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»Ach«, klagte sie fast weinend: »der ist ganz klein,
der schadet mir nicht zu viel! Helfe mir Gott! der, den
Ihr schon ausgeschnitten habt, der war an allem Schaden
Schuld. Ich bin alles Zornes ledig, und will still
sein, laßt nur den andern ungeschnitten.«
Da sprach die Tochter heiter zu ihrem Gatten: »Bedenket
wohl, was Ihr tut; ich fürchte, wenn auch der
andere Zornbraten nicht herfürkömmt, so ist die große
Arbeit an dem einen verloren, und am Ende bekommt
der andere Zombraten Junge, so Ihr den nicht auch
ausschneidet.«
»Nein, nein, liebe Tochter!« rief die Mutter,
»sprich ihm doch zu, daß er mich unversehrt lasse, ich
will ja gut sein!«
»Frau Mutter«, antwortete die junge Frau: »Ihr
gabt mir den Rat, wider meinen Mann zu streiten, ihm
nicht untertan zu sein; darum, und daß sie meinem
Vater so übel mitgespielt, schneidet nur ihren Zornbraten
aus!« Und da griff der Ritter zum andern an,
jene aber schrie: »Nein, nein! Es ist mehr als genug!
Tochter, denke, daß ich dich unterm Herzen getragen,
und gewinne mir Frieden von deinem Manne! Ich will
beschwören, daß ich gütevoll leben will, und der
milde und gerechte Gott behüte mich vor Zorn. Den
großen Zorn hat mir der Ritter schon genommen, und
der kleine ist keines Eies wert zu achten!«
»Wohl«, sprach der Ritter, »begehrt sie Friedens,
so lasse ich ab von ihr, doch gelobe sie zur Hand, daß
wenn sie den Zorn nicht meidet, sie sich aber will
schneiden lassen.« Hierauf ward sie aufgehoben und
ihre Wunde verbunden.
Und die Frau warf allen Krieg und Hader unter die
Füße, wurde ein gut sittig Weib, ließ ab von ihrer
bösen Heftigkeit, und als der andere Tag kam, nahm
sie Urlaub mit ihrem Mann von dem Schwiegersohn,
und er wünschte ihr, daß Gott sie bewahren möge vor
allem Übel.
Wenn sie nun nach der Hand dennoch noch manchmal
etwa ein Wörtlein oder mehr zu ihrem Manne
sprach, das ihm leid und unlieb war, so durfte er nur
sagen: »Ich kann mir nicht helfen, ich muß nach unserm
Tochtermann senden«, so wurde sie rot vor
Furcht und sprach: »Es ist nicht not darum, sein
Kommen wäre mir nicht zum Heile. Ich habe ja Mut
und Sinn, zu tun, was Euch lieb ist, und rate auch
allen Frauen, daß sie ihren Männern das entbieten,
was ich jetzt dem meinen, so sie nämlich in Frieden
bestehen wollen.«
Damit hat diese Mär ein Ende, und kann davon
eine beliebige Nutzanwendung jeder Mann und jede
Frau sich selbst machen. Der alte Dichter aber, der
diese Mär erzählt, gibt noch folgenden Rat:
Wenn wer ein übel Weib hat,
Der tu sich ihr'r in Zeit ab,
Empfehl sie dem Ritter,
Und leg sie auf ein'n Schlitten,
Und kauf ihr ein Bästchen,
Und henk sie an ein Ästchen.
Und henk dabei
Zwei Wölf oder drei.
Wer sah dann ein'n Galgen
Mit böseren Balgen?
Es sei denn, daß wer den Teufel fing,
Und ihn auch dazwischen hing.
Das Nußzweiglein
Es war einmal ein reicher Kaufmann, der mußte in
seinen Geschäften in fremde Länder reisen. Da er nun
Abschied nahm, sprach er zu seinen drei Töchtern:
»Liebe Töchter, ich möchte euch gerne bei meiner
Rückkehr eine Freude bereiten, sagt mir daher, was
ich euch mitbringen soll?« Die Älteste sprach: »Lieber
Vater, mir eine schöne Perlenhalskette!« Die andere
sprach: »Ich wünschte mir einen Fingerring mit
einem Demantstein.« Die Jüngste schmiegte sich an
des Vaters Herz und flüsterte: »Mir ein schönes, grünes
Nußzweiglein, Väterchen.« – »Gut, meine lieben
Töchter!« sprach der Kaufmann, »ich will mir's aufmerken
und dann lebet wohl.«
Weit fort reisete der Kaufmann, und machte große
Einkäufe, gedachte aber auch treulich der Wünsche
seiner Töchter. Eine kostbare Perlenhalskette hatte er
bereits in seinen Reisekofier gepackt, um seine Älteste
damit zu erfreuen, und einen gleich wertvollen Demantring
hatte er für die mittlere Tochter eingekauft.
Einen grünen Nußzweig aber konnte er nirgends gewahren,
wie er sich auch darum bemühte. Auf der
Heimreise ging er deshalb große Strecken zu Fuß, und
hoffte, da sein Weg ihn vielfach durch Wälder führte,
endlich einen Nußbaum anzutreffen; doch dies war
lange vergeblich, und der gute Vater fing an betrübt
zu werden, daß er die harmlose Bitte seines jüngsten
und liebsten Kindes nicht zu erfüllen vermochte.
Endlich, als er so betrübt seines Weges dahinzog,
der ihn just durch einen dunkeln Wald, und an dichtem
Gebüsch vorüberführte, stieß er mit seinem Hut
an einen Zweig, und es raschelte, als fielen Schlossen
darauf; wie er aufsah, war's ein schöner, grüner Nußzweig,
daran eine Traube goldner Nüsse hing. Da war
der Mann sehr erfreut, langte mit der Hand empor und
brach den herrlichen Zweig ab. Aber in demselben
Augenblicke schoß ein wilder Bär aus dem Dickicht
und stellte sich grimmig brummend auf die Hintertatzen,
als wollte er den Kaufmann gleich zerreißen. Und
mit furchtbarer Stimme brüllte er: »Warum hast du
meinen Nußzweig abgebrochen, du? warum? ich
werde dich auffressen.« Bebend vor Schreck und zitternd
sprach der Kaufmann: »O lieber Bär, friß mich
nicht, und laß mich mit dem Nußzweiglein meines