2.10 Ärzte, die ihr Personal im Beisein von Patienten tadeln, gefährden ihren wirtschaftlichen Erfolg
Best Practice: Kritik immer nur unter vier Augen!
Patienten möchten Zurechtweisungen der Praxismitarbeiterinnen, selbst wenn sie aus gerechtfertigt sind, nicht miterleben. Dennoch klagt ein Drittel der Medizinischen Fachangestellten über derartige „Kritik-Kundgebungen“ ihrer Chefs. Die Praxisinhaber machen sich, wie Praxisanalysen immer wieder zeigen, über ihr Verhalten keine Gedanken. Doch was die meisten nicht berücksichtigen: sie reduzieren ihren wirtschaftlichen Erfolg. Drei Mechanismen greifen hierbei:
(1) Patienten möchten nicht in die „inneren Angelegenheiten“ von Arztpraxen involviert werden. Ihr Wunsch ist eine individuelle medizinische Versorgung in ruhiger und freundlicher Atmosphäre. Das Erlebnis von Zurechtweisungen wirkt dem entgegen und senkt sowohl die Patientenzufriedenheit als auch die Weiterempfehlungsbereitschaft. Auf diese Weise werden Patientenbindung und –gewinnung negativ beeinflusst.
(2) Mitarbeiterinnen, die dieser Kritikform ausgesetzt sind, praktizieren „Dienst nach Vorschrift“, um Fehler möglichst zu vermeiden. Zudem ist ihre Motivation nur gering ausgeprägt. Beides senkt die Arbeitsproduktivität.
(3) Im Zeitablauf verschlechtern sich die gesamte Praxisatmosphäre und auch das Vertrauensverhältnis zum Arzt, da die Patienten sich innerlich mehr und mehr mit den Mitarbeiterinnen solidarisieren.
Tadeln müssten übrigens Ärzte, die ein derartiges Konfliktmanagement praktizieren, sich selbst, denn das größte Defizit in ihren Praxen ist, dass die Praxisarbeit viel zu wenig strukturiert und organisiert ist.
2.11 Die Angst des Tormanns beim Elfmeter: Lob- und Kritikgespräche in der Arztpraxis
Best Practice: In individuelle Mitarbeitergesprächen die Basis für den Praxiserfolg legen!
Lob und Kritik sind elementare Steuerungsinstrumente der Praxisführung, die den Mitarbeiterinnen helfen, ihre Leistungen einzuschätzen, Fehlentwicklungen zu korrigieren und sie zu motivieren. Bereits ab einer Mitarbeiterzufriedenheit von 3,0, ermittelt mit Hilfe einer Schulnoten-Skalierung, ist die Arbeitsproduktivität von Praxismitarbeiterinnen ein Drittel niedriger ist als in einem optimierten Zustand mit besserer Benotung. Eine durch Lob und Kritik ausbalancierte Personalzufriedenheit bewirkt für jede Praxis eine deutliche Effizienz- und Rationalisierungssteigerung, da die Mitarbeiterinnen erkennen, dass "ihre Chefin" oder „ihr Chef“ ihre Leistung wahrnimmt und sie ihr / ihm wichtig sind. Hieraus resultieren drei Effekte:
- Zum ersten zeigen zufriedene Angestellte eine hohe Praxisidentifikation und Leistungsbereitschaft. Das führt dazu, dass sie sorgfältiger und zuverlässiger arbeiten, kostenbewusst handeln und „mitdenken“. Dieser Selbststeuerungseffekt trägt zudem dazu bei, auch die Arbeit des Praxisinhabers deutlich zu entlasten und insgesamt eine positive Produktivitätsentwicklung zu unterstützen.
- Zum zweiten schlägt sich die Zufriedenheit in einer optimierten Patientenbetreuung und hoher Patientenzufriedenheit nieder.
- Zum dritten fördern Lob und Kritik die Schaffung und Aufrechterhaltung eines positiven Praxis-Gesamtimages.
Um die o. a. Effekte nutzen zu können, müssen Lob und Kritik professionell institutionalisiert werden. Konkret bedeutet die Anforderung, dass
- eindeutig und für alle verständlich formulierte Standards in Form von Zielvereinbarungen existieren, mit deren Hilfe die Leistungen überhaupt bewertbar werden,
- ein regelmäßiger Abgleich der Leistungs-Standards mit der Ist-Leistung erfolgt,
- ebenso regelmäßig die Ergebnisse dieses Abgleichs in Lob- und Kritikgesprächen analysiert werden und dass
- bei größeren Negativabweichungen die notwendigen Korrekturen und ihre Umsetzung wiederum in Zielvereinbarungen fixiert werden.
? In den meisten Praxen wird jedoch gar nicht gelobt, sondern nur kritisiert und das auch noch auf dem Gang im Vorübergehen oder in einem kurzen Kontakt im Besprechungszimmer. Schlimmer noch: in etwa der Hälfte der Praxen berichten die Mitarbeiterinnen über Zurechtweisungen im Beisein von Patienten. Das Ergebnis: zwischen Ärzten und Mitarbeiterinnen entsteht gar kein offenes Kooperationsklima, viele kleine kritische Dinge, die in einem Zweiergespräch sachlich geklärt werden könnten, bleiben unausgesprochen und eskalieren emotionalisiert, wenn sich „genügend angesammelt hat“. Die Anerkennung zwischendurch – in ausgewogener Dosierung - hingegen ist ein effektvolles und vor allem kostenloses Motivationsinstrument. Gemeint ist hiermit die Kurz-Anerkennung während des Arbeitsablaufs. Sie kann indirekt sein, z. B. ein anerkennender Blick, ein Lächeln oder der erhobene Daumen (Super!) oder auch direkt in Form eines ausgesprochenen Lobes erfolgen: „Toll, dass Sie daran gedacht haben!“, „Wirklich gut, wie Sie sich um Frau K gekümmert haben!“ oder: „Prima, wie Sie mitdenken!“. Diese Zuwendungen sind für Mitarbeiterinnen Highlights, da sie ihnen zeigen, dass der Wert ihrer Arbeit gesehen und geschätzt wird. Mit diesem Instrument wird nicht nur eine hohe Motivation, sondern auch – wenn man eine Ich-Botschaft formuliert - eine persönliche Beziehung geschaffen. Ganz anders ist das Vorgehen bei Kritik. Soll sie positiv wirken, müssen folgende Punkte beachtet werden:
Immer nur unter vier Augen: Kritik, also die Korrektur von Zielabweichungen, sollte grundsätzlich nur unter vier Augen geäußert werden. Können Dritte mithören, entsteht für die kritisierte Mitarbeiterin immer eine demütigende Situation, die unbedingt zu vermeiden ist, denn das Ziel der Kritik ist ja die Beseitigung der Beanstandung.
Zeitnah äußern: Je mehr Zeit nach dem zu kritisierenden Sachverhalt bis zu seiner Thematisierung vergeht, desto schwieriger wird es, ein sachlich fundiertes Gespräch hierzu zu führen. Je frischer der Eindruck auf beiden Seiten – Arzt und Mitarbeiterin – ist, desto besser lassen sich die Details nachvollziehen und klären. Je mehr Zeit vergeht, desto weitläufiger werden später mögliche Entschuldigungen und Rechtfertigungen.
Am richtigen Ort: Bei einem Kritikgespräch sollten Arzt und Mitarbeiterin sich als gleichwertige Partner gegenüber sitzen. Ein Schreibtisch eignet sich hierfür nicht, besser ein Besprechungstisch. Die Situation sollte zudem so gewählt werden, dass es zu keinen Störungen kommen kann.
Klare Struktur: Ein Kritikgespräch – egal, ob es kurz oder lang ist – sollte immer nach dem folgenden Muster ablaufen: Beschreibung des zu kritisierenden Verhaltens und seiner Konsequenzen, Stellungnahme der kritisierten Mitarbeiterin, Absprache zur Veränderung und positiver Ausklang des Gesprächs.
Ruhe und Freundlichkeit: Während des Kritikgespräches sollte der Arzt der Mitarbeiterin zugewandt sein und offenen Blickkontakt halten, auch wenn es thematisch unangenehm wird. Unbedingt zu vermeiden sind aggressive oder abfällige Gesten wie ein Blick zur Decke oder aus dem Fenster, wenn die Mitarbeiterin ihre Position darlegt.
Sachlichkeit: Die Effektivität der geäußerten Kritik hängt maßgeblich von der Sachlichkeit ihrer Äußerung ab. Ein weit verbreitetes, aber nur wenig motivierendes Prinzip ist die Suche nach Schuldigen und die Emotionalisierung von Fehlern. Besser ist es, Fehler zu objektivieren und als Anlass für Verbesserungen und Weiterentwicklungen zu sehen. Dabei sollte unterstützend – ohne Übertreibung – auf die Konsequenzen aus einer Fortsetzung des kritisierten Verhaltens oder Zustandes hingewiesen werden („…hierdurch fühlen sich viele Patienten zurückgesetzt und wandern vielleicht in andere Praxen ab…“).
Formulierungen unterlassen, die Widerstände provozieren: Das häufigste in Kritikgesprächen (falsch) verwendete Wort lautet „aber“. Es provoziert, da es das Argument der Mitarbeiterin abwertet. Besser sagt man: „Das kann man so sehen, es ist jedoch zu berücksichtigen, dass…“ oder „Ich verstehe, dass Sie so gehandelt haben, allerdings...“. Noch besser ist jedoch eine Formulierung wie: "Ich respektiere Ihre Meinung und glaube gleichzeitig, dass Sie – wenn Sie meine Sicht kennen -, vielleicht etwas anders denken." Suggestiv-Fragen