch: „Die Landkarte ist nicht das Gebiet. Damit meine ich, dass jeder Mensch sich Vorstellungen von der Welt oder von anderen Menschen macht und somit ist es, wie eine Landkarte von der Welt oder von einem anderen Menschen. Du hast nur eine Vorstellung von mir, aber das bin nicht ich, das ist deine innere Landkarte oder anders ausgedrückt, das ist das Modell, welches du dir von mir oder der Welt machst.
Wenn du einen Plan von einer Gegend hast, nach dem du dich orientierst um an dein Ziel anzukommen, dann ist dieser Plan zwar ein guter Wegweiser, jedoch ist der Plan nicht das Gebiet. Es ist eine hilfreiche Nachahmung des Gebietes. Und so funktionieren wir auch. Innerhalb unserer Modelle, die wir uns von den Dingen und Menschen machen, verzerren wir unsere Wahrnehmung; wir generalisieren und tilgen. Das heißt, wir nehmen nur Bruchstücke wahr. Und das ist richtig so, denn wenn wir alles auf einmal aufnehmen würden, würden wir verrückt werden. Jeder von uns repräsentiert sich das Leben in seinem Kopf anders, denn jeder von uns hat andere Erfahrungen. Du knüpfst bei jedem, was du erlebst und erfährst deine Erfahrung an. Wenn dein Vater laufend fremdgegangen ist, dann weißt du, dass alle Männer so sind. Daran knüpfst du nun die Erfahrung, die du mit Männern machst.“ „Oh, da liegst du falsch“, antwortete ich. „Ich kann schon unterscheiden, dass Menschen verschieden sind. Bei mir werden nicht alle über einen Kamm geschoren.“ Jo lachte. „Das war doch nur ein Beispiel.“
Für mich war die Welt der Sprache schon immer ein spannendes Thema gewesen. Ich stürzte mich in die Thematik und las viele Bücher. Hier hatten wir eine gemeinsame spannende Welt gefunden. Da wusste ich noch nicht, wie verschieden wir es wahrnahmen.
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Jo hatte mich eingeladen und für mich gekocht. Er wusste, dass ich Vegetarierin bin. Als ich bei ihm ankam, roch ich schon die Katastrophe.
Er hatte für uns eine Pilzpfanne gemacht. Jo konnte mich auch nicht mit den größten Verführungskünsten dazu überreden, Pilze zu essen. „Es ist schon erstaunlich, dass ein Vegetarier keine Pilze mag.“ Jo schüttelte den Kopf und suchte nun im Kühlschrank nach Ersatz. Unter viel Lachen kochten wir etwas Vegetarisches ohne Pilze.
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Oft waren wir im Wald Pilze sammeln. Das kleine Mädchen wollte die Pilze nicht essen. Es dachte, es wäre ein Giftpilz dabei. Wie kam es darauf, dass die Mutter es vergiften wollte?
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Später saßen wir gemeinsam auf dem weißen Sofa. Jo's riesiges Wohnzimmer sah mehr wie ein Büro aus. Ein großer halbrunder Schreibtisch beherrschte den Raum. Darauf stand ein Computer und rings umher lagen Stapel von Unterlagen. Selbst der Kamin wurde als Ablage für seine Papierstapel genutzt. Das Sofa stand scheinbar meist unbenutzt in der Ecke.
Jo fing an zu erzählen. Von seiner vorigen Partnerschaft. Weit holte er aus und erzählte Details, die ich bestimmt nicht wissen wollte. Mir wurde immer ungemütlicher und ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte, geschweige denn, wie ich ihn bremsen konnte. Ich hatte so etwas noch nie erlebt, noch nie hatte mir jemand so detailliert von einer meiner Vorgängerinnen erzählt. Das grenzte ja fast schon an Sadismus. Ich hatte keine Ahnung, wie ich aus dieser unguten Situation kommen könnte. Und somit nickte ich freundlich und ließ es fassungslos über mich ergehen.
Irgendwann landete er beim Thema Spiritualität. Nilgün, meine Vorgängerin, war sehr spirituell. Somit gingen beide zu einem Guru um seine Satsangs (indische religiöse Philosophie) mit zu erleben. Jo sprang auf und holte ein Foto von dem Guru. „Schau, das ist er. Nilgün war mir aber zu gläubig, ich habe viel mehr hinterfragt.“ Tief holte er Luft, um weiter zu erzählen.
Ich nahm ihm das Foto aus der Hand, legte es zur Seite und unterbrach ihn endlich genervt: „So, nun hast du mir genug Details erzählt. Das hättest du mir auch in ein paar Sätzen sagen können. Nilgün war schlank, gut im Bett, sie war so alt wie deine Tochter, sie hat dich finanziell ausgenutzt und war spirituell. Mehr muss ich nicht wissen.“ Jo sprang auf und ging vor dem Sofa hin und her. Dann beugte er sich zu mir herunter, sah mir in die Augen und sagte fast theatralisch: „Ich möchte mit dir ein neues Leben aufbauen. Deswegen möchte ich absolut ehrlich zu dir sein und dir alles erzählen. Auch wünsche ich mir, dass du mir alles von dir erzählst. Sonst können wir keine gute Beziehung aufbauen.“
Nun stand ich auch auf um mit Jo auf gleicher Augenhöhe zu sein. Trocken sagte ich: „Du kannst dich drauf verlassen, dass ich nicht stundenlang von meinen Verflossenen schwärme. Und ins Detail werde ich auch nicht gehen. Ich stimme mit dir überein, dass Ehrlichkeit wichtig ist, aber Ehrlichkeit kann auch sehr verletzend sein. Ich habe da meine Grenzen.“
Ich konnte in diesem Moment zwischen uns kein Verstehen aufbauen. Die Grenze zwischen Ehrlichkeit und Verletzung konnte er wohl nicht einordnen. Jo war absolut grenzüberschreitend und schien es nicht zu merken. Es war unglaublich.
Mit dem Vorwand, dass der Hund raus müsse, holte ich die Leine. Mein Hund sprang sofort freudig um uns herum. Wir machten einen langen Spaziergang und wechselten endlich das Thema.
Viel später erfasste ich, dass die laufenden Grenzüberschreitungen von Jo in allen Bereichen, auch im Bereich von Nähe und Sexualität, mir sehr geholfen haben, Nähe zuzulassen und mich lehrte, mit vielen Dingen offener umzugehen.
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Während eines unserer Telefonate, sagte Jo zu mir: „Aha, diese Strategie fährst du also.“ Ich war entsetzt, dass er mir eine Strategie unterstellte und nannte ihn einen Wadenbeißer. Dann beendeten wir verstimmt das Telefonat. Für mich bedeutete Strategie, dass ich einen Schlachtplan entworfen hätte, ihn zu angeln, und das ließ ich mir nicht unterstellen.
Am nächsten Tag fragte ich ihn, was er denn unter Strategie versteht. „Meinst du mit Strategie vielleicht meine alte Rückzugsmasche?“ fragte ich ihn in der Hoffnung, dass ich mich mit meiner Interpretation geirrt hatte. „Eine alte Rückzugsmasche ist keine Strategie. Vielleicht ist sie manchmal ganz nützlich, vor allem, wenn am anderen Ende des Telefons einer um sich beißt – ob du nun Recht hast oder nicht, ist ein anderes Thema.“ Er lachte sein heiseres Lachen und fuhr fort. „Vielleicht ist es egal, ob deine Strategie bewusst ist oder nicht. Es ist die Art, wie du redest und handelst. Aber wenn wir sie anschauen können, wenn wir merken, dass die alte unbewusste Schiene nicht funktioniert, und dann unser bewusstes Gehirn benutzen können, um etwas anderes erfinden zu können...“, ich unterbrach ihn provokativ. „Gefühl ausschalten und Gehirn benutzen, ja?“ Die Antwort auf meine Provokation kam unerwartet. „Nicht schlecht, oder? Zumindest im Vergleich zu „mehr desselben“ alten Verhaltensweisen mit dem ich mich bisher in die Scheiße geritten habe...“ wieder unterbrach ich ihn. „Also nicht zurückziehen, sondern funktionieren, wie Jo möchte? Auf Anhieb umschalten und neuer Mensch werden – sonst kommt der Wadenbeißer?“
Nun wurde seine Stimme belehrend. „Unterscheide ich und meine alte Masche oder unterscheiden ich und meine Handlungen? Die Frage ist, ist ein Mensch seine Handlung? Wenn du sagst, du magst es nicht, wenn ich zum Beispiel X sage oder tue, greifst du mich damit als Mensch an, oder teilst du mir