Ernteplanet. Rolf-Dieter Meier. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rolf-Dieter Meier
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738089011
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      2.1. Anzeichen

      „Mein Name ist Edvard Stendahl und dies ist die Geschichte meines Lebens. Allerdings habe ich noch ein paar Monate draufgesattelt, um vor allem die Zeit vor meiner Zeugung bis zur Geburt zu erfassen, die, wenn man es recht betrachtet, eigentlich die bedeutsamste in meinem Leben war und daher auch den größten Anteil an meiner Geschichte hat. Wie man sich denken kann, ist es mir nicht möglich, diese Zeit und meine frühe Kindheit aus eigener Erinnerung zu beschreiben. Aber mir ist, dank meines guten Gedächtnisses, viel von den Erzählungen und Berichten meiner Eltern und der sonstigen Verwandten und Anverwandten in Erinnerung geblieben, sodass ich mir sicher bin, ein umfassendes Bild der wichtigsten Geschehnisse aus dieser Zeit liefern zu können. Hilfreich waren auch einige Aufzeichnungen meiner Mutter, die sporadisch so etwas wie ein Tagebuch geführt hat. Etwas altmodisch, aber für mich von unschätzbarem Wert, weshalb es ebenfalls zu den Reliquien gehört, die ich aufbewahrt habe. Da, wo dem eigenen Wissen natürliche Grenzen gesetzt sind, habe ich zum besseren Verständnis der Ereignisse auch andere mir zugängliche Quellen herangezogen.

      Ich habe, wie man so schön sagt, das Licht der Welt am 1. Februar 2048 erblickt. Fast ein Wunder, denn meine Zeugung war eine äußerst knappe Angelegenheit und wurde durch ein Ereignis der besonderen Art zunächst weit in den Hintergrund gedrängt. Aber alles der Reihe nach …“

      Freitag, 29.03.2047

      Erik Stendahl strebte schnellen Schrittes auf das Blumengeschäft zu, das sich durch die vor dem Schaufenster drapierten Sträuße und ihrer üppigen Farbenpracht wohltuend, wie er fand, vom eher kühlen Design der übrigen Geschäfte abhob. Mit seinem dunklen Anzug und einer dazu passenden rot-schwarz gestreiften Krawatte unterschied er sich nicht wesentlich von all den anderen Artgenossen, die wie er mit einem Rollenkoffer durch die Gänge des Flughafens eilten. Die Maschinen, die in der letzten Stunde gelandet waren, kamen überwiegend aus den Metropolen dieser Welt und hatten augenscheinlich eher Geschäftsleute als Touristen an Bord. Diese waren deutlich in der Unterzahl und unschwer erkennbar an der Freizeitbekleidung, sportiven Jacken, Jeans und sonstigen schlabbrigen Hosen, wie sie dem Stil der Zeit entsprachen und natürlich an der größeren Zahl an Gepäckstücken, die sich auf Gepäckwagen zu stattlichen Bergen türmten. Als Erik Stendahl den Blumenladen erreicht hatte, stellte er seinen Trolley in eine Parkposition und zog sich den hellen Übergangsmantel an, den er bis dahin über seiner Schulter getragen hatte. Dabei verschaffte er sich einen ersten Überblick über das Angebot an Blumensträußen, die in unterschiedlicher Größe und Gestaltung in kleinen Kübeln steckten. Ein Gong ertönte und eine angenehme Frauenstimme forderte die Passagiere auf, Gepäckstücke nicht unbeaufsichtigt zu lassen. Diese Information hatte er schon so oft vernommen, dass seine Aufmerksamkeit schon wieder erloschen war, als die Stimme begann, die Aufforderung auf Englisch zu wiederholen. Das entfernte Grollen einer startenden Maschine ließ keinen Zweifel aufkommen, dass er sich immer noch auf dem Flughafen befand, den er eigentlich so schnell wie möglich verlassen wollte. Aber die vier Wochen Abwesenheit, er war als Consultant Senior Manager für ein weltweit agierendes Beratungsunternehmen bei einem Mandanten in Madrid tätig gewesen, waren diesmal Anlass genug, seine Frau mit ein paar Blumen zu überraschen. Kirstin liebte gelbe Rosen, also richtete er sein Augenmerk auf die entsprechenden Sträuße. Er war froh, dass die Auswahl in dieser Hinsicht sehr überschaubar war und er seine Entscheidung zügig treffen konnte. Zwischenzeitlich war die Verkäuferin aus dem Geschäft herausgetreten:

      „Kann ich Ihnen helfen?“

      „Den hätte ich gern.“

      Er wies auf den Strauß seiner Wahl und sie nahm ihn vorsichtig aus dem Behältnis und ging damit zurück ins Geschäft. Er packte den Griff seines Rollenkoffers und rumpelte damit hinter ihr her.

      „Haben Sie es noch weit?“ Sie blickte ihn fragend an.

      „Na ja, ich bin schon noch einige Zeit unterwegs, aber ich nehme ein Taxi.“

      „Dann schlage ich ihn nur normal ein, so kalt ist es ja nicht. Das macht dann 15 Euro.“

      Er griff in die linke Innentasche seines Jacketts und fingerte die Geldbörse heraus. Er zahlte passend und tauschte die Geldscheine und Münzen gegen den Blumenstrauß. Zufrieden mit seinem Einkauf verließ er das Geschäft und folgte den Hinweisschildern zum Ausgang des Flughafengebäudes.

      Unmittelbar am Terminalausgang befand sich der Taxistand, an dem wie an einer Perlenschnur aufgereiht die Taxis nahezu geräuschlos vorfuhren. Ein nicht versiegender Strom beigefarbener Autos, die kurz hielten, Gepäck und Passagiere aufnahmen und sich wieder zügig in den Verkehr einfädelten. Nur selten war das Geräusch eines Benzin- oder Dieselmotors zu vernehmen; Restbestände vergangener Motorisierung. Aber auch damit würde bald Schluss sein, da die Regierung bereits an einem Gesetz arbeitete, dass die ausschließliche Nutzung von Elektromotoren im innerstädtischen Bereich zum Inhalt hatte. Es war also nur noch eine Frage der Zeit, wann nur noch erneuerbare Energien den Verkehrsfluss bestimmen würden. Um den Strom der Fahrgäste zu disziplinieren, gab es eine Art Schleusensystem wie es auch bei den Sicherheitskontrollen üblich war. Wenn ein Fahrgast abgefertigt war, machte der nachfolgende einen Schritt nach vorn. Dieser Vorgang setzte sich durch die Schlange der Wartenden wie eine Welle fort. „Der Pulsschlag des Wartens“, dachte Erik Stendahl und stellte erfreut fest, dass es zügig voran ging. Vor ihm standen noch drei Damen, die sich das Warten mit einem angeregten Gespräch verkürzten, das laufend durch ein Lachen unterbrochen wurde. Ein ausgesprochen heiteres Trio, das nun gemeinsam mit dem Fahrer versuchte, die drei Koffer und diverse Taschen und Tüten im Kofferraum des Taxis zu verstauen. Da sich dies nicht sofort erfolgreich umsetzen ließ, wurde noch einmal umsortiert, wobei eine größere Tüte zu Boden fiel und diese ihren Inhalt für alle sichtbar freigab: Schuhe.

      „Na, meine Damen, einen kleinen Einkaufsbummel gemacht?“, fragte der Taxifahrer, während er die Schätze der Damen einsammelte und wieder in der Tüte verstaute. Er fing an zu lachen und fuhr fort: „Gottseidank hat meine Frau diese Prachtexemplare nicht gesehen, sonst müsste ich gleich meine Tageseinnahmen abgeben.“

      Ein Herr weiter hinten in der Reihe fühlte sich wohl animiert, auch noch etwas zum Besten zu geben: „Wäre meine Frau hier, hätte ich gleich ein Ticket zu diesem Schuhparadies kaufen müssen.“

      Das heitere Trio gackerte gleich wieder los und der Taxifahrer sowie diverse Herrschaften in der Reihe der Wartenden fielen in das Gelächter ein. Auch Erik Stendahl konnte sich der allgemeinen Heiterkeit nicht entziehen und ließ ebenfalls ein lautes Lachen ertönen.

      „Merkwürdig“, dachte er noch, während er in das von den drei Frauen geräumte Areal vorstieß, „so lustig war das doch nun auch wieder nicht.“

      Während sich das Taxi mit der immer noch kichernden Fracht auf den Weg machte, fuhr schon das Nächste vor. Der Fahrer, der nach hinten kam, um die Kofferraumklappe zu öffnen, setzte ein so freundliches Lächeln auf, als sei er beglückt, ausgerechnet ihn fahren zu dürfen. Sofort packte er den Rollenkoffer und beförderte ihn schwungvoll in den Kofferraum, schloss die Heckklappe und eilte dann weiter nach rechts um den Wagen herum, um seinem Fahrgast die hintere Wagentür zu öffnen. Erik Stendahl war so verblüfft, dass er sich nicht von der Stelle rührte.

      „Kommen Sie, steigen Sie bitte ein.“ Der Taxifahrer unterstrich seine Worte, indem er mit einer weit ausholenden Armbewegung auf den geöffneten Einstieg wies. Unwillkürlich schüttelte Erik seinen Kopf, so als müsste er sich von einem überraschenden Ereignis erholen, machte sich dann aber auf, um im Inneren Platz zu nehmen.

      Nach gut einer Stunde hatte das Taxi das Ziel im Südwesten Berlins erreicht. Der Verkehr war trotz der vorgerückten Stunde, die Rush Hour war eigentlich schon längst vorbei, noch außerordentlich stark gewesen und so hatten sie sich teilweise nur im Schritttempo vorwärtsbewegt. Der Taxifahrer hatte dies gelassen hingenommen, war ihm doch mit dieser Fahrt gutes Geld sicher. Die lange Fahrt hatte aus Sicht von Erik Stendahl auch etwas Gutes; konnte er sich doch auf diese Weise noch etwas von den Reisestrapazen erholen. Er war kein Freund des Fliegens, er empfand es als lästig und es war ihm nur Mittel zum Zweck, um von A nach B zu kommen. Außerdem durfte er, obwohl er bereits in der höheren Leitungsebene angesiedelt war, nur in Ausnahmefällen, d.h. auf Langstrecken,