Die Straße der Ritter. Marlin Schenk. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marlin Schenk
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738047011
Скачать книгу
das habe ich nicht“, antwortete William. „Wie könnte ich auch? Dazu ist meine Beziehung zum Orden zu intensiv. Meine ganze Kindheit und Jugend war geprägt von der Aussicht, einmal als Ritter der Johanniter mein Leben zu verbringen...“

      Schon wenige Tage nach der Geburt meldete der Earl von Buckingham den kleinen William beim Orden an. Seine Kindheit bestand aus religiösen Lehren, und im Alter von zwölf Jahren wurde er bereits nach Rhodos geschickt, wo er als Page des Großmeisters eingesetzt wurde. Zwei Jahre später kam er nach England zurück. Seine Ausbildung wurde nun auf die Kriegskunst ausgedehnt. Er lernte die unterschiedlichen Rüstungen kennen und wie ein Schild gehalten wurde. Er wurde im Zweikampf ausgebildet und wusste, dass dazu Speer, Lanze, Axt, Streitkolben und Morgenstern eingesetzt wurden. Das Langschwert war ihm vertraut. Es war das typische fränkische Schwert der Kreuzfahrer und eine Weiterentwicklung des Wikingerschwerts, mit dem die Normannen England, Süditalien und Sizilien erobert hatten. Es hatte eine größere Parierstange als ältere Schwerter und war so lang wie das Bein eines Mannes. Es eignete sich vor allem zum Hieb und war keine Waffe, die man vom Pferd aus einsetzte. Dafür tat es hervorragende Dienste, wenn mehrere Ritter einen schützenden Kreis bildeten oder sich im Getümmel behaupten mussten.

      William hatte schon früh begriffen, dass das Körpergewicht eines Mannes maßgeblich die Schwungkraft der Waffe bestimmte, und dass Muskelkraft wichtig war, wenn man sich gegen einen Gegner behaupten wollte. Deshalb waren Kraftübungen mit Steinen und eisernen Stangen Teil des täglichen Trainings. Es hatte ihm immer Spaß gemacht, und William war sich sicher, einer der besten Kämpfer Englands zu sein.

      Dann kam der Tag, an dem er in den Orden aufgenommen werden sollte. Schwierigkeiten konnte es dabei keine geben, denn die allgemeinen Hindernisse wie eine bereits konsumierte Ehe, die Ablegung eines Profess in einem anderen Orden oder ein erfolgter Mord trafen auf ihn nicht zu. Auch die außereheliche Geburt betraf ihn nicht, denn selbst, wenn es so gewesen wäre: William war Sohn eines Earls, und die legitime Geburt wurde nur von Angehörigen des niederen Adels verlangt. Selbst die Vierahnenprobe, der Nachweis, dass seine vier Ahnen Ritter seien, war kein Problem. Williams Eintritt in den Orden stand also nichts im Wege, so dass er eines Tages vor das Ordenskapitel trat und den Bruder, der dem Kapitel vorstand, bat, in den Orden aufgenommen zu werden. Der Bruder holte die Zustimmung der anderen Brüder und wandte sich dann an William mit den Worten: „Guter Freund, du wünschest die Gemeinschaft dieses Hauses, und du tust gut daran, denn viele Herren ersuchen dringend um die Aufnahme ihrer Kinder oder ihrer Freunde und sind hocherfreut, wenn sie dieselben bei unserem Orden unterbringen können. Und wenn du willens bist, in solch hervorragender und ehrenwerter Gesellschaft und in einem solch heiligen Orden wie dem des Hospitals zu sein, dann tust du gut daran. Wenn du aber dergleichen tust, weil du uns wohl gekleidet siehst, weil du weißt, dass wir Pferde zur Verfügung haben und meinst, dass wir alles besitzen, was unserer Bequemlichkeit frommt, dann irrst du. Denn wenn du zu essen wünschst, dann wirst du fasten müssen, und wenn du fasten willst, dann wirst du essen müssen. Willst du schlafen, dann musst du wachen, und wenn du wachen möchtest, wirst du schlafen müssen. Du wirst hierhin und dorthin geschickt werden, weit übers Meer, an Orte, die dir nicht behagen, aber du wirst dennoch dorthin gehen müssen. Daher wirst du von deinen eigenen Wünschen ablassen müssen, um die eines anderen auszuführen, und du wirst weiteres Ungemach bei unserem Orden erdulden müssen, mehr als ich dir jetzt beschreiben kann. Bist du bereit, all dies auf dich zu nehmen?“

      „Ja.“

      William wurde in die Kapelle des Ordens geführt, wo er zusammen mit dem aufnehmenden Bruder an einer heiligen Messe teilnahm. Er hatte mit einer brennenden Kerze vor dem Altar zu stehen und die heilige Kommunion zu empfangen. Nach der Messe fragte ihn der Bruder: „Hast du bereits bei einem anderen Orden einen Profess abgelegt oder bist du verheiratet? Bist du jemand anderem verpflichtet oder ein Unfreier? Hast du jemanden umgebracht?“

      „Nein. Nichts dergleichen.“

      „Sollte sich nachträglich herausstellen, dass du gelogen hast, dann wirst du sogleich aus dem Orden ausgestoßen und demjenigen übergeben, dem du verpflichtet bist.“

      Der Bruder öffnete ein Messbuch, auf das William beide Hände auflegte und sprach: „Ich, William, gelobe und verspreche Gott dem Allmächtigen, der allerseligen Jungfrau und Gottesmutter Maria und dem heiligen Johannes Battista, alle Zeit Gehorsam jedwedem Oberen, der mir von Gott und unserer Religion gegeben wird, in Zukunft ohne Eigentum zu leben und die Keuschheit zu bewahren.“

      William nahm die Hände vom Messbuch weg, und der aufnehmende Bruder sagte zu ihm: „Wir anerkennen dich als Diener der armen Kranken Jesu Christi und bestimmen dich zur Verteidigung des katholischen Glaubens.“

      „Ich bekenne, dies zu sein.“ William küsste das Missale und trug es zum Altar, küsste diesen und brachte es dem Bruder zurück, zum Zeichen des wahren Gehorsams. Der Bruder wies auf das weiße Kreuz auf seinem Mantel und sagte. „Glaubst du, Bruder, dass dies das lebende Kreuz ist, an dem Christus starb, und dies zur Vergebung für unsere Sünden?“

      „Ich glaube.“

      „Dies ist unser Zeichen, und wir befehlen dir, dass du es stets auf deiner Kleidung trägst.“

      William küsste das Kreuz, und der Ordensbruder überreichte dem Anwärter den Mantel: „Nimm dieses Zeichen im Namen der Dreifaltigkeit, der allzeit seligen Jungfrau Maria, des heiligen Johannes des Täufers, zur Vermehrung des Glaubens, zur Verteidigung des Namens Christi und zum Dienst an den Armen. Schließlich übergeben wir dir dieses Kreuz, damit du es von ganzem Herzen liebst und mit der Rechten kämpfend verteidigst. Wenn du dich im Streit für Christus gegen die Feinde des Glaubens zurückziehst, die Standarte des heiligen Kreuzes verlässt und so aus einem gerechten Krieg fliehst, wirst du gemäß den Bestimmungen der Statuten und Gewohnheiten des Ordens verdientermaßen als Brecher des Gelübdes des allerheiligsten Zeichens, des Kreuzes, beraubt und als stinkendes Glied aus unserer Genossenschaft ausgestoßen.“ Dann legte der Bruder William den Mantel um und sprach: „Nimm das Joch des Herrn, denn es ist süß und leicht. Unter ihm wirst du dein Seelenheil finden. Wir versprechen dir keine Genüsse, sondern nur Brot, Wasser und demütige Kleider und lassen deine Seele und die deiner Eltern und Vorfahren teilhaben an den guten Werken unseres Ordens, die auf der ganzen Welt vollzogen werden, gegenwärtig und in Zukunft.“ Dann wurde William zuerst vom aufnehmenden, dann von allen anwesenden Brüdern geküsst und umarmt.

      3. Der Schwarze Ritter

      William strich mit der Hand über das weiße Kreuz auf seinem Mantel. „Ich habe nichts von alledem vergessen“, sagte er zu Tomas. „Dazu sitzt es zu tief, genau wie bei dir. Aber der Orden hat uns erlaubt, Abschied zu nehmen von England, und niemand hat bestimmt, dass wir dies in einer Taverne tun müssen. Also lass uns hier hinein gehen, nur für ein Ale, weil ich es einmal im Leben kosten möchte, und dann können wir gerne irgendwo anders Wein trinken.“

      Tomas nickte schwerfällig.

      William legte seinem Freund die Hand auf die Schulter und sagte: „Es ist keine Sünde und kein Verstoß gegen das Gelübde. Nun komm.“

      Sie gingen hinein, jagten ein paar Hühner von einer Bank und setzten sich. Dann bestellten sie zwei Tankards voll Ale.

      Carpenter schaute die beiden jungen Männer verblüfft an und nickte.

      Tomas schielte zu dem Wirt hin, hielt eine Hand vor den Mund und flüsterte aufgeregt: „Siehst du, William, sogar dem Landlord verschlägt es die Sprache. Er hat wohl noch nie Johanniter in seinem Alehouse gesehen. Ausgerechnet wir müssen den Anfang machen.“

      William schien es einzusehen. „Schon gut“, antwortete er. „Wir trinken dieses eine Ale und gehen wieder. Ein Alehouse ist keine Taverne. Das erkenne ich nun auch.“

      Die Tankards wurden von Carpenters Tochter gebracht. Sie war eine liebliche Erscheinung mit langen blonden Haaren, die in Locken weit über die unter einem grünen Wollkleid versteckten Brüste wallten. Sie zögerte und sah die beiden Männer mit warmen Augen an. William hatte das Gefühl, von einem Blitz getroffen zu werden, denn der Blick des hübschen Mädchens saugte sich an dem seinen fest.