Homo sapiens movere ~ gejagt. R. R. Alval. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: R. R. Alval
Издательство: Bookwire
Серия: gejagt
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738002973
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gesehen, wie ich vom Baum geklettert war? Kein Wunder, dass sie mir keine Decke anboten oder mich – tendenziell – für ein Gewaltopfer hielten. Fast hätte ich die beiden um einen Spaten gebeten, um mir ein tiefes Loch zu graben. Gott sei Dank fehlte mir dazu im Moment der nötige Biss. Womöglich hielten die mich dann ernsthaft für bekloppt und lieferten mich in die nächste Heil- und Nervenanstalt ein.

      Es war fünf Uhr am Nachmittag, als ich endlich wieder daheim war. Wenigstens hatten sie mir eine Jogginghose gegeben, auch wenn es mich einige Überwindung gekostet hatte, diese anzuziehen. Eine Stunde lang war ich befragt worden, was ich auf dem Baum zu suchen hatte; noch dazu in meiner spärlichen Bekleidung. Ich hatte keine Erklärung liefern können.

      Zumindest keine, die sie mir abkauften. Mal ehrlich: Mich wollte ein Dämon einschüchtern, wäre zwar die Wahrheit, würde mir aber keiner der beiden abkaufen. Selbst wenn die Gegenwart von Dämonen schon seit über einem halben Jahrhundert keine Neuigkeit mehr war.

      Nachdem sie meine Daten überprüft hatten, wurde ich in ein kleines Zimmer mit einer Pritsche gebracht. Auf der hatte ich bis zum Morgen mehr recht als schlecht geschlafen. Da ich mich weigerte jemanden anzurufen, wurde ich am Nachmittag endlich heim chauffiert. Die Rechnung würde man mir demnächst zuschicken.

      Haha.

      Die war wohl mein geringstes Problem.

      Ich musste dringend etwas unternehmen. Sowas durfte kein zweites Mal passieren. Ich musste meine Familie davon in Kenntnis setzen, dass sie zur Zielscheibe eines Irren werden könnten. Mit einer Wahrscheinlichkeit von… sagen wir 179 Prozent. Ich hatte nur noch keinen Plan, wie ich das Thema auf den Tisch bringen sollte. Humphrey hatte die Jagd offiziell eröffnet: Indem er mir zeigte, dass er mir überall auflauern und tun konnte, wonach ihm beliebte.

      Unter anderem mich mitten in der Nacht halbnackt auf Bäumen abzusetzen.

      Er wollte mich nicht sofort töten. Das hatte ich begriffen, da er mich absichtlich in eine Lage gebracht hatte, die an meinem Selbstbewusstsein kratzte. Natürlich hatte er gewusst, dass ich vom Baum herunterkäme. Doch der richtige Ärger begann ja auch erst, als ich unten angekommen war.

      Würde er jedoch meine Mutter oder meinen Vater oder sonst wen aus meiner Familie auf einem Baum absetzen… ich wollte gar nicht daran denken.

      Vor Wut kochend ballte ich meine Hände zu Fäusten. Was, wenn er es zuerst auf die Kinder abgesehen hatte? Wie konnte ich sie aus seiner Reichweite bringen? Spline? Ich bezweifelte, dass meine Familie freiwillig dorthin ginge. Aber dort wäre sie sicher – hatte mir der damals noch nicht durchgeknallte Humphrey gesagt.

      Einigermaßen sicher!

      Abgesehen von ein paar Gebäuden, die sie als Happen zwischendurch ansahen. Doch sicher vor Humphrey. Würden sie mir überhaupt glauben? Viel wichtiger waren andere Fragen. Wäre Humphrey wirklich nicht in der Lage, ihnen dahin zu folgen? Wurden – im Gegensatz zu mir – seine Energie und Magie dort gedämpft? Gott, ich musste auch Alan informieren. Und der würde keinen Fuß nach Spline setzen.

      Noch nicht mal eine klitzekleine Kralle.

      Sollte ich mit Maya reden? Auch sie war mir wichtig. Wenn auch nicht annähernd so wichtig wie einst Laura.

      Noch schlimmer war, dass ich besser nicht mit Alan zusammen war. Schließlich war nach wie vor nicht geklärt, wer sich an meinem Haus zu schaffen machte und aus welchem Grund. Die Ker-Lon schloss ich aus einem Bauchgefühl heraus aus. Die würde keinesfalls, selbst wenn sie nicht inzwischen die Blumenzwiebeln von unten ansähe, mit Metha getränkten Ziegelsteinen meine Scheiben einwerfen.

      Metha war eine Designerdroge, die Menschen dermaßen glücklich sein ließ, dass sie sich vor Lachen kringelten. Bei Gestaltwandlern hingegen löste sie reinste Raserei aus.

      Nein, die Ker-Lon sänke nie so tief, dass sie dieses Mittel hätte einsetzen müssen. Da steckte jemand anderes dahinter.

      Prima.

      Also nicht nur zwei oder drei Probleme, sondern vier oder fünf.

      Wozu zählte ich die überhaupt? Ich wusste nicht, wie ich eins davon lösen konnte; geschweige denn alle zusammen.

      Die Wut in mir entlud sich nicht wie erwartet mit einem lauten Schrei, sondern mit einem leisen Wimmern, was mich kraftlos in die Knie sinken ließ. Vielleicht sollte ich mich einfach auf die Straße stellen und von einem Bus überfahren lassen.

      Dann würde Humphrey die Lust an der Jagd vergehen.

      Aber ich hing verdammt nochmal an meinem Leben!

      Doch wie sollte ich mit dem Wissen umgehen, dass Leute meinetwegen sterben würden? Menschen, die ich liebte. Meine Familie möglicherweise sogar zuerst. Das hier war erst der Anfang. Es würde schlimmer kommen.

      Viel schlimmer.

      Ich hatte ehrlich keine Ahnung, was ich dagegen unternehmen sollte. Verflucht, ich mochte es ganz und gar nicht, dermaßen hilflos zu sein!

      2

      Der Vorfall der vorletzten Nacht schwelte in meinem Kopf wie eine tickende Bombe. Nur mit großer Anstrengung gelang es mir, mich auf das bevorstehende Ritual einzupendeln. Vor einer Stunde war ich auf Alans Anwesen eingetroffen, hatte jedoch ein gemeinsames Essen abgelehnt. Nun lag ich in einer bis zum Rand gefüllten Wanne und wusch mich mit der nach Sandelholz duftenden Seife. Ich brächte beim Essen sowieso keinen Bissen hinunter.

      Alan würde sofort wissen, dass etwas nicht stimmte.

      Schließlich kannte er meinen gesunden Appetit.

      Natürlich musste ich ihn in die Geschehnisse einweihen. Nach dem Ritual. Er sollte einen klaren Kopf behalten. Außerdem fürchtete ich ein wenig seine Reaktion, die nicht vorhersehbar war.

      Er könnte wütend sein.

      Oder besorgt.

      Oder etwas Dummes, Impulsives tun.

      Daher war es besser, meine Sorgen noch eine Weile zu verdrängen. In dem warmen Wasser mit dem angenehmen Duft fiel mir das ziemlich leicht.

      Verdammt!

      Was, wenn Humphrey während des Rituals angriff? Das käme einer Katastrophe gleich. Zutiefst beunruhigt tauchte ich in dem warmen Wasser unter und sofort wieder auf. Bunte Kringel tanzten vor meinen Augen, die ich weg blinzelte. Ich durfte nicht in Panik geraten. Noch viel weniger durfte ich darauf vertrauen, dass Humphrey in seiner Rachsucht klar dachte. Wäre es ihm egal, wenn die Wandler freikämen? Verzweifelt schüttelte ich meinen Kopf, in dem sämtliche Bedenken gegeneinanderprallten und eine Massenkarambolage verursachten.

      Was sollte ich bloß tun?

      Das Badewasser wurde allmählich kalt. Und ich fühlte mich immer mehr wie ein klitzekleiner Fisch, der im trüben Gewässer die Orientierung verloren hatte und sich nun vor dem Angriff eines Raubfischs fürchtete. Nach einem kurzen Klopfen an der Tür trat Alan in das Bad; ohne auch nur ansatzweise meine Antwort abzuwarten.

      Scheiße, ich hätte nackt… oh verflucht, ich war nackt!

      „Ich dachte, du bist in der Wanne eingeschlafen.“, meinte Alan mit einem Lächeln, was mich an dem Wahrheitsgehalt seiner Aussage zweifeln ließ. „Wie du siehst, bin ich es nicht.“ Er trat näher. Mein Herz hüpfte ihm fröhlich trällernd entgegen. Oder wohl eher meine verräterischen Hormone.

      Mistviecher!

      „Soll ich dir den Rücken schrubben?“ Lässig zog ich meine Augenbraue in die Höhe. „Danke, nein. Ich wollte eben das Wasser ablassen.“ Er nickte. Anstatt zu gehen, griff er nach der Handbrause und drehte diese auf; kurz nachdem er den Knopf betätigt hatte, der den Stöpsel anhob, um das Wasser abfließen zu lassen. „Ich kann das allein.“ Wieder nickte er. „Ich weiß.“ Nonchalant stand er da, während das abfließende Wasser immer mehr meines Körpers freilegte.

      Schön.

      Wie er wollte.

      Augen