Der Fall Vaucher / Der Sturzflugkapitän. Jon Pan. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jon Pan
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847610403
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ich mein Büro betrat, saß ein knochiger Typ auf der Fensterbank. Er hatte seinen Regenmantel über die Lehne meines geliebten Stuhls gehängt. Blitzschnell erkannte ich das schwarze, unfreundliche Ding, das er in der Hand hielt.

      »Was ist, war meine Rechnung zu hoch?«, fragte ich kühl, obwohl mir der Schweiß auf der Stirn stand.

      Bevor er abdrücken konnte, traf ihn der Absatz meines matten Lackschuhs am Kinn (zum Glück hatte ich die Sandaletten beim Schuhmacher). Das Glas des Fensters hinter ihm schrie dumpf auf. Der Ballerklumpen plumpste auf meine Zehe.

      Irgendwie streckte mir der Ausgehungerte seine Sohlen entgegen, bevor er, aller­dings sehr steif, durch zwölf Stockwerke Luft hinunter auf die Straße sauste.

      Ich hetzte ihm meinen Blick nach, bevor ich mir den Anzug zurechtrückte. Niemand schien bemerkt zu haben, aus welchem Fenster das Fallobst stammte.

      In der Regenmanteltasche der Knochenfigur fand ich allerdings eine interessante Adresse.

      »Ich kenne keine Margaretha Vaucher, und von einem Pferd Hannelore weiß ich auch nichts«, schwor mir der Inhaber eines schmuddeligen Fotoateliers, eine schäbige Wanze mit gelblichen Gesicht, das mich an ranzigen Blätterteig erinnerte.

      Ich servierte ihm einen Magenfüller ohne silbernes Tablett.

      Er holte tief Luft und sprach einige Sätze ohne Stimme, doch das interessierte mich nicht, denn er log sowieso.

      »Sie kennen also keine Margaretha Vaucher?«

      »Wer hat ihnen überhaupt meine Adresse gegeben?«, fragte das Blätterteiggesicht.

      »Ich habe sie in der Tasche eines Regenmantels gefunden«, zischelte ich ihn an.

      »Ach so – Sie sind Kunde.«

      Die Wanze hatte nicht begriffen. Doch an seiner Nase wollte ich nicht drehen. Ich mag keinen Rotz zwischen den Fingern. Also verpasste ich ihm einen Leberhaken, wofür er sich mit einer bedenklich krummen Verbeugung bedankte.

      »Ich bin kein Kunde«, betonte ich scharf. »Solche Schmierereien interessieren mich nicht.«

      »Margaretha war ab und zu mal da«, gestand der Schmutzfink, kaum stand er wieder aufrecht da.

      »Und wo ist sie jetzt?« Ich tätschelte mit dem Handrücken rhythmisch seine Stirn.

      »Keine Ahnung.«

      Der zweite Leberhaken war fällig, doch ich hielt mich zurück.

      »Ich weiß wirklich nicht, wo Margaretha ist«, heuchelte der Fotokünstler mit matter Stimme.

      »Wann hast du sie das letzte Mal gesehen?« duzte ich nun den Fotoplatten-Picasso.

      Er blickte mich mit seinen Krötenaugen an.

      »Wann?«, drängte ich.

      »Sie war letzte Woche mal kurz hier.«

      »Fotoaufnahmen?«

      »Ja.«

      »Wieso macht sie das?«

      Die Wanze grinste nur.

      »Was gibt's da zu grinsen?«

      »Sie macht nur künstlerische Fotos.«

      »Hat Margaretha Vaucher Freunde, Be­kannte?«, fragte ich weiter.

      »Jeder hat doch Freunde oder Bekannte!«

      Mein Absatz sauste stampfend auf die Zehen der Gelbkröte.

      »Fragen Sie in der Kosaken-Bar nach ihr«, sprudelte mein neuer Duzfreund geständig los.

      »Kosaken-Bar«, wiederholte ich.

      Seltsam, denn der Name passte gut zu dem Tanz, den der lüsterne Knipser gerade aufführte.

      In der Kosaken-Bar fand ich nichts, das mich in dem Fall weiterbrachte. Nachdem ich einige Drinks weggezaubert hatte, verließ ich das Nebelloch.

      Der trübe Himmel weinte ein bisschen, doch es ließ mich unberührt. Für einen Regenschirm hatte ich kein Kleingeld bei mir.

      

      3. Der Fall Vaucher

      Als ich mein Büro betrat, saß ein knochiger Typ auf der Fensterbank. Er hatte seinen Regenmantel über die Lehne meines geliebten Stuhls gehängt. Blitzschnell erkannte ich das schwarze, unfreundliche Ding, das er in der Hand hielt.

      »Was ist, haben sie dich schon wieder zusammen geflickt?«, fragte ich kühl, obwohl mir der Schweiß auf der Stirn stand.

      »Ich bin der Zwillingsbruder«, klärte er mich auf.

      Die Antwort der Knochenfigur kam knapp vor meinem matten Lackschuh. Der Zwillingsbruder nahm den Rest der zerbrochenen Scheibe mit und sauste talwärts.

      Diesmal ersparte ich mir die Vogelperspektive. Aber ich fand wieder eine Adresse im Regenmantel.

      »Doktor Roselski ist nicht da«, erklärte mir die Vorzimmerdame.

      »Ich muss ihn aber dringend sprechen«, betonte ich.

      »Er ist in seinem Landhaus«, verriet mir die Dame.

      »Doktor Roselski ist nicht da«, sagte der Butler im Landhaus mit ernstem Blick.

      Ich lockerte seine Gesichtsmuskeln auf und stellte ihn zu zwei alten Golfschlägern in den Schirmständer.

      Auf teuren Teppichen schritt ich durchs Haus.

      Nachdem ich einige Flügeltüren hatte flattern lassen, befand ich mich in einem großen Raum.

      »Was suchen Sie hier?«, fragte mich eine sägende Stimme.

      Ich blickte mich um.

      Die Stimme musste zu Doktor Roselski gehören. Der Mann trug einen schwarz-gelb ge­streiften Morgenmantel und mattgraue Pantoffeln. Direkt neben ihm stand ein großer, schwarzer Konzertflügel, auf dem eine milchig-weiße Nackte lag.

      »Hoffentlich ist durch meine Störung keine neue Unvollendete entstanden?«, sagte ich mit sorgenfreiem Gesicht.

      »Wer sind Sie?«, fragte Roselski.

      Ich wollte keine Visitenkarte verschwenden.

      »Wer sind Sie?«, wiederholte der FKK-Beethoven und kam einen Schritt auf mich zu.

      »Kennen Sie eine Margaretha Vaucher und ein Pferd mit Namen Hannelore?«, wollte ich wissen.

      Der Doktor klatschte lautstark in seine zarten Händchen.

      »Danke für den Applaus«, sagte ich.

      Eine Schwingtür schnellte auf. Der Butler kam herein marschiert. Vermutlich hatte er sich in der Gesellschaft der Golfschläger nicht mehr wohl gefühlt.

      »Schaffen Sie mir diesen Mann hier vom Hals!«, rief Roselksi.

      Die Nackte lag die ganze Zeit wie kostbares Porzellan auf dem schwarzen Lack.

      »Hier, meine Visitenkarte«, sagte ich, um die nahende Katastrophe zu verhindern.

      Der Butler kam auf mich zu.

      Roselski wirkte entschlossen.

      Ich ebenfalls.

      Der Butler streckte seinen Arm aus. Ich wollte ihn begrüßen, doch das eiserne Knallrohr in seiner Hand hinderte mich daran.

      »Los, raus jetzt!«, drohte er mir.

      Ich blickte zu Roselski, der sich an den Flügel gesetzt hatte. Seine zierlichen Finger griffen in die Tasten.

      Der Butler zuckte vor Schreck zusammen. Sein Gesicht wurde grün wie eine Pfefferschote. Er krümmte sich, und die Kanone plumpste auf den teuren Teppich.

      Natürlich war ich blitzschnell. Meine Hand schnellte zum schwarzen Eisen. Der Butter wollte