Verträumt. Alicia Witowski. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alicia Witowski
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738095869
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mir schwer, die Situation zu begreifen. Ist das ein hysterisches Lachen? Hört es sich für mich nur so an, oder klingt es tatsächlich böse? Was ist los mit mir? Ich beginne zu schwanken und das Lachen dringt immer gedämpfter zu mir, als würde ich mich immer weiter entfernen. Ich fühle mich taub und als würde ich auf einer kleinen Wolke davon schweben. Mein Kopf fühlt sich schwer an und in meinen Ohren rauscht es.

      Die Welt scheint sich um mich zu drehen, ich verliere das Gleichgewicht und falle nach hinten auf etwas Weiches. Mein Körper scheint sich diesem Untergrund anzuschmiegen und ich spüre nichts anderes mehr.

      Das Letzte, was ich realisiere, ist eine leise Stimme, die mir mit einem gehässigen Unterton zuflüstert: „Schlaf schön, mein Liebes.“

      Dann wird alles schwarz.

      100 Jahre später …

      Weiche Lippen auf meinen. Das ist das erste, was ich spüre. Es ist nur eine kurze, zärtliche Berührung, doch sie lässt mich wieder zu Bewusstsein kommen. Ich schlage die Augen auf und blicke in das Gesicht eines jungen Mannes. Schüchtern und mit einem leichten Lächeln auf dem Gesicht sehe ich ihn freundlich an. Er weicht mit seinem Kopf etwas zurück, dennoch schaut er mich grinsend an und mein ganzer Körper scheint zu kribbeln. Schmetterlinge tanzen in meinem Bauch und ich kann nicht aufhören zu lächeln.

      Doch plötzlich stürmen alle Erlebnisse auf mich ein: Die Treppe. Die Frau. Das Zimmer. Das Spinnrad. Die Spindel. Die Lache. Ich bekomme eine Gänsehaut.

      Schnell fahre ich hoch, werde jedoch sofort von einem heftigen Schwindelanfall überfallen, sodass ich mich direkt wieder hinlegen muss und mein persönlicher Held wieder an meiner Seite ist.

      „Dornröschen, alles in Ordnung? Geht es dir nicht gut?“, fragt er besorgt.

      „Du kennst meinen Namen?“, frage ich verwundert und reibe mir meine Augen, die sich noch wehren, offen zu bleiben.

      „Jeder kennt ihn. Schließlich hast du auch hundert Jahre geschlafen. Es wollten schon viele durch die dichte Dornenhecke, die sich um das Schloss bildete, dringen, doch sie sind alle gescheitert.“

      Ich weiß nicht, was ich zuerst denken oder tun soll. Hundert Jahre?! Mein Gott, wie mag ich nun wohl aussehen? Dornenhecke?

      In dem Moment deutet der mir noch immer namenlose, aber zweifelsohne sehr gut aussehende junge Mann nach draußen und ich habe das Gefühl, ich sei im Paradies. Überall wachsen wunderschöne rote Rosen und verleihen dem Schloss eine unbeschreiblich schöne und romantische Atmosphäre, die kaum zu beschreiben ist.

      „Und hab keine Angst, du siehst wunderschön aus“, höre ich da eine flüsternde Stimme dicht an meinem Ohr, die mir eine Gänsehaut beschert. Ich drehe meinen Kopf in seine Richtung , sodass unsere Nasenspitzen sich fast berühren und merke, wie mein Herz anfängt, stark zu pochen, als wolle es mir aus der Brust springen.

      „Verrätst du mir nun deinen Namen?“, hauche ich und sehe in seine wunderschönen blauen Augen.

      „Phillip. Prinz Phillip.“ Zärtlich streicht er mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und sieht mich lächelnd an.

      Ich bin unschlüssig, wie ich reagieren soll, doch er kommt mir zuvor: „Bitte, nenn mich einfach Phillip und vergiss den Prinzen.“ Ich nicke lächelnd. „Denn das ist unbedeutend. Ich würde dich genauso lieben, wärst du eine Magd, mein schönes Dornröschen.“

      Glücksgefühle strömen von meinem Bauch in meinen gesamten Körper und ich kann einfach nicht aufhören zu grinsen. Da umfasst Phillip meinen Kopf mit seinen Händen und küsst mich. In diesem Moment scheint die Zeit still zu stehen und ich wünsche mir, weitere hundert Jahre würden so vergehen.

      Als wir uns voneinander lösen, trifft mich ein Sonnenstrahl auf der Wange und die Wärme, die ich dort spüre, spüre ich im gesamten Körper.

      Vorsichtig taste ich mein Gesicht ab und Phillip fängt an zu lachen. „Ich habe dir doch gesagt, dass du wunderschön aussiehst.“ Schon im nächsten Augenblick wird er wieder ernst und sieht mich intensiv an. „Alles an dir ist perfekt.“ Ich merke, wie mir die Röte ins Gesicht steigt und wende meinen Blick ab. Vorsichtig versuche ich nun aufzustehen und als ich mit beiden Beinen auf dem Boden stehe, strömt alles auf einmal auf mich ein. Mutter. Vater. Was ist mit ihnen? Wieso habe ich hundert Jahre lang geschlafen? Ich bin zwar etwas müde, doch müsste ich mich nicht eigentlich ganz anders fühlen nach hundert Jahren? Müsste ich nicht alles noch mal neu lernen? Sprechen? Laufen? Mich bewegen? Müsste ich nicht eigentlich tot sein? Wie kommt es, dass ich während dieser hundert Jahre nicht gealtert bin?

      „… mich heiraten?“, höre ich da eine Stimme wieder in mein Bewusstsein dringen. Phillip sieht mich erwartungsvoll an und schon wieder färben meine Wangen sich rosarot.

      „Wie bitte?“, stammle ich und als ich in sein enttäuschtes Gesicht schaue, bekomme ich ein schlechtes Gewissen. „Tut mir leid, ich war ganz in Gedanken.“

      „Ich werde aber nicht alles wiederholen, was ich soeben gesagt habe“, meint er und grinst mich an. Erleichtert atme ich aus und gehe zwei Schritte auf ihn zu. „Dann wiederhole nur das Wichtigste“, flüstere ich. Phillip schluckt.

      „Mein liebes, wunderschönes Dornröschen“, haucht er, „möchtest du meine Frau werden?“

      In diesem Moment ist alles andere egal. Es existieren nur wir beide. Nur er und ich. Anstatt zu antworten, beuge ich mich zu ihm und küsse ihn erneut; dies scheint mir Antwort genug. „Aber ich muss erst Vater bitten“, meine ich dann und Angst durchflutet mich. Angst, er könnte etwas dagegen haben. Doch in Phillip habe ich meine andere Hälfte gefunden. Es scheint, als würden wir uns schon viel länger kennen, uns schon unser gesamtes Leben lang lieben.

      „Komm, ich möchte nach Vater und Mutter sehen. Schließlich habe ich hundert Jahre geschlafen.“ Dieser Gedanke versetzt meinem Herzen einen Stich und ich sehne mich urplötzlich nach meinen Eltern. Ohne auf Phillip zu warten, öffne ich die Tür und gehe die Treppe hinunter. Dabei stolpere ich einmal fast über mein Kleid und muss mich an der steinernen Wand festhalten. Hier halte ich einen Moment inne. Wie konnte es nur so weit kommen? Die mysteriöse Treppe. Die alte Dame. Was hat es mit all dem auf sich? Augenblicklich läuft mir ein kalter Schauer über den Rücken und ich fröstle. Ich habe das Gefühl, eine eisige Hand streift mich am Rücken, doch den einzigen, den ich entdecke, ist Phillip, der mich liebevoll anlächelt. Schnell gehe ich weiter, schaue in dem Gemach meiner Eltern nach und gehe dann weiter in die Küche.

      Von einer Sekunde auf die andere bleibe ich wie angewurzelt stehen. Hier sieht alles noch genauso aus wie ich es in Erinnerung habe. Susanna ist mit der Creme, die ich gekostet habe, beschäftigt und die prachtvolle Torte strahlt noch immer in demselben Glanz. Verdutzt sehe ich mich um, als Susanna mich erblickt.

      „Dornröschen“, ruft sie und kommt auf mich zugeeilt. „Mein Liebes, wie geht es dir?“ Ehe ich antworten kann, muss ich mich aus ihrer festen Umarmung befreien. „Was ist hier los, Susanna? Wo sind Vater und Mutter?“

      Ich bemerke ihr Zögern, doch ehe eine von uns etwas erwidern kann, höre ich Stimmen aus dem großen Saal dringen und ich drehe mich auf dem Absatz um.

      „Vater! Mutter!“, rufe ich, als ich die beiden am anderen Ende des Saals sehe.

      Wir laufen aufeinander zu und fallen uns unter den funkelnden Kronleuchtern in die Arme.

      „Dornröschen, mein Engel, geht es dir gut?“

      „Du hast dich an einer Spindel gestochen, nicht?“

      „Wie fühlst du dich?“

      „Wo ist die alte Hexe?“

      „Schätzchen, brauchst du irgendetwas?“

      „Wer ist das?“

      Meine Eltern stellen zu viele Fragen auf einmal, ihre Stimmen dringen viel zu laut und zu schnell in meine Ohren und ich fühle mich