„Also, Sie haben von der Arbeitsverwaltungsstelle den Vorschlag bekommen.“, fragte der Kriminalrat, „und das passiert einfach so?“ „Ja!“ Heinrich überlegte kurz. „Nein… - Nein! Natürlich nicht so ohne weiteres, aus heiterem Himmel! Es gibt bestimmte Suchkriterien – schätze ich mal – da sucht jemand einen Mitarbeiter und gibt die-und-die Qualifikationen vor. Das Amt spukt dann ein paar Kandidaten aus. So eine Liste, wie… - wie auf einer Gebrauchtwagenseite. Tja, und in diesem Fall war halt mein Name mit dabei.“ Der Herr Rat ungläubig: „Und da hat man ausgerechnet Sie ausgesucht, so weit nach Süden herunterzufahren, obwohl Sie hier wohnen und 'ne Familie mit schulpflichtigen Kindern haben?“ „Ja, warum denn nicht? Es heißt doch immer >Fachkräftemangel< und >Wir müssen flexibel sein, wie der Bambus im Wind!< Außerdem war in diesem Job weltweite Reisetätigkeit vorgesehen, da spielt der faktische Wohnort doch nun wirklich keine entscheidende Rolle.“ „Über die Kriterien kann man in einem gewissen Maße steuern, wer als Kandidat genannt wird. 20 Kandidaten… - oder fünf… - oder… – Sie!“, bohrte der Erste-HK ganz langsam weiter. „Was wollen Sie damit sagen?“ „Nun, sagen Sie es uns!!!“, giftete der Staatsanwalt, „Sie sind arbeitslos und können das Geld sicher gut gebrauchen. Was kommt dabei heraus? Wie hoch ist der Anteil? 5.000 Euro? 8.000 Euro? Wie viel???“
Heinrich erinnerte sich der mahnenden Worte der beiden Polizistinnen. Er erkannte nun, wohin die Reise gehen sollte: „Sie sprechen hier – in unterstellender Weise – von Vorabsprachen bei der Stellenausschreibung. So wie bei Ihnen, im öffentlichen Dienst? Ergebnisoffene Stellenausschreibungen die dergestalt schlagwort-gesteuert sind, das nur der Neffe vom Amtsleiter als einziger Kandidat übrig bleibt? Und sowas ähnliches mit mir? Im Zusammenhang mit Organisierter Kriminalität? Und sowas mit mir???“ Heinrich platschte seine Hand auf den Tisch: „Da sind Sie bei mir an der falschen Adresse!!! Fragen Sie doch den Vermittler, der hat doch Zugriff auf 3-, 4- oder gar 5Millionen potentielle Betrugs-Opfer. Der kennt die familiären und finanziellen Hintergründe, weiß bei wem es sich lohnt, bei wem es überhaupt möglich ist, solche Tricks anzuwenden. Kreditkarten mit hinreichender Deckung und so… Wen man - sinnvollerweise - in diese Situation zwingen kann. Kennen Sie den Satz: >Wenn Sie sich dort nicht vorstellen oder nicht maximal kooperativ benehmen, gibt es Sanktionen!< – Und wenn auf dem Adressfeld Don Corleone, Kokain-Straße Nr.1, in Mafiahausen steht, so sind wir gezwungen dort hinzufahren!!!“
„Aber niemand zwingt Sie ein gemietetes Auto an einen Komplizen weiterzugeben.“ keifte der Herr Rat zurück und ließ ebenfalls seine flache Hand auf die Tischplatte sausen.
Heinrich blickte seine Widersacher nacheinander an, schüttelte langsam den Kopf: „Sie wissen gar nicht wovon Sie reden, wenn Sie den Mund aufmachen...! - Wir sind gehalten, alles das zu tun, was während des Bewerbungsgespräches einen guten Eindruck macht. – Ich hatte einen Test zu bestehen! Und Punkt! Fragen Sie den Vermittler, wie gefügig wir sein müssen!“ „Sie können sich darauf verlassen, dass wir den Herrn unter die Lupe nehmen werden!“, griff der Erste-HK diesen Vorschlag auf.
Der Staatsjurist stellte alles wieder auf Null, seine Stimmlage wurde geschmeidig: „So, und nun erzählen Sie noch einmal, wie der Ablauf war. Also, Sie bekamen das Schreiben vom Amt… – Und dann?“ „Nö!!!“ Heinrich sah die vier Beamten an. „Wir sind jetzt zwei Stunden in diesem Raum. Sie behaupten, ich würde nur als Zeuge befragt. Also, reißen Sie erstmal die Fenster auf, damit hier frische Luft reinkommt. Und dann will ich eine große Tasse Kaffee – aber frisch gebrüht und heiß. Und nix Pappbecher, sondern Tasse! Mit richtig Zucker und viel Milch. Und dazu ein großes Glas Sprudel, eiskalt aber ohne Eis!“
Ungerührt blickte er die vier Beamten an und lehnte sich demonstrativ zurück. Zu seiner Überraschung nickte der Staatsanwalt ganz langsam mit dem Kopf, schnippte mit den Fingern. Seine drei Helferlein reagierten sichtlich überrascht, aber sie verließen doch den Konferenzraum. Während der Wartezeit stand der Staatsanwalt vor dem offenen Fenster, starrte hinaus, sagte kein Wort. Heinrich sah keinerlei Veranlassung ihn anzusprechen. So vergingen stille, lastende Minuten, bis die Tür wieder geöffnet wurde. Zu guter Letzt stand vor Heinrich ein eisgefüllter Sektkühler, in dem, kopfüber, zwei Sprudelflaschen steckten, daneben ein Tablett, auf dem – auch zum Erstaunen des Staatsanwaltes – eine Porzellankanne prunkte. Dazu gesellten sich fünf Tassen unterschiedlichster Herkunft sowie Gläser, Würfelzucker, Kaffeesahne und ein paar bröckelige Kekse.
Der Staatsanwalt drehte sich: „Ist's Recht so?“
Heinrich hob nur wortlos eine Augenbraue und zog die erste Flasche aus dem Eis. Während er zwei Gläser auf Ex leerte, wurden, auf ein Zeichen des Advokaten hin, die Fenster wieder geschlossen. Weiterhin kaum merklich grinsend und ohne ein Wort fischte sich Heinrich die Tasse mit der dünnsten Wandung aus der bunten Sammlung, schaufelte Zucker hinein, fügte reichlich Sahne hinzu und übergoss alles mit dem dampfenden Koffein-Labsal. Während er zwei Schluck aus der Tasse schlürfte, stellten sich seine Nackenhaare auf. Er begriff erst jetzt, dass sich keiner seiner Kontrahenten an dem Dargebotenen bediente, bis er versorgt war. Auch wurde ihm erst jetzt bewusst, mit welcher Chuzpe er Forderungen aufgestellt hatte und wie prompt diese erfüllt wurden. Er konnte sich auf dieses doch ehr merkwürdige Verhalten der Beamten keinen Reim machen. Oder wurden etwa alle Zeugen und Verdächtige so zuvorkommend behandelt? Ihm fehlte jedes Vergleichsmaß.
„Sooo“, meldete er sich zurück, „dann wollen wir mal!“ Er begann den Ablauf des Tages noch einmal zu berichten und wurde vom Staatsanwalt und den beiden Polizei-Offizieren nach jeder Kleinigkeit gefragt: Ob er morgens die Haustür nur ins Schloss gezogen oder auch abgeschlossen hatte, ob er das Straßenbahn-Ticket mit Münzen oder mit einem Geldschein bezahlt hatte. „Das hab ich überhaupt nicht bezahlt. – Monatskarte!“ Ob er im Zug am Fenster gesessen hatte. Ob er sich noch an Sitznachbarn erinnern konnte. Es wurde wirklich jedes denkbare Detail abgefragt. Als Heinrich, in seiner Darstellung, die Tür des stylischen Besprechungszimmers aufgehen ließ und er sodann beschrieb, wie Dr. Beyslböck hereinkam, meldete sich der vierte Beamte zum ersten Mal zu Wort:
„Und den beschreiben Sie mir jetzt mal so genau wie möglich. Am besten, Sie schließen zu Beginn die Augen und lassen den Herrn noch einmal zur Türe hereinkommen.“ Der vierte Beamte setzte die Angaben des Zeugen an seinem Digitalisierungs-Tablett in Linien und Schraffuren um. Mittels des unter der Decke montierten Projektors, wurde das Ergebnis von Heinrichs Beschreibungen in Übergröße auf der Wand abgebildet. Köchmüller wunderte sich nur, mit welcher Genauigkeit er Angaben über den Mann machen konnte. Mitten in seine Schilderung hinein klingelte ein Handy. Leise wechselte einer der Polizisten, mit dem Anrufer, ein paar Worte. Er versprach kurzfristigen Rückruf. Als schließlich die bildliche Darstellung des Betrüger-Pärchens und der Empfangsdame für alle Anwesenden hinreichend genau war, wollte Heinrich mit seinem Bericht über den Tagesablauf fortfahren, doch der Telefon-Kommissar unterbrach ihn: „Die Kollegen der Kleinstadt sind mittlerweile vor Ort. Moment, ich klingel die eben an.“
Einige Augenblicke später reichte er sein Smart-Phone an den zeichnenden Kollegen weiter, mit der Bitte, eine Verbindung zwischen Phone und dem Bildwerfer herzustellen. Auf der Projektionsfläche erschien prompt das etwas ruckelige Bild eines Kopfes mit erwartbarer Schirmmütze. „Ja, Grüß Gott, Kollegen. Seid ihr jetzt so weit?“, quäkte es aus dem winzigen Kommunikationscomputer. Die Bestätigung erfolgte. „Ich halt jetzt das Objektiv auf die Tür. Ist sie das?“ Heinrich bat darum, dass der Beamte mit seinem Handy ein paar Schritte zurücktreten möge, damit er sich einen Überblick verschaffen könne. Langsam und ruckelnd wurde