INPRAXI. Kristina Marie Edwards. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Kristina Marie Edwards
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742718761
Скачать книгу
der Schmerz nun bis in meine Fingerspitzen drang.

      Draußen undurchdringlicher Nebel, drinnen das gleichmäßige Summen der Motoren, unterbrochen von den Attacken des Windes, unter denen das Flugzeug regelrecht zu hüpfen begann. Aber zumindest liefen die Motoren noch. Oder hatte ich mich getäuscht? Angestrengt horchte ich hinaus. Selbstverständlich war das Quatsch. In meinem schmerzenden Kopf bildete ich mir nur zu gerne ein, dass mit den Motoren alles in Ordnung war. Natürlich liefen sie wie frisch montiert und auch die Instrumente funktionierten so genau, dass das Flugzeug sich fast von selber flog. Wozu also strengte ich mich an? Wahrscheinlich würde sich der Nebel genauso schnell legen, wie er unerwartet gekommen war. Ich brauchte nur meine Hände am Steuer zu lassen und zu entspannen. Zu entspannen - die Augen zu schließen. Hatte ich nicht längst den Autopiloten aktiviert? Ich denke doch, dass es hier an Bord so etwas gab. Ach - irgendwie war alles egal! Nur den schmerzenden Kopf ein wenig zurückgelehnt! Nur einen winzigen Moment die Augen geschlossen. Gleich bin ich wieder ein anderer Mensch und werde so sicher zur Erde schweben, als begleiteten Engel mich selber dorthin. Sicher … ganz sicher…ich spüre es schon!

      2. Kapitel

      Als ich die Augen wieder öffnete, war der Nebel verschwunden. Der Steuerknüppel vor mir allerdings auch, wie das ganze vermaledeite Flugzeug selbst. Kein Sitz, keine Scheibe, nicht das winzigste Schräubchen vom Heck bis zum Bug. Stattdessen nichts als Bäume um mich herum. Bäume und ein kleiner See. Erneut schloss ich die Augen und atmete durch so tief es ging. Würzige Waldluft durchströmte die Lungen. Fast konnte ich das Harz auf der Zunge spüren. Ich schien definitiv nicht mehr in den Lüften zu schweben. Wie konnte das sein? Wäre ich abgestürzt, hätte es mich in tausend Einzelteile zerfleischt. Vermutlich läge dort hinten bei der schrumpeligen Tanne mein rechter Arm und ein Teil meines Fußes irgendwo im Unterholz. Der restliche Körper hübsch verstreut, mundgerecht in kleine Häppchen verteilt - für die Tiere des Waldes zum Mahl bereit. Wie aber war es dann möglich, dass ich hier an einen Baumstamm gelehnt saß?

       Dies ist nicht die Wirklichkeit! Dies alles bildest du dir ein!

       Schließ die Augen und atme tief durch!

       Wenn du dann aus deinem Traum erwachst, wird es sein, als wäre nichts geschehn!

       Spür den gleichmäßigen Atem auf deiner Haut!

       So ist es gut!

       Atme ein und atme aus!

       Ruhig - ganz ruhig!

       Spür, wie dein Herzschlag ruhiger wird!

      Ich merkte, wie ich zu entspannen begann. Das Rauschen in meinen Ohren sank zu einem Flüstern ab, aber meine Lider schienen wie verklebt. Unmöglich, der Wahrheit ins Auge zu sehen. Stattdessen tastete ich vorsichtig mit den Händen an meinem Körper entlang, immer in der Erwartung, dass dort gar kein Körper mehr war. Aber es war noch alles dran. Zwei Arme, zwei Beine, die Striemen, die der Gurt verursacht hatte, als ich fast aus meinem Sitz geschleudert worden war, und auch mein Kopf mit beiden Ohren, Augen und der Nase mitten im Gesicht. Sie schien sogar noch ganz zu sein, nur einige Kratzer zeugten davon, dass sie in irgendetwas hineingeraten war.

       Sei nicht so feige und schau dich an!

      Dennoch fiel es mir unerhört schwer, als sträubten meine Lider sich. Dabei hielt ich meine Hände so dicht vors Gesicht, dass außer ihnen nichts zu erkennen war. Einige Kratzer hier und dort, aber nichts, was auf eine größere Verletzung schließen ließ. Bedächtig bewegte ich Glied für Glied. Die Finger waren ein wenig steif, aber zum Glück schien nichts gebrochen zu sein. Dafür schoss jäh ein scharfer Schmerz vom Knöchel her, die Lende hinauf direkt bis in mein Hirn hinein. Krampfartig setzte ich mich auf. Eine ganze Weile saß ich so starr wie möglich gegen den Baumstamm gelehnt und wirklich ebbte der Schmerz bald ab, konzentrierte sich nur noch auf das rechte Bein. Erst jetzt bemerkte ich, wie zerfetzt meine Kleidung war. Meine lederne Jacke schien gänzlich abhanden gekommen zu sein und mein Hemd hing nur noch in Fetzen herab. Meine Hose war von robusterer Natur. Nur einige Löcher zeugten von einem Sturz. Mein Blick wanderte weiter hinab. Die Schuhe schienen ebenso ganz, von Schrammen und Schmutz mal abgesehen, aber mein rechter Fuß saß derart fest, als wäre der Schuh drei Nummern zu klein. Was, wenn der Fuß gebrochen war? Vorsichtig versuchte ich, ihn zu bewegen, was nahezu unmöglich war. Dafür zog der Schmerz so heftig empor, dass ich fast ohnmächtig zusammenbrach. Nur nichts denken, nicht bewegen, nur sitzen, sitzen und ruhig atmen zwischendurch. Während ich döste und eventuell auch ein wenig schlief, brach die Dämmerung herein. Es wurde kalt. Irgendwo raschelte es im Unterholz. Ich versuchte, meine Jacke fester um mich zu ziehen, bis mir einfiel, dass sie sicher irgendwo im Dickicht lag. Eventuell schnüffelte gerade ein Wildschwein an ihr herum.

       Leder zu Leder - so ist das, mein Freund!

      Einige lose Blätter vom vorigen Jahr lagen noch auf dem Boden herum. So gut es ging, versuchte ich, einen kleinen Haufen aus Laub über meine Beine zu schaufeln, was mir nicht wirklich gut gelang, aber ich hatte das Gefühl, dass ein wenig Wärme durch meinen Körper zog. Vielleicht waren es auch nur Fieberschübe, mit denen die Natur sich zu wehren begann. Ewig so sitzenbleiben konnte ich nicht - nur mit dem Aufstehen gab es ein Problem.

      Ach - morgen früh würde ich weitersehen!

      Wie spät mochte es unterdessen sein? Mein Zeitgefühl schien mit dem Nebel entschwunden zu sein. Vorsichtig hob ich den Arm. Das Zifferblatt meiner Uhr war groß genug, um auch bei Dämmerlicht gut sichtbar zu sein. Aber es war kein Zifferblatt da. Es war genauso verschwunden, wie die ganze Uhr.

      Erneut drehte sich alles in meinem Kopf. Etwas war wirklich sehr seltsam an meiner Situation. Wie konnte es sein, dass ich fast unverletzt aus einem Flugzeug gefallen war, hier an einem Baumstamm lehnte mitten im Wald ohne die geringste Spur von dem, was offensichtlich geschehen war. Keine Einflugschneise, keine geknickten Bäume, keine Trümmerteile - weder vom Flugzeug noch von den Sachen, die ich am Körper trug. Ich erinnerte mich vage, gleich nach meinem Erwachen im Wald einen kleinen See wahrgenommen zu haben, obwohl es, laut Karte, in diesem Teil der Forest-Region überhaupt keine Gewässer gab. Da er aber wohl tatsächlich vorhanden zu sein schien, hieß das im Umkehrschluss für mich, dass kaum jemals ein menschliches Wesen seinen Fuß in diese Region setzen würde, es sei denn, das Ortungssystem meines Flugzeuges funktionierte noch. Vermutlich lag es irgendwo dort unten im See, fein säuberlich verteilt, als Anschauungsmaterial für die Fische - falls es dort welche gab. Wie gerne würde ich jetzt mit Professor Kray über Tannenzapfenaufzuchtstationen und Mischwälder diskutieren. Vermutlich war er sauer, dass ich nicht zu dem verabredeten Gespräch erschienen war. Hoffentlich nicht zu sauer, um eine Suchmannschaft zu mobilisieren! Aber vorerst würde mir wohl nichts anderes übrig bleiben, als bei der ersten Dämmerung zu versuchen, mich zu orientieren und irgendwie auf mich aufmerksam zu machen, egal wie sehr mein Fuß schmerzte oder das Fieber stieg.

      Erstaunlicherweise konnte ich schlafen in dieser Nacht, obwohl mein Fuß pochte, sobald ich mich nur zu bewegen begann und die Kälte in jede Pore kroch. Vielleicht würde ich morgen erfroren sein - aber dann wenigstens gut konserviert!

      Etwas raschelte durch’s trockene Laub und starrte mich mit neugierig großen Augen an. Vielleicht bildete ich es mir auch nur ein, bevor ich wegzunicken begann in einen tiefen traumlosen Schlaf. Jedenfalls waren meine Fingerkuppen noch ganz und mein Körper insekten- und nagerfrei, als ich in der Morgendämmerung unvermittelt zur Seite zu kippen begann. Der jähe Schmerz in meinem Bein brachte mich zurück in die Wirklichkeit, von der ich mir wünschte, sie wäre nicht existent. Einfach aufzustehen und mich umzusehen, schien ein Ding der Unmöglichkeit. Zudem fiel mir das Schlucken schwer. Meine Zunge fühlte sich an wie Sandpapier. Mein Magen war nur ein schlaffer Sack und doch war es, als läge ein Stein darin. Am Schlimmsten aber war der Durst. Wie lange kam man ohne flüssige Nahrung aus? Dabei konnte der See nicht weit von hier sein. Deutlich hörte ich das leise