Es sieht aus, als würde er auf einem Psychologenstuhl liegen und sich gleich die Seele vom Leib reden, während wir seine Psychologen sind.
"Also, erzähl mal, was genau passiert ist", fängt Aiden das Gespräch an und betrachtet Leon.
Jap, es könnte definitiv eine dieser Sitzungen bei einem Psychologen sein. Aiden würde auf jeden Fall einen guten Psychologen abgeben. Okay, er würde wahrscheinlich sowieso alles gut können.
Leon seufzt. "Sophia ist über das Wochenende nach Manchester gefahren - irgend so eine Wellnesskacke. Sie meinte, dass sie mit Claudia und Nadine fährt, aber ich kenne gar keine Claudia und auch keine Nadine. Dabei kenne ich eigentlich sonst alle ihre Freunde. Und dann hat sie sich das ganze Wochenende nicht einmal gemeldet, sie hat sogar meine Anrufe weggedrückt! Ein einziges Mal ist sie an ihr Handy gegangen, meinte dann aber, dass sie gerade keine Zeit hat und hat aufgelegt."
Mir stockt der Atem. Sophia gleicht mehr einer Schlange, als ich dachte. Am liebsten würde ich einfach mit der Wahrheit rausplatzen, um Leons Unwissenheit ein Ende zu setzen. Hilfe suchend sehe ich zu Aiden. Er weiß besser, wie man mit so einer Situation umgeht.
Er nickt mir zu und sagt: "Und bisher hast du immer noch nichts von ihr gehört?"
Leon schüttelt den Kopf und wischt sich durch sein Gesicht. "Nein, nicht ein verdammtes Wort. Bis Freitag lief doch noch alles gut, wieso sollte sie mich denn auf einmal so abblocken? Wahrscheinlich mache ich mir sowieso viel zu viele Gedanken."
Nein, Leon, machst du nicht. Du solltest dir noch viel, viel mehr Gedanken machen.
"Hast du schon mal darüber nachgedacht, dass Sophia vielleicht - ", sagt Aiden, wird aber von Leon unterbrochen, der sich ruckartig aufrichtet.
"Nein! Nein, nein! Sophia geht nicht fremd!"
"Leon, beruhig dich", sagt Aiden ruhig. "Ich will nur, dass du keine Möglichkeit auslässt."
Leon steht auf und fährt sich aufgebracht durch die Haare. "Du denkst wirklich, dass sie einen anderen hat?"
"Ich weiß es nicht, Leon, aber es könnte sein. So, wie sie sich verhält, könnte es darauf hindeuten. Am besten fährst du einfach mal zu ihr und stellst sie zur Rede."
"Ich glaub das nicht, man. Sophia hat doch gar keinen Grund, fremdzugehen. Wir haben den besten Sex aller Zeiten und - "
"Stell sie einfach zur Rede", unterbricht Aiden ihn zum Glück.
Auf Einzelheiten hätte ich jetzt definitiv keine Lust gehabt.
"Und was soll ich machen, wenn es stimmt?", sagt Leon leise und lässt sich wieder auf die Couch fallen. "Ich liebe sie."
Aiden atmet tief ein und sieht zu mir. Er scheint selbst nicht ganz zu wissen, was er jetzt sagen soll.
"Fahr zu ihr. Am besten jetzt sofort", sage ich entschlossen. Ich kann nicht mehr zusehen, wie Leon herumrätselt. Ich will, dass er endlich die Wahrheit weiß, egal, wie sehr es ihm wehtun wird.
Aiden und Leon sehen mich beide überrascht an.
Ich stehe auf. "Los, zieh dich an. Du kannst nicht ewig hier rumliegen und Trübsal blasen. So wirst du die Wahrheit nie erfahren."
"Raven hat Recht", sagt Aiden und stellt sich neben mich. "Wir fahren dich zu ihr."
"Ich will nicht", quengelt Leon wie ein kleines Kind und verschränkt die Arme.
Ich rolle die Augen. "Leon, beweg dich", sagen Aiden und ich gleichzeitig und müssen grinsen.
Leon sieht mit zusammengekniffenen Augen zwischen uns hin und her, seufzt und steht schließlich auf. "Na gut. Aber ich weiß jetzt schon, dass das wahrscheinlich der schlimmste Tag in meinem Leben wird."
Aiden klopft ihm aufmunternd auf die Schulter. "Das packst du."
Leon schüttelt den Kopf und geht zu einer Tür neben der Küche. "Ich weiß nicht, man. Dieses Mal ist es anders. Ich habe wirklich das Gefühl, dass sie die Eine ist. Die Richtige, weißt du?"
"Wenn sie dich betrügt, weißt du, dass sie nicht die Richtige ist", sagt Aiden ernst und Leon verschwindet mit trauriger Miene in seinem Schlafzimmer.
Ich atme verzweifelt aus. "O Gott, das wird grausam. Jetzt können wir auch noch einer Beziehung beim Enden zusehen."
Aiden zuckt mit den Schultern. "Vielleicht ist ja alles auch ein großes Missverständnis und sie hat eine gute Erklärung, die alles regelt."
Ich sehe ihn ungläubig an. "Sie hat einen anderen Typen geküsst, Aiden. Ich denke nicht, dass man so etwas mit einer guten Erklärung nichtig machen kann."
"Ach kann man nicht?" Er sieht mich provokant an.
Ich runzle die Stirn. "Natürlich nicht!"
Aiden lacht und geht zur Tür, um sich die Schuhe anzusehen. "War ja auch nur ein Spaß."
"Heb dir deinen Spaß am besten für später auf, wenn Leon sich die Kante gibt."
Kurz erstarrt Aiden und für eine Sekunde zerfällt seine Miene. Er lächelt danach aber dann wieder. "Werde ich tun. Willst du eigentlich später - "
Mein Handy klingelt. Man, was ist denn heute mit diesen scheiß Handys los?
Genervt ziehe ich es aus meiner Hosentasche und sehe eine unbekannte Nummer auf meinem Handy. Ich runzle die Stirn und gehe ran. "Ravely Green, hallo?"
"Ravely, hier ist deine Mutter."
O nein, bitte nicht.
"Was ist?", frage ich unüberhörbar genervt.
Aiden sieht mich fragend an.
"Ravely, können wir bitte reden? Ich muss unbedingt endlich eine Chance bekommen dir alles zu erklären." Sie hört sich an, als würde sie jeden Moment wieder weinen.
"Nein, es gibt nichts zu erklären." Ich lege auf, bevor sie etwas sagen kann und lasse mein Handy wieder in meiner Tasche verschwinden.
"Wer war das?", fragt Aiden.
"Nur wieder so eine nervige Umfrage. Die nerven mich schon seit Monaten", lüge ich wie gedruckt. Ich fühle mich zwar schlecht Aiden anzulügen, aber ich will jetzt nicht noch mehr Drama machen, als es sich momentan sowieso schon um uns abspielt.
Wir sollten erst das mit Leon und Sophia klären.
"So, lasst uns gehen und ein Messer in mein Herz stechen lassen", höre ich Leon, der umgezogen aus seinem Schlafzimmer kommt.
"Hier ist Sophias Wohnung", sagt Leon, als wir durch den Flur zu ihrem Apartment laufen.
Natürlich hat auch sie schon ihre eigene Wohnung. Ich habe das Gefühl, dass jeder eine hat, außer ich. Und Aby natürlich. Das nervt.
"Sollen wir mit reinkommen oder möchtest du, dass wir draußen warten?", fragt Aiden, während Leon klopft.
"Kommt bitte mit rein. Ich kann nicht versprechen, dass ich keine Sachen kaputt machen werde, wenn sie mir jetzt klarmacht, dass sie einen anderen fickt."
Erschrocken darüber, dass Leon so etwas machen würde, schnappe ich nach Luft. So etwas würde ich Leon überhaupt nicht zutrauen. Er kommt mir eigentlich immer total lieb und ruhig vor.
"Okay, dann kommen wir mit", sagt Aiden und klopft ihm nochmal auf die Schulter.
Schweigend warten wir vor der Tür, bis sich etwas regt.
Ich bin unheimlich nervös und male mir verschiedene Szenarios aus, die jetzt gleich passieren könnten. Wir könnten Sophia mit einem Typen im Bett vorfinden - das wäre wahrscheinlich das Schrecklichste. Leon stellt Sophia zur Rede, sie fängt an zu heulen, gibt alles zu, will aber trotzdem noch eine zweite Chance von ihm. Oder sie gesteht alles und Leon macht einfach Schluss und geht... Nachdem er die Wohnung auseinander