Der Fluch von Capatineni. Jay Baldwyn. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jay Baldwyn
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742785251
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Luena Vacars Lust am Quälen hatte eine neue Dimension erreicht. Sie wurde immer sadistischer – ein Begriff, der erst über einhundertfünfzig Jahre später von einem deutschen Psychiater geprägt werden sollte und sich von dem legendären Marquis de Sade ableitete, der erst fünfzig Jahre später geboren werden sollte. Das neue Opfer, das die Gräfin auserkor, war Anyana. Sie ließ das verängstigte Mädchen in den Innenhof führen und mit nackten Füßen in den Schnee stellen.

      Schon das alleine wirkte grotesk, denn die Gräfin trug über ihrem feinen Seidenkleid, durch kostbaren Schmuck ergänzt, einen prächtigen Hermelinmantel und konnte bestimmt nicht frieren.

      »Man hat mir berichtet, sie habe sich über die Kälte im Schlafsaal beschwert«, sagte Luena emotionslos, »wir werden ihr zeigen, was Kälte bedeutet. Übergießt sie mit kaltem Wasser!«

      Harild brachte einen Eimer Wasser, und die anderen Dienerinnen stützen Anyanas Körper. Unter ihnen auch Mitica, die alles tat, um Harild mental zu beeinflussen, doch ohne Erfolg. Sie konnte nicht zu ihr durchdringen. Als die Kammerfrau den Eimer über der blassen Gestalt ausgoss, begann das Wasser schnell zu gefrieren, und das bedauernswerte Mädchen erstarrte auf der Stelle zu Eis. Voller Staunen betrachteten die Frauen die bizarre Statue, deren Haare mit glitzernden Kristallen benetzt waren, die wie Juwelen funkelten.

      Die Gräfin hatte keinen Blick für das grausige Kunstwerk und wandte sich schnell ab.

      »Man lasse sie stehen – als Warnung für die anderen«, sagte sie im Gehen.

      Da trat plötzlich der Burgvogt Ovidiu Matei hervor.

      »Eure Edelhochgeboren verzeihen bitte, wenn ich Bedenken äußere«, sagte der stattliche Mann mit wettergegerbtem Gesicht und schwarzem Schnurrbart, »einige der Mädchen könnten derart verschreckt reagieren, dass sie zu fliehen versuchen werden.«

      »Kümmere er sich um seine Angelegenheiten. Es bleibt so wie ich es angeordnet habe!«

      Ovidiu zog sich zurück. Er wusste, dass es keinen Sinn hatte, mit der Gräfin zu verhandeln. Man konnte nur den Kürzen dabei ziehen. Seine Versuche, auf den Burggrafen einzuwirken, waren allesamt gescheitert. Dragomir Vacar duldete keine Kritik an der Handlungsweise seiner Frau, obwohl er unmöglich gutheißen konnte, was sie trieb. Vielleicht hielt er es auch unter seiner Würde, mit Domestikenangelegenheiten belästigt zu werden. Wahrscheinlich wünschte er aber nur, in Ruhe gelassen zu werden, um sich seinen Forschungen und Experimenten ungestört widmen zu können.

      Vor vielen Jahr hatte der Burgvogt seine geliebte Frau Raluka verloren. Die Bedeutung des Namens war: „die Strahlende“. Und Raluka hatte zeitlebens ihrem Namen alle Ehre gemacht. Die letzten Jahre vor ihrem Tod war sie allerdings nur noch ein Schatten ihrer selbst gewesen und hatte die meiste Zeit von ihrer schweren Krankheit beeinträchtigt auf ihrem Lager geruht, sich schon mehr „drüben“ als „hüben“ befindend.

      Ovidiu geißelte sich noch heute, dass er in jener schweren Zeit begehrliche Gedanken für Gräfin Luena entwickelt hatte. Damals war sie noch nicht dem Wahnsinn verfallen, hatte aber schon ihre hochmütige und unerbittliche Seite gezeigt. Ovidiu war sich fast sicher, dass Luena seine Gelüste bemerkt hatte. Dennoch war sie nie darauf eingegangen. Wahrscheinlich hatte sie sich sogar heimlich lustig über ihn gemacht. Konnte es daran liegen, weil sie auch der lesbischen Liebe frönte?

      Jedenfalls war Ovidiu froh, dass es nie zu Intimitäten zwischen ihnen gekommen war, denn inzwischen verabscheute er diese grausame Frau aus tiefster Seele. Und heimlich nahm er sich vor, das eine oder andere Mädchen vor ihr zu schützen.

      Nach Jahren der intensiven Trauer um seine Frau erwachten langsam wieder seine männlichen Bedürfnisse in ihm. Und aufgrund seiner angenehmen Erscheinung warfen mehr als ein Mädchen ihm Blicke zu, die teils unschuldig, teils sehnsuchtsvoll waren.

      Das Dorfkind Antanasia gehörte dazu. Sie neigte dazu, ein wenig kokett zu sein, und schien sich offensichtlich nach einer Vaterfigur zu sehnen. Und ihm gefiel die Kleine auch. Erinnerten ihn doch ihre fast blauschwarzen Haare an seine Raluka. Und manchmal hatte sie so etwas in den Augen, das er von seiner verstorbenen Frau kannte ... Moment mal, bedeutete Antanesia nicht die Wiedergeborene? Doch das schien ihm sehr weit hergeholt, dass seine geliebte Frau den Weg zurück zu ihm gefunden hatte, wenn auch in einem anderen Körper. Aber konnte man es wissen? Es gab da mehr Dinge zwischen Himmel und Erde …

      Auf ihrem nächtlichen Rundgang durch die Burg hoffte Dakaria erneut of Mitica zu treffen. Und sie hatte Glück.

      »Du siehst schlecht aus«, sagte sie zu der neuen Freundin, »ist etwas vorgefallen?«

      »Das kann man wohl sagen. Diese Hexe von Gräfin hat mich gezwungen, an einer Bestrafung teilzunehmen. Anyana, ein Mädchen aus der Wäscherei war das Opfer. Sie haben im Burghof eine Eisskulptur aus ihr gemacht, indem sie sie mit kaltem Wasser übergossen haben. Und ich war eine von denen, die sie festhalten mussten. Einfach ekelhaft. Ich habe noch versucht, diese Harild daran zu hindern, indem ich in ihren Geist eindringen wollte, aber es ist mir nicht gelungen. Sie muss mit dem Teufel im Bunde stehen oder zumindest auch eine Hexe sein.«

      »Kannst du nicht irgendetwas tun, um die Gräfin auszuschalten, bevor sie uns noch alle umgebracht hat?«

      »Ich trage jetzt immer eine Tinktur bei mir, doch ich komme nicht an die Gräfin heran.«

      »Ist es ein Gift, das sie tötet?«

      »Das kommt auf die Dosierung an. Mir würde schon reichen, wenn sie sich einige Wochen in Krämpfen winden würde. Die muss einen Magen und eine Verdauung wie eine Kuh haben.«

      »Warum, käut sie wieder oder lässt Fladen fallen?«

      Mitica lächelte gequält.

      »Wenn es das nur wäre. Sie trinkt täglich ein Glas frisches Blut von einem Mädchen, das sie im Verließ gefangen hält und täglich zur Ader lässt. Mir dreht sich jedes Mal der Magen um. Sie hat schon angekündigt, dass sie demnächst in Blut baden will, doch da gibt es ein Problem mit der Gerinnung. Harild hat ihr geraten, den Graf um Hilfe zu bitten. Der kennt sich mit medizinischen Dingen aus.«

      »Du wüsstest doch da bestimmt auch eine Lösung. Man kennt das ja vom Schlachten.«

      »Sicher, aber ich werde einen Dreck tun und der Alten behilflich sein. Mir reicht schon, wenn sie mich für ihre Schandtaten missbraucht.«

      »Und was ist mit den anderen? Stecken die die Quälereien und den Ekel einfach so weg?«

      »Das kommt ganz aufs Temperament an. Die Dienerin Lupa ist fast so ein verschlagenes Biest wie Harild. Mir scheint, sie weidet sich an den Züchtigungen. Neulich hat die Gräfin eine Zofe vor unseren Augen ausgepeitscht, weil sie etwas auf die Bettwäsche verschüttet hatte. Als die Haut bei Viorel von den Schlägen aufquoll, nahm die Gräfin kurzerhand ein Messer zur Hand und schnitt die Schwellungen auf. Die kleine Livia, die mit mir in einem Raum schläft, ist vor Schreck ohnmächtig geworden. Harild hat sie mit kaltem Wasser geweckt und sie den Rest des Tages in den nassen Sachen herumlaufen lassen. Die andere Zofe, Iuleta, was bekanntlich „die Leise“ bedeutet, war auch kurz davor umzukippen, hat aber erfolgreich dagegen angekämpft.«

      »Welchen Eindruck hast du von den Dienern?«

      »Den schlechtesten. Silviu sieht mit seinen kalten Fischaugen reglos zu, und Toma geht mit der Gräfin ins Bett, wenn mich nicht alles täuscht. Das hält ihn aber nicht davon ab, mit den Mädchen aus der Küche oder Wäscherei zu schäkern. Mir kommt es so vor, als würde er liebend gerne selbst Hand anlegen bei den Quälereien.«

      »Du meinst wirklich, sie nimmt ihn in ihr Bett? Was würde wohl der Graf dazu sagen?«

      »Ich denke, das kratzt den nicht. Wer weiß, mit wem der es treibt.«

      »Wo sind wir nur gelandet?«, seufzte Dakaria, »hättest du gedacht, dass es bei den Adligen so zugeht?«

      »Vater hat mich gewarnt. Er ließ kein gutes Haar an dem Gesindel. Und er behielt Recht. Zum Glück können sie uns nicht wirklich etwas antun. Es sei denn, sie kommen auf die Idee, uns zu verbrennen. Mir tun nur die armen jungen