Feuerland - die Technoinsel. Andy Kontor. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Andy Kontor
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847691068
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Ihre Augen blitzen verführerisch. In gebrochenem Deutsch sagt sie: „Fünfzig.“

      Samy sagt: „Wir kommen vielleicht später wieder.“

      Gerade schlendern wir an einem Thai-Schuppen vorbei, da klingelt Samys Handy. Es ist Brinkholm. Samy hat plötzlich seine kühle geschäftliche Miene aufgelegt, er bekommt jetzt genaue Anweisungen über den Standort des Kokains. Denn Brinkholm weiß die Nummer des Containers, der am Nachmittag von einem Frachter abgeladen worden ist.

      Wir trinken einen Jägermeister in einer Bar, dann ein Bier.

      „Immer ruhig Blut, min Jung!“ Samy schlägt mir auf die Schulter.

      „Nichts läuft uns davon, lass uns lieber noch einige Blicke auf diese süßen Häschen werfen.“

      Vor dem Laden haben sich einige Prostituierte versammelt. Mit Kussmund und aufreizenden Kleidern warten sie auf einen Freier. Einige von ihnen scheinen abgenutzt, stehen schon zu lang auf dieser Straße. Einige haben klirrende Schnapsfläschchen in ihren Taschen.

      „Du schaust sie an, als würdest du sie bedauern. Grins ihnen zu, dann macht ihnen die Sache Spaß!“ Ich grinse ihnen zu.

      Samy zündet sich eine Zigarette an. Wir trinken noch einige Biere und gehen zurück zum Auto, machen uns auf zum beschriebenen Ort.

      Mittlerweile ist es stockdunkel und wir parken vor dem Gelände. Wir hören Musik und warten. Durch die Heckscheibe beobachten wir die Straße. Sie ist leer. Das Grundstück auf das wir gelangen müssen ist von einem hohen Zaun umgeben. Vielleicht ist das Grundstück mit Alarmanlagen gesichert.

      „Scheiße! Wie sollen wir denn auf dieses beschissene Gelände kommen?“

      Stille. Als Samy aussteigen möchte, um die Lage abzuchecken, kommt plötzlich ein Polizeiauto aus der Dunkelheit. Samy schließt schnell wieder die Tür. Der Wagen rollt langsam vorbei, wird noch langsamer und hält vor dem Bürgersteig.

      „Mach dich mal ein bisschen klein!“

      Wir ducken uns in den Fußraum. Wir schielen nach oben und sehen, wie ein Polizist mit langem Halogenstrahler das Gelände ausleuchtet. Es dauert eine Ewigkeit. Jetzt driftet der Strahl zu uns herüber und sticht genau in unseren Rückspiegel.

      „Scheiße, halt´ mal die Luft an!“

      „Die können uns doch sowieso nichts!“ Noch immer schwenkt der Strahler hin und her.

      „Hast du eine Ahnung? Die brauchen hier nur mal kurz den Wagen durchstöbern!“

      Jetzt schwenkt der Scheinwerfer ab und nach einer Weile klappt eine Tür. Noch wagen wir es nicht aufzublicken, erst später schauen wir erleichtert auf. Sie sind weg.

      Jetzt machen wir uns auf den Weg. An einer unbeleuchteten Stelle klettern wir über den Zaun. Containertürme so weit das Auge reicht.

      „Den finden wir doch nie!“

      Samy sagt nur: „Fresse halten!“

      Mit lautlosen Schritten schleichen wir zwischen den Türmen vorwärts, bis wir auf einen unübersichtlichen Platz mit tiefen Pfützen stoßen, in denen Fernsehbilder flimmern. Sie stammen aus einem Häuschen, das sich am Ende des Platzes befindet. Drinnen sitzt ein kahlgeschorener breitschultriger Wachmann an einer Cola–Flasche nippend.

      „Wir müssen hier rüber, der Container ist ganz am Ende.“

      Also. Der Wachmann scheint tief ins Programm versunken. Das Fernsehbild ist gut zu erkennen. Nackte Mädels, die sich gegenseitig die Brüste massieren, spiegeln sich verschwommen in den tiefen Pfützen.

      Unbemerkt huschen wir über den Platz, tauchen schnell wieder in der Dunkelheit der gegenüberliegenden Seite ab.

      Wären nicht so unzählige irdische Geräusche um uns – der Wind, die leisen Motoren der Autos, das tubahafte Tuten der Frachtkähne - ich würde mir gewiss sein, dass ich mich in einem Schacht aus grauen Stahlwänden befände. Übereinandergestapelte Särge aus Stahl.

      Mond, du mit deiner bekoksten Bleichheit – ja Mond, du bist geil, du bist geil, Mond – wie viele Dichter haben zu dir emporgeschaut und sich unter deinen Fittichen einen runtergeholt? Dieser sprudelnde Leichtsinn, in tiefe Worte gefasst, hat dich bleich werden lassen, ja heute scheinst du nur noch verkokst, verwaiste Wolken strömen um dein Gesicht wie altes verwahrlostes Haar…

      Wir gehen weiter.

      „Irgendwo hier.“

      Verirrt streichen wir durch die Gänge, mal nach links, mal nach rechts. Samys Nase spitzt sich.

      „Pass mal auf, min Jung, eins ist sicher: irgendwo hier, gar nicht weit entfernt, befindet sich Koks. Ich rieche den Stoff auf zehn Meilen entfernt.“

      Samy strotzt plötzlich vor Selbstbewusstsein und Tatendrang. Seine Augen leuchten. Samy setzt seine Sonnenbrille auf. Er schwenkt seinen Kopf, versucht Wellen zu empfangen wie ein swingender Stevie Wonder, schreitet mit ausgestreckten Händen vorwärts durch den dunklen Containerpark.

      Samy meint die Sache Ernst. Auch wenn sein Erscheinungsbild nicht darauf schließen lässt. Samy besitzt ganz sicher ein großes Reservoir geistiger Kräfte und er gebraucht sie folgerichtig für seine selbst bestimmten, ihm nützlichen Zwecke.

      Er schreitet also voran, biegt jetzt um einen Containerturm und ist für einen Moment meinem Blickfeld entzogen. Ungläubig stapfe ich ihm hinterher, schon ist er ein zweites Mal abgebogen.

      „Yes, man!“

      Was geht? Schnell bin ich bei Samy. Er steht vor dem Container mit der richtigen Nummer.

      „Rein da!“

      An der Seite befindet sich eine kleine Luke. Samy leuchtet mit der Taschenlampe ins Innere. Wir kriechen in den Container. Dort befinden sich ungefähr zwanzig übereinander gestapelte Kaffeesäcke.

      „Und nun?“

      „Aufschlitzen!“

      Samy hat sein Klappmesser aus der Tasche gezogen. Es dauert keine zwei Minuten, dann sind alle Säcke geöffnet und überall rinnt Kaffee. Wir durchwühlen Fluten aus Kaffee.

      Wir fluchen, scharren und schnaufen, dabei durchstöbern unsere Blicke die schwarze Masse.

      „Die haben uns verarscht, wo soll das Zeug denn bitte schön sein?“

      Doch plötzlich fühle ich einen runden Plastikbeutel in meiner Hand. Die Taschenlampe bestätigt den Fund: ein weißer Schimmer am Ende dieser Odyssee, ein weißer Glanz wie die Spitze eines Eisbergs auf einem gottverlassenen Ozean.

      „Yes, Mann!“

      Es sind fünfzehn Tüten. Wir packen die Beute in einen Kaffeesack und schon stehen wir wieder draußen in der kühlen Nacht im bekoksten Mondlicht. Der Wächter schaut weiter fern. Wir sind weg und mit uns fünfzehn Kilo Koks.

      3. Koksparty

      Wir sitzen in Samys Wohnzimmer. Auf dem flachen durchsichtigen Wohnzimmertisch steht eine Schale mit Kokain. Samy hat auf dem Tischrand zwei Lines gelegt.

      „Los – auf den Erfolg!“

      Wir rollen zwei Fünfzigeuroscheine zusammen und ziehen.

      „Fantastisches Material!“

      Samys Gesicht ist verzerrt wie nach langer mühseliger Anstrengung. Immer wieder zieht er das Zeug in der Nase hoch.

      „Merkst du wie es langsam in deinem Apparat da oben frisch wird? Mann, ich liebe es.“

      Es kribbelt in der Nase und tatsächlich: es wird frisch in meinem Kopf.