Christine Lamberty
Angie: Es geschah auf dem Heimweg
Thriller
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Inhaltsverzeichnis
Titel
ANGIE
Es geschah auf dem Heimweg
von
Christine Lamberty
T H R I L L E R
Prolog
Sie verlässt das Haus ihrer Freundin und macht sich auf den Heimweg. Ihr Elternhaus liegt nur fünfzehn Minuten entfernt, und wie immer nimmt sie den Weg am Seeufer entlang. Starr vor Schreck hält sie den Atem an, als sie plötzlich eine Hand im Nacken spürt und grob herumgerissen wird. Sie hat den Mann nicht kommen hören. Ganz leise musste er sich angeschlichen haben. Stahlblaue, eiskalte Augen sehen sie an. Ein Gefühl der Angst breitet sich in ihrem ganzen Körper aus und sie beginnt zu zittern. Gleichzeitig überschlagen sich ihre Gedanken. Warum strahlt sein Blick so viel Hass aus? Was habe ich ihm getan? Er ist ein Fremder, und ich kenne ihn nicht. Dann spürt sie die ersten Schläge auf ihren Körper hernieder prasseln. Sie versucht sich zu wehren, das animiert ihn nur, noch fester zuzuschlagen. Wie eine Flutwelle geht alles sehr schnell. Schwach vor Schmerzen sinkt sie zu Boden. Verschwommen nimmt sie wahr, wie er an ihrer Kleidung reißt und in sie eindringt. Sie kann nicht mehr schreien. Ihre Kräfte versagen. Das Letzte was sie sieht, ist eine lange Narbe am Hals und eine Tätowierung am Handgelenk.
Ein Notenschlüssel.
Dann versinkt sie in Dunkelheit.
1
Am Nachmittag erreichten sie Tutzing am Starnberger See. Ihr Haus lag in der Nähe des Seeufers. Vor einem großen schmiedeeisernen Tor hielt Herr Möller den Wagen an, und fuhr langsam die Auffahrt entlang zum Eingang des Hauses.
Dort erwartete sie eine Frau mittleren Alters. „Angie, das ist Frau Keller. Sie kümmert sich um den Haushalt und bringt dich in der ersten Zeit zur Schule.“ Mit einem strahlenden Lächeln reichte sie Angie die Hand und begrüßte sie freundlich. Angie mochte sie vom ersten Augenblick. Durch Ihre mütterliche Art und ruhige Stimme, fühlte sie sich geborgen und vergaß für einen kurzen Moment ihre Sorgen. Frau Möller nahm Angie an die Hand, sie durchquerten die Eingangshalle und stiegen die Treppe empor. Angies Vater und Frau Keller folgten mit dem Gepäck. Sie traten in einen großer Raum, der mit kostbaren Möbeln eingerichtet war. Angie schaute aufgeregt hin und her. Puppen in unterschiedlicher Größe saßen auf kleinen Stühlchen und in Regalen tummelten sich verschiedene Stofftiere. In einer Ecke standen ein Kaufladen und ein Puppenhaus. Angie sagte kein Wort. Sicher träumten viele ihrer Freundinnen von einem Zimmer mit so vielen Spielsachen, auf Angie wirkte es erdrückend. Ihre Eltern zeigten ihr die anderen Räume, der oberen Etage. Hier lag das Schlafzimmer ihrer Eltern, ein Gästezimmer, zwei Bäder und das Büro ihres Vaters, der öfters Arbeiten zu Hause erledigte. Dann setzten sie die Hausbesichtigung in den unteren Räumen fort. Von der Küche aus betraten sie das Esszimmer. Staunend blickte Angie auf den Essplatz. Noch nie hatte sie so einen riesigen Tisch gesehen. Ihr Vater öffnete die Schiebetür ins angrenzende Wohnzimmer. Der Raum lag bereits im Halbdunkeln. Ganz schwach drangen die letzten Sonnenstrahlen durch die großen Fenster herein. Frau Möller schaltete das Licht an. In der Mitte des Raums stand eine rechteckige Sofalandschaft. Wie in den oberen Räumen war auch das Wohnzimmer mit edelsten Möbeln ausgestattet, und dicke Teppiche bedeckten teilweise den Marmorboden. Angie stand wie angewurzelt zwischen dem Esszimmer und dem Wohnzimmer. Sie traute sich nicht zu bewegen. Die Größe und Eleganz des Hauses schüchtern sie ein. Dies war nicht mit ihrem bisherigen Zuhause vergleichbar. Frau Möller legte den Arm um ihre Tochter. „Na, gefällt es dir hier?“ Zaghaft und scheu entglitt ihrem Mund, ein kaum hörbares „ja“. Frau Möller horchte bei Angies zurückhaltender Reaktion auf. „Wie ungeschickt von uns. Da reden wir und reden, führen dich herum und merken nicht, dass du hundemüde bist. Entschuldige, vor lauter Euphorie, dich endlich bei uns zu haben, sahen wir nicht, dass die Fahrt und die vielen neuen Eindrücke dich sehr anstrengten. Komm, Frau Keller hat das Essen fertig. Danach bringe ich dich zu Bett.“
Sie starrte auf die Schatten, die das Mondlicht durch die Ritzen der Rollläden zur Decke warf. Ihr Schädel brummte, und sie fürchtete sich vor der ungewissen Zukunft. Sie vermisste ihre Großeltern. Besonders ihre Großmutter, die sie jeden Abend zu Bett brachte, und ihr eine Geschichte vorlas. Dort fühlte sie sich seit fast sechs Jahren zu Hause. Die Nachbarskinder waren ihre Freunde, und mit ihnen tobte sie auf den Feldern herum. Erst heute Morgen verließ sie dieses Leben, trotzdem erschien es ihr ewig. Sie wusste, dass irgendwann der Tag des Abschieds kommen würde, aber die Tatsache verdrängte sie gerne. Todunglücklich schaute sie während der Fahrt aus dem Fenster, damit ihre Eltern nicht sahen, dass sie weinte. Ihr fehlte jegliche Beziehung zu ihnen. Wie hätten sie auch Nähe zueinander aufbauen können, wenn ihre Eltern sie in den vergangenen Jahren nur manchmal am Wochenende besuchten. Sie blieben ihr fremd. Ihre Mutter trug jedes Mal eine andere Haarfarbe und in ihrer Kleidung sah sie aus, wie einem Modemagazin entsprungen. Angie traute sich nicht, sie zu umarmen, weil sie befürchtete, ihre Kleider