Und zumal zur Weihnachts- und Neujahrszeit steigt der Bedarf in den trockenen und halbtrockenen Ländern nach etwas Magenstärkung mit alkoholischem Einschlag genau wie bei uns. Das ist dann wieder die Zeit für den Spritschmuggler, in See zu gehen. Irgend ein altes Fahrzeug ist immer zur Hand, den Sprit gibt es in allen Ländern für billiges Geld in den Freihäfen, und einige Leute, die bei einer solchen Gelegenheit einen guten Schnitt machen können, sind bei dem augenblicklichen Überangebot schnell beisammen.
So kam auch die Unternehmung der VENUS zustande. Wie Lloyds List aus Norwegen meldet, soll es sich bei der VENUS um einen ehemaligen deutschen Fischdampfer WOPKE handeln. Dieses Fahrzeug ist aber bei der Schiffsregister-Behörde nicht zu ermitteln. Tatsache ist jedenfalls, dass das Schiff eines Tages in Lerwick erschien und dort ungefähr sechs Wochen gelegen hat. Während dieser Zeit hat der Kapitän die Flagge und den Namen gewechselt und das Schiff unter Panama-Flagge gebracht. Eine neue Besatzung kam an Bord, und die VENUS ging in See.
Wieweit das Schiff sein Ziel erreichte, ist allerdings noch nicht bekannt, denn es strandete nördlich von Floro, wobei der größte Teil der Besatzung das Leben verlor. Nur zwei Mann wurden gerettet, und die hüllen sich der Behörde gegenüber in tiefstes Schweigen. Sie gaben nicht zu, dass es sich um einen Spritschmuggler gehandelt habe, ihnen war nichts bekannt von einem Feuergefecht mit Zollbeamten kurz vor der Strandung, das Gedächtnis war eben durch den Verlust des Schiffes ausgeschaltet.
Aber sie hatten nicht mit der Tücke der See gerechnet. Das Wrack der VENUS lag auf Felsengrund und stieß bei dem schweren Seegang in der letzten Zeit unter Wasser ständig so hart auf, dass es auseinanderbrach, und siehe da... Eine ganze Ladung Fässer trieb an Land, die nicht etwa Hartbrot oder Salzfleisch enthielten, sondern den schönsten 96prozentigen Sprit. Bis jetzt hat man 2000 Liter des ersehnten Getränks geborgen, der nun allerdings in Hände gelangt ist, für die er nicht bestimmt war.
Diese unfreiwillige Zeugenaussage des Meeres hat auf das Gedächtnis der Überlebenden sehr auffrischend gewirkt, denn sie haben eine ganze Menge Zugeständnisse gemacht, die die Behörde bisher vergeblich von ihnen zu erlangen suchte. Aber aus der Haft hat man sie doch noch nicht entlassen. Man möchte noch einige Kleinigkeiten von ihnen wissen, so z. B., ob die kürzlich an Land beschlagnahmten 3000 Gallonen Sprit auch von der VENUS stammen.
Das fehlende Rettungsboot und andere Wrackteile sind an Land angetrieben. Sobald das Meer es erlaubt, soll ein Taucher das gesunkene Schiff besichtigen. gkl.
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Zeugenaussagen über den Untergang der VENUS
hk. Kopenhagen, 16. Dezember 1931 (Drahtbericht unseres Vertreters) In Maallöy wurde gestern die Seeverklarung des Schmugglerfahrzeugs VENUS aufgenommen. Die Überlebenden, der Steuermann Savage und der Maschinist Erhault, wurden vernommen. Der Steuermann erklärte, er sei am 28. Juli in Antwerpen an Bord der VENUS gekommen. Er ist 34 Jahre alt und englischer Staatsbürger. Der erste Maschinist kommt aus Antwerpen. Er ist deutscher Staatsangehöriger, gleichfalls 34 Jahre alt. Dem Gericht wurde eine Liste mit den Namen der umgekommenen Seeleute vorgelegt, darunter waren elf englische Staatsbürger. Der umgekommene Kapitän Wisnagrotzky war Deutscher. Der Steuermann erklärte, das Schiff hat Antwerpen am 5. September verlassen. Am 1. Dezember ist es nach 7 ½ Wochen Aufenthalt von Lerwick (Shetlandinseln) abgefahren, um im nördlichen Teil der Nordsee seine Spiritusladung zu verkaufen. Der Spiritus ist von den Zollbehörden in Lerwick versiegelt worden. Die Siegel wurden erst erbrochen, als das Schiff anfing zu sinken und man die Spiritusfässer für ein Holzfloß zur Rettung brauchte, um ihnen größere Tragfähigkeit zu verleihen. Der Steuermann behauptet, er könne keine Angaben machen, welche Route das Schiff genommen habe. Er habe auch nichts von den Geschäften des Kapitäns gewusst. Auf die Frage, ob das Schiff von einem norwegischen Zollkreuzer beschossen worden sei, erklärten beide Zeugen, dies sei unzutreffend, man habe überhaupt keinen Zollkreuzer gesehen.
http://seeleute.npage.de/karl-wisnagrotzky.html
Der Krieg verhinderte die seemännische Karriere
Oskar Klebsch wurde am 20.4.1920 geboren und stammt aus Mathiashof-Kantrek im Kreis Cammin in Hinterpommern. Er berichtet über seinen Traumberuf:
„‚Seefahrt tut not!’“ Dieser Aufruf ging seinerzeit vor dem 2. Weltkrieg durch die Presse. Ich schrieb auf die Anzeige nach Hamburg, Harvestehuder Weg, und bekam einen Fragebogen zugeschickt. Nicht nur Abenteuerlust, sondern vor allem der Wunsch, etwas von dieser schönen Welt zu sehen, beflügelte mich.
Ich war dafür vorgesehen, zu Hause Erbhofbauer zu werden. Meine Eltern waren deshalb dagegen, dass ich Seemann werden wollte und lehnten ihre Einwilligung und Unterschrift zunächst ab, so dass ich wochenlang darum kämpfen musste. Da ich nicht aufgab, durfte ich im August 1937 endlich doch eine seemännische Vorschule auf dem Eisbrecher PREUSSEN machen. Die dafür geforderten 52 Mark konnte ich von meinen Eltern jedoch nicht bekommen, denn wir waren zu Hause sechs Kinder, und es fehlte an Geld. So war ich gezwungen, mir den Betrag selbst zu verdienen, indem ich im Wald Blaubeeren pflückte, Kienzapfen sammelte und Forstarbeiten verrichtete.
Beim Eintreffen in Stettin erschloss sich für mich eine neue Welt, die ich zuvor nicht gekannt hatte: Großstadt mit Straßenbahnen, Hafen und Schiffen. Die Einführung in das Seemännische begann unter Kapitän Bolze, einem gebürtigen Hamburger. Nach 14 Tagen wurde ich dem Bootsmann als Hilfsausbilder für die 30 Schüler zugeteilt, was mich auch etwas stolz machte.
Am 7. September 1937 war es so weit, dass mich der Kapitän zum Segelfrachtschiff KÄTHE JÜRGENSEN im Stettiner Netzehafen schickte. Ich hätte mir damals lieber ein schöneres Schiff, etwa einen Passagierdampfer, als diesen Schoner gewünscht. Doch mein Kapitän Bolze meinte: „Lehrjahre sind keine Herrenjahre, und du musst einmal Segelschiffszeit nachweisen können, um auf die Seefahrtschule gehen zu können. Du hast das Zeug dazu und wirst mal sicher ein Kapitän werden wie ich.“ So musste ich doch in den sprichwörtlichen sauren Apfel beißen.
Die KÄTHE JÜRGENSEN, damals geführt von Kapitän Engelmann, war ein abenteuerliches Schiff von 500 Tonnen. Wir schipperten mit dem Schoner zu fast allen Ländern im Bereich der Ost- und Nordsee und nahmen als Fracht überwiegend Holz, Kohle und Zement. Die erste Reise von Stettin nach Umeå in Schweden mit einer Ladung Koks bei Windstärke 7 bis 9 dauerte 4 ½ Tage und war die grausamste Zeit meiner Seefahrt. Dabei erlebte ich meine erste Seekrankheit mit Erbrechen und zitternden Knien. Salzwasser hatte ich nicht nur auf den Lippen, sondern am ganzen Körper. Diese erste Reise wurde mir eine bittere Pille. Es ging anschließend weiter nach Finnland, wo wir in Vaasa eine Holzladung an Bord nahmen, um diese bei fast spiegelglatter See nach Totness in Süd-England zu bringen. Bei dieser Reise bekam ich wieder Mut und Freude an der Seefahrt.
Wir wurden als Besatzung eines deutschen Schiffes mit dem Heimathafen Hamburg in den fremden Ländern oftmals freudig und liebevoll empfangen, nicht zuletzt von der Jugend und besonders den Mädels. Es kam zu Bekanntschaften, die so schön waren, dass ich sie nie mehr vergessen