John Dee und Edward Kelley sahen die henochischen Buchstaben ähnlich. Sie wussten, dass sie wahre Instrumente der Macht erhielten und dass man diese niemals leichtfertig einsetzen sollte. Vielleicht war dies sogar einer der Gründe, warum die Visionen von Dee und Kelley schriftlich fixiert wurden. Sicher, primär geschah es aus der Idee der Wissensspeicherung heraus, gleichzeitig muss man aber auch bedenken, dass bei jeder magischen Arbeit immens viele unbewusste Prozesse ablaufen. So wurde das henochische Alphabet fixiert und jeder Buchstabe wurde mit einem separaten Namen versehen. Hier einmal die henochischen Buchstaben mit ihren Lautwerten als Übersicht:
Man sieht aber sofort, dass die Bezeichnungen der Buchstaben nichts mit ihren Lautwerten zu tun hatten. Der henochische Buchstabe „UN“ (A) besitzt den Lautwert „A“ und nicht „UN“. In unserem lateinischen Alphabet ist dies nicht so. Hier sind die Buchstabenbezeichnungen auch gleichzeitig der jeweilige Lautwert – abgesehen von dem Buchstaben „Y“, der der einzige Buchstabe ist, der als Bezeichnung ein ganzes Wort – Ypsilon – besitzt. Doch das henochische Alphabet ist hier keine Ausnahme, denn natürlich gibt es auch andere Alphabete, die Unterscheidungen zwischen den Lautwerten und den jeweiligen Buchstabenbezeichnungen besitzen. Man kann hier eine gedankliche Verbindung zum griechischen und zum hebräischen Alphabet knüpfen. Ist dies ein Zufall oder ist es ein Indiz dafür, dass die Grundidee der henochischen Buchstaben vielleicht aus einem bekannten Alphabet abgeleitet wurden? Vielleicht ist es auch unbeabsichtigt, zufällig oder intuitiv geschehen, sodass das Unterbewusstsein von Kelley und auch von Dee angezapft wurde. Da die beiden Magier die beiden Alphabete kannten und auch die hebräische und die griechische Sprache beherrschten – wobei John Dee hier die deutlich besseren Fähigkeiten als Edward Kelley hatte –, ist es ohne Weiteres denkbar, dass hier unbewusste Verknüpfungen entstanden.
Leider sind die originalen Aufzeichnungen in diesem Gebiet sehr lückenhaft, denn es heißt weiter, dass die henochischen Buchstaben in jeweils 3 Gruppen zu je 7 Zeichen gegeben wurden und hierbei eine Darstellung von insgesamt 64 Buchstaben bilden. 64 Buchstaben? Wie soll das möglich sein bzw. wie soll man sich dies vorstellen? Leider gibt es keine detaillierten Aufzeichnungen, doch wenn es sich um Darstellung von insgesamt 64 Buchstaben handelt, wobei es natürlich nur 21 unterschiedliche henochische Buchstaben gibt, so ist es möglich, dass auch hier schon eine „geometrische Form“ verwendet wurde. Vielleicht wurde ein Quadrat von 8x8 verwendet oder eine Raute aus 7x9 Buchstaben, wobei dann ein Buchstabe als eine Art „Überschrift“ deklariert sein muss (7x9 = 63). Dies alles bleibt aber Spekulation, da in den Aufzeichnungen von Dee nur nachzulesen ist, dass die Buchstaben einmal als „reine Zeichen“ präsentiert wurden, als „Zeichen mit Namen“ und einmal als eine Art „Reinschrift“ die letztlich auch die primäre Verwendung fand.
Letztlich ist alles eine Spekulation, doch man darf hierbei nicht vergessen, dass „magische Buchstabenquadrate“ in der damaligen Zeit sehr beliebt waren. Da die henochischen Buchstaben hier eine ganz eigene Macht besitzen, kann man hier auch eine Verbindung zu der Idee eines besonderen Lamen knüpfen. Ein Lamen ist ein allgemeiner Begriff für einen „magischen Anhänger“, der auf der Brust bzw. auf dem Herzen getragen werden soll. Ein Lamen muss dennoch anders als ein magisches Amulett, ein magisches Siegel oder ein magisches Schmuckstück gesehen werden. Zwar kann man die Vokabel „Lamen“ als einen übergeordneten Begriff für Siegel, Talisman, Pentakel, Wappen etc. sehen, doch implizieren die jeweiligen Unterscheidungen meist, dass der „magische Anhänger“ aus Holz, Stein oder Metall besteht. Ein Lamen kann aber auch aus Papier bzw. Pergament bestehen. Allgemein kann man sagen, dass ein Lamen ein „zusammengefasstes Informationsmedium“ ist, welches über die jeweilige Energie (egal, ob Engel, Dämon, Gott, Göttin, Buchstaben, Grundschwingungsenergien) alle Informationen beinhaltet. Dee und Kelley haben in ihren Arbeiten auch spezielle Lamen bekommen, wobei diese im direkten Vergleich sehr große Unterschiede aufwiesen. Eines der Lamen sah aus wie eine wilde Zusammenstellung von Zeichen, Sigillen und anderen Unleserlichkeiten, das andere Lamen jedoch war ein klassisches Fragment einer Buchstabentafel. Interessant ist hier noch die Tatsache, dass das „Buchstabenquadrat-Lamen“ später von den himmlischen Energien (oder den Geistern) als falsch deklariert wurde und eine Korrektur angefertigt werden musste. Als dieses Lamen dann fertig war, konnte mit diesem Energieträger gezielt gearbeitet werden.
Hier einmal die beiden (bzw. die drei) Lamen aus dem Liber Mysteriorum Primus:
Erstes Lamen, welches in Gold graviert sein sollte, jedoch nie verwendet wurde:
Falsches Lamen (bzw. erstes Lamen, welches übermittelt wurde, später aber korrigiert wurde) mit den Maßen von 4 (englischen) Zoll bzw. Inch (ca. 10,16 cm):
Korrektes Lamen mit identischen Abmessungen, wobei es hier und da vollkommen neue Buchstabenpaare gibt, jedoch auch hier und da auch nur einfache „Positionswechsel“:
Diese Lamen sollen jedoch primär zur Übersicht dienen und eine Vorstellung bieten, wie man mit den henochischen Buchstaben „auch“ arbeiten kann. Bevor ich nun aber weiter auf die Buchstaben und deren verschiedene Verknüpfungen eingehe, will ich einmal die verschiedenen Darstellungen abdrucken, die es im Laufe der henochischen Schöpfungsperioden gab:
Man erkennt sehr deutlich, dass sich die erste Darstellung zum Teil erheblich von der handschriftlichen Darstellung John Dee’s (zweite Darstellung) bzw. von der „Reinschrift“ (dritte Darstellung) abhebt. Zwar kann man hier und da ohne Weiteres die Buchstaben erkennen (wie z. B. beim B, B, G, G, N, N, P, P, Q, Q), doch gibt es gleichzeitig Buchstaben, die man noch nicht mal in Ansätzen zuordnen könnte (wie z. B. das A, A, C, C, D, D, F, F, I, J, Y, I, L, L, M, M, O, O, R, R, S, S, T, T, U, V, W, W, X, X, Z, Z).
Interessant bei den henochischen Buchstaben ist jedoch die Tatsache, dass die „Darstellungen“ oder „Formen“ der henochischen Schriftzeichen deutliche Ähnlichkeiten mit Lettern anderer Alphabete aufwiesen.
Wirklich? Ja, wirklich! Hier kann man sich primär das griechische Alphabet ansehen, sekundär aber auch das hebräische Alphabet. Nun, die hebräische Schrift, genau wie die griechische Schrift und auch unsere lateinische Schrift, beziehen sich ursprünglich auf die phönizische Schrift – eine Schrift, die knapp 3000 Jahre alt ist! Es ist aber nicht die älteste Schrift, denn dies ist die sumerische Keilschrift (ca. 3150 v. Chr.), aus welcher sich das babylonische Alphabet entwickelt hat und schließlich auch die phönizische Buchstabenreihe. Vielleicht wird deswegen auch immer wieder versucht, hier und da die „ursprünglichen Quellen“ der henochischen Buchstaben zu finden. Vielleicht findet man ja doch etwas irgendwo auf sumerischen, babylonischen oder auch ägyptischen Tafeln, etwas, das den henochischen Buchstaben bzw. Symbolen sehr ähnelt, wenn nicht sogar mit ihnen übereinstimmt. Nun, bis jetzt waren all diese Versuche stets gescheitert. Dies ist jedoch nicht verwunderlich, denn man muss auch davon ausgehen, dass Menschen durch ihre eigene Kreativität Symbole oder Buchstaben vollkommen NEU erfinden können. Dies gilt auch für Sprachen. John Ronald Reuel Tolkien und Marc Okrand bzw. James Montgomery Doohan sind hier „Sprachväter“. Tolkien erfand die Sprache der Elben, die Sprache Sindarin, eine Sprache, die über eine „normale“ Grammatik verfügt, sodass man sie als „normale“ Sprache deklarieren