Bevor er weiterreden musste, half ihm Kai aus der Klemme. »Wolltest du nicht noch wissen, warum wir heute so herrlich bewirtet worden sind!«, lenkte er Ariane mit ihrer eigenen Neugier ab.
»Oh ja, das hätte ich fast vergessen. Raus mit der Sprache!«, blickte Ariane von Susanne zu Heiko und wieder zurück.
»Ich kann meine Promotion hier am ISSW schreiben«, platzte Susanne einfach vor Freude heraus.
»Und das teilst du uns erst jetzt mit?« Ariane war aufgesprungen und drückte ihre Freundin an sich, als hätten sie sich das ganze Jahr nicht gesehen.
»Hey, du erdrückst mich noch, wenn du so weitermachst«, protestierte Susanne lachend.
»Ich freue mich halt riesig für dich, Süße«, entschuldigte sie sich nur halbherzig.
Kai war gleichermaßen begeistert, formulierte das nur nüchterner. »Etwas Besseres hätte euch doch gar nicht passieren können. Ihr arbeitet beide am selben Institut. Falls Susanne ihre Arbeitszeit ein wenig deiner anpasst, könnt ihr euer Zusammensein weitgehend synchronisieren. Perfekt.«
»Ja«, war alles, was Heiko mit tiefer Zufriedenheit dazu herausbrachte.
Susanne erzählte von Professor Weiler, der sich ihren Themenvorschlag für eine Doktorarbeit angesehen und die Idee durchaus spannend gefunden hatte. In den letzten Wochen hatte sie an einer Struktur gearbeitet, die dem Professor aufzeigen sollte, wie sie ihren theoretischen Ansatz empirisch überprüfen wollte. Zufällig hatte sie in einem Buch gelesen, dass ein Yogi von einem kanadischen Olympiaschwimmteam zur Vorbereitung hinzugezogen worden war. Darauf hatte sie dessen Namen im Netz gesucht, sich weitergehend schlaugemacht und schließlich diverse Übungen selbst ausprobiert. Durch die eigenen, wenn auch rudimentären Erfahrungen war sie zu dem Schluss gekommen, hier vielleicht Potenzial für die sportpsychologische Betreuung von Leistungssportlern gefunden zu haben.
»Und wie sieht es jetzt bei euch beiden aus?«, wollte Susanne schließlich wissen, weil Ariane und Kai sich in einer ähnlichen Situation befanden. Kai hatte sein Medizinstudium absolviert und überlegte, ob er am Kinderherzzentrum der Uni Miami eine Spezialisierung zum Herzchirurgen anschließen sollte. Es war eines der führenden Zentren für Operationen kongenitaler Herzfehler.
»Wir werden im Januar einen Urlaub in Miami verbringen und schauen, ob wir uns vorstellen können, dort ein paar Jahre zu leben«, erklärte Ariane ihren Freunden die neuesten Entwicklungen.
»Du kannst mitten im Semester einen ganzen Monat fehlen?«, wunderte sich Susanne.
»Ich nehme mir was mit. Ich habe erst sehr spät im Februar noch eine Prüfung. Das passt schon. Sonst wiederhole ich die eben. Aber wir müssen Klarheit bekommen«, erklärte Ariane, die sichtbar auch ein wenig aufgeregt bei dem Gedanken war, einen ganzen Monat Urlaub zu machen.
»Mein Doktorvater hat den Kontakt dorthin bereits hergestellt«, setzte Kai fort. »Ich kann mit einer Zu- oder Absage nicht allzu lange warten. Aber ich möchte nicht ohne Ariane entscheiden. Sie müsste schon mitkommen wollen. Daher drängt die Zeit etwas.«
»Auch nicht schlecht, im Januar in der Wärme zu sein. Da habt ihr es fast so gut wie Lene und Thomas«, stellte Heiko pragmatisch fest. »Wie warm ist es dort im Januar?«
»Ungefähr fünfundzwanzig Grad«, hatte Kai nachgesehen.
Nachdem sie noch einige Zeit über die Zukunft geplaudert und spekuliert hatten, verabschiedeten sich Ariane und Kai von ihren Gastgebern. Die räumten anschließend die Küche auf, bevor sie müde ins Bett fielen.
»Weißt du, was Ariane jetzt Kai fragt?«, lachte Susanne, als sie sich in ihre bevorzugte Position gebracht hatte: Sie schmiegte sich seitlich an Heiko und legte ihren Kopf auf und einen Arm über seine Brust. Es passte perfekt.
»Ob sich die Hitze wieder staut?«
»Du hast es erfasst«, stellte Susanne beeindruckt fest. »Wer soll bloß auf Ariane aufpassen, wenn die beiden in Miami leben?«, fragte sie ein wenig traurig mehr zu sich selbst.
»Die schafft das schon«, beruhigte Heiko Susanne und streichelte ihr sanft über den Rücken, bis sie eingeschlafen war.
Kapitel 7
Die Herren befanden sich in kleiner Runde. Zigarrenrauch lag in der Luft. Des Öfteren war in diversen Gläsern das Klackern von sich bewegenden Eiswürfeln zu hören. Die Stimmung war entspannter als vor ein paar Wochen, als bekannt geworden war, dass Professor Himmelreich ein Unternehmen erfolgreich an die Börse bringen wollte und dafür das passende Produkt gefunden hatte. Bis dahin hatte dessen wissenschaftlich inspirierte Klitsche im Bereich der Beratungsunternehmen keine Bedeutung gehabt. Aber dann hatte Himmelreich angekündigt, »compassion4u.com« in eine Holding zu überführen und insbesondere nach und nach Geschäftsfelder im Bereich der Konsumgüterindustrie zu erschließen. Nachdem zusätzlich durchgesickert war, dass der Professor mit einem vielversprechenden Produkt auf dem Telekommunikationsmarkt reüssieren wollte, waren einige der Anwesenden langsam nervös geworden.
»Ich habe mal im ›Barbados Advocate‹ gestöbert«, eröffnete ein graumelierter Herr in gesetztem Ton. »Dort findet sich tatsächlich in den Lokalnachrichten ein Hinweis auf einen Bootsunfall. Sollte das mit unserer Angelegenheit zusammenhängen?«
»Ich denke schon«, antwortete ihm ein übergewichtiger Herr, der deutlich jünger war. »Ich habe mich vorgestern rückversichert. Wir müssten eigentlich in den nächsten Tagen das gewünschte Ergebnis auch bei uns in der Zeitung finden.«
»Schön, aber sind wir sicher, das Problem endgültig vom Hals zu haben?«, warf ein wiederum älterer Herr in Nadelstreifen ein, während er sein Glas nachdenklich in der Hand schwenkte. »Wer sagt uns, dass nicht Mitarbeiter von Himmelreichs Lehrstuhl oder selbst seine Frau dessen Vision weiterverfolgen?«
»Niemand. Aber es fehlt inzwischen der charismatische Kopf, dem die notwendigen Finanzmittel für eine Expansion zur Verfügung gestellt würden«, war der Übergewichtige überzeugt.
»Zugegeben, aber falls ich das zutreffend einschätze, ist doch die Idee für das erste Compassion-Produkt nicht ohne Esprit. An einem Mobilfunkgerät, das über eine Software automatisch selektiv arbeitet und die Datenwege für soziale Netzwerke und Apps von allen anderen Nutzungen trennt, hätte sogar ich Interesse. Soweit ich das verstanden habe, hängt das irgendwie mit den Ports zusammen«, gestand der graumelierte Herr anerkennend ein.
Einige in der Runde nickten zustimmend.
»Richtig, aber wir waren uns einig, dass das Konzept nur funktionieren wird, wenn Himmelreich selbst seine Vorstellung mitfühlender Organisationen umsetzen kann. Dafür braucht es Aktionäre, die bereit sind, eine deutlich niedrigere Rendite zu realisieren; Kunden, die bereit sind, einen höheren Preis zu bezahlen; Mitarbeiter, die in der Lage sind, die hohen sozialen Anforderungen zu erfüllen und gegebenenfalls eigene Ziele zurückzustellen«, zählte der Übergewichtige auf. »Einzeln betrachtet, wäre sicherlich jede Bedingung erfüllbar, aber in der Summe kann das nur mit einer überzeugenden Persönlichkeit an der Spitze gelingen. Und die gibt es neben Himmelreich momentan nicht.«
»Und wenn da doch ein Stein ins Rollen gekommen ist?«, warf ein weiterer Teilnehmer der Runde skeptisch ein. »Wer sagt uns denn, dass das nicht das Wirtschaften der Zukunft ist. Bereits heute gibt es immer mehr ›social entrepreneurs‹, die offensichtlich bereit sind, auf Rendite zu verzichten, aber dennoch gut genug zu leben meinen.«
Der graumelierte Herr lachte trocken. »Selbst wenn das ein Trend sein sollte, den wir nicht mehr aufhalten könnten, läge ich wohl schon mindestens fünfzig Jahre unter der Erde, bevor es Kapitalisten wie uns, wie man so schön sagt, nicht mehr geben wird. Bleiben wir doch mal auf dem Teppich.«
»Warum haben wir uns dann überhaupt auf den Deal eingelassen, wenn das alles kein Problem sein sollte?«, warf der Skeptiker ein.
»Weil ...«, begann der älteste Herr in der Runde, der die Neunzig bereits überschritten