Aber wahrscheinlich war es ganz anders, und auch sie hat einige Tage im Polizeigefängnis am Alexanderplatz zubringen müssen. Denn das Polizeigefängnis war Sammelpunkt und Durchgangsstation für Gefangene, die in Lager oder Zuchthäuser weitergeleitet werden sollten. Hier wurden Menschen aller möglichen Nationalitäten und aller möglichen Haftgründe festgehalten. Viele Frauen, die ebenfalls in Ravensbrück landeten, berichten darüber. Margarete Buber-Neumann z.B., die Frau des vom sowjetischen Geheimdienst erschossenen KPD-Funktionärs Heinz Neumann, die selbst aus sowjetischen Lagern 1940 im Zuge des deutsch-sowjetischen Nichtangriffspaktes an die Gestapo ausgeliefert wurde, schreibt über eine fünfmonatige Haft in der Frauenabteilung des Gefängnisses am Alexanderplatz. Auch die Österreicherin Antonia Bruha musste auf ihrem Weg aus Wiener Gefängnissen ins Konzentrationslager Ravensbrück im Polizeigefängnis am Alexanderplatz Station machen, und für die Sorbin Maria Grollmuß ist ebenfalls belegt, dass ihr Weg nach Ravensbrück über das Polizeigefängnis führte. Für andere Gefangene war die polizeiliche Haftanstalt nur eine Station zur Hinrichtung, die in Plötzensee vollzogen wurde, wieder andere landeten in Arbeitslagern. In Berichten finden sich übereinstimmende Angaben dazu, dass die für Sammeltransporte in Konzentrationslager vorgesehenen Gefangenen in großen Zellen untergebracht waren, in denen bis zu 200 Frauen zusammengepfercht waren. Die Verhältnisse werden als katastrophal geschildert, die Menschen mussten auf dem bloßen Fußboden liegen, die Räume waren kalt und die Wände klatschnass. Diejenigen, die länger dort waren, berichten über die Versuche der Gefangenen, aus den Fenstern heraus mit der Belegung in der Nachbarzelle zu kommunizieren. Die Fenster der Zellen gingen auf den Gefängnishof hinaus, der auf einer Seite vom Polizeipräsidium begrenzt war. Berichtet wird auch von Selbsttötungen, Gefangene sprangen über das Geländer vom 5. Stock des Treppenflurs in die Tiefe und landeten zerschmettert auf dem steinernen Fliesenfußboden. Übereinstimmend wird von Transporten berichtet, die regelmäßig, jeden Sonnabend nach Ravensbrück abgingen. Die Betroffenen wurden am Freitagabend informiert, dass sie sich am nächsten Tag zum Abmarsch bereitzuhalten hatten.
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