Präsident Lincoln war mit den politischen Verhältnissen in unserer Gegend aus eigener Erfahrung bestens vertraut, da seine alte Heimat, Springfield, die Hauptstadt des Staates, nicht weit entfernt lag und er zweifellos jeden halbwegs prominenten Mann in unserem Wahlbezirk kannte. Was er brauchte, waren Soldaten, ungeachtet deren politischer Ansichten und so war es in dieser Gegend notwendig, den Anhängern der Demokraten einige spezielle Anreize zu bieten. Es war allgemein bekannt, dass dies einer der Gründe war, warum General Jacob Fry aus Greene County, ein gebürtiger Kentuckianer und lebenslanger Demokrat, dazu auserwählt wurde, jenes Regiment zu rekrutieren, organisieren und als Colonel anzuführen, das in den oben genannten Counties und deren Umgebung aufgestellt werden sollte. Doch auch unabhängig von politischen Erwägungen wurde die Auswahl von General Fry als sehr gut und angemessen erachtet. Er war ein Alteingesessener, seit seiner Kindheit ein Einwohner von Greene County, hatte als dessen Sheriff gedient und diverse weitere verantwortungsvolle Ämter bekleidet. Außerdem hatte er, was als noch wesentlich wichtiger galt, tapfer und treu im Black Hawk Krieg in den Jahren 1831-32 gedient, wo er den Rang eines Colonels innegehabt hatte. Bald nach Ende dieses Indianeraufstandes war er zum Brigadier-General und später zum Major-General der Miliz von Illinois ernannt worden. Er war ein stattlicher alter Herr von gemäßigten Umgangsformen, strikter Integrität und unerschütterlicher Tapferkeit. Allerdings war er bereits 62 Jahre alt und dies stellte sich als ein Faktor heraus, der schließlich zu seinem Ausscheiden aus der Armee beitrug, wovon noch die Rede sein wird.
Das Jahrmarktgelände etwa 800 Meter östlich von Carrollton, dem Verwaltungssitz von Greene County, beherbergte das Ausbildungslager von Colonel Frys Regiment. Die Rekrutierungsmaßnahmen begannen gegen Ende September, aber sie kamen nur schleppend voran. Einige der Jungs aus meiner Nachbarschaft hatten sich bereits bei anderen Regimentern verpflichtet und allgemein hatte sich der verlockende Glanz des freiwilligen Armeedienstes bereits einigermaßen abgenutzt. Kompanie "F" der 14th Illinois Infantry war fast vollständig in Jersey County rekrutiert worden und mehrere meiner alten Schulfreunde waren in dieser Kompanie. Kleine Grüppchen hatten sich anderen Regimentern angeschlossen. Sowohl in der 22nd und 27th Illinois Infantry als auch in der 9th Missouri Infantry (später in 59th Illinois Infantry umbenannt) dienten einige Männer und Jungs aus unserer Gegend des Countys.
In der nordwestlichen Ecke von Jersey County, an der Grenze zu Greene County, lebte ein alter Farmer namens John H. Reddish. Auch er hatte im Black Hawk Krieg gekämpft und zwar unter dem Kommando von Colonel Fry. Der höchste Rang, den er in dieser Affäre erreichte, war der eines Corporals, aber unabhängig davon lässt sich mit Gewissheit sagen, dass er ein wackerer Kämpfer war. Sobald es sich herumgesprochen hatte, dass Colonel Fry ein Regiment unter seiner Führung aufstellte, machte sich der alte John Reddish sogleich daran, eine Kompanie für das Regiment zu organisieren. Der Umstand, dass er als Soldat im Black Hawk Krieg gedient hatte, verhalf ihm zu einigem Ansehen und seine militärische Qualifikation galt als über jeden Zweifel erhaben. Tatsächlich galt damals beinahe jedermann von gutem Ruf und wachem Geist, der im Black Hawk Krieg oder im Mexikokrieg gekämpft hatte, als tauglich und idealer Kandidat für einen Offiziersposten oder zumindest einen höheren Unteroffiziersposten. Es sollte sich jedoch zeigen, dass diese Annahme irrig war. Selbstverständlich gab es Ausnahmen, aber allgemein lässt sich sagen, dass die Teilnahme an der Black Hawk Affäre einen Mann nicht im Geringsten zur Ausübung der Pflichten eines Offiziers im Bürgerkriege befähigte. Captain Reddish war eine gute Seele und so tapfer wie eine wilde Bulldogge, allerdings verfügte er, abgesehen von seinem persönlichen Mut, über keinerlei militärische Qualitäten und vermochte sich während seiner gesamten Dienstzeit auch keine anzueignen. Er war nicht in der Lage, sich die verschiedenen Drillübungen einzuprägen, mit Ausnahme der einfachsten Kompaniebewegungen; zudem war er ausgesprochen ungebildet und konnte kaum seinen eigenen Namen schreiben. Seine Kommandos beim Drill waren vollkommen lächerlich, so ergänzte er beispielsweise sein einfaches "links schwenkt" oder "rechts schwenkt" Kommando mit den Worten: "Schwenkt herum, Jungs, genauso wie ein Hoftor." Wir schämten uns zutiefst für ihn ob dieser Aussprüche, während die Männer der anderen Kompanien stets in Gelächter ausbrachen und über unseren Captain spotteten. Er hätte einen erstklassigen Sergeant abgegeben und es ist dies auch der höchste Rang, den er kompetent hätte ausfüllen können. Man muss jedoch sagen, dass er ein aufrichtiger alter Herr und von glühendem Patriotismus beseelt war. Er respektierte Mut und verachtete Feigheit und sein gesamter Charakter machte es seinen Männern unmöglich, ihn nicht zu mögen.
Captain Reddish ernannte Enoch W. Wallace aus meiner Nachbarschaft zum First Sergeant (oder Ordonnanzsergeant, wie der Posten allgemein genannt wurde). Enoch, wie wir ihn für gewöhnlich nannten, war ein alter Bekannter und enger Freund meiner Eltern und ich kannte ihn bereits seit meiner frühen Kindheit. Alles in allem war er einer der besten Menschen, die ich jemals kennengelernt habe. Er hatte als Soldat im Mexikokriege gedient, aber aufgrund seiner Jugend (er war bei Ausbruch dieses Krieges erst 16 Jahre alt) glaube ich, dass seine Dienstzeit erst kurz vor Kriegsende begann und entsprechend kurz war. Trotzdem hatte er einiges über den Kompaniedrill gelernt. Als ich hörte, dass Wallace der First Sergeant von Captain Reddishs Kompanie werden sollte, fasste ich sogleich den Entschluss, in eben diese Kompanie einzutreten und erzählte meinem Vater von dieser Absicht. Er hörte mir schweigend zu, wobei sein Blick starr den Fußboden fixierte. Schließlich sagte er: "Nun, Leander, wenn du es für deine Pflicht hältst, dich zu melden, so werde ich es dir nicht untersagen. Du bist aber der einzige Junge hier, der alt genug ist, bei der Arbeit zu helfen, also hoffe ich, dass du noch warten kannst, bis wir den Weizen ausgesät und den Mais eingebracht haben. Wenn du dann noch immer zu den Soldaten willst, so magst du gehen." Ich war mir sicher, dass das Regiment nicht vor dem Ende dieser Arbeit zur Front aufbrechen würde und so erklärte ich mich sogleich einverstanden.
Zu dieser Zeit ereignete sich etwas, das mich in meinem Verlangen, in das Heer einzutreten, noch weiter bestärkte. Harvey Edsall, ein Bursche aus der Nachbarschaft, der vier oder fünf Jahre älter war als ich, hatte sich im Sommer bei der 22nd Illinois Infantry eingeschrieben. Mit seinem Regiment hatte Harvey am 7. November 1861 an der Schlacht von Belmont teilgenommen und dort eine recht ernsthafte Schusswunde an der Wade erlitten. Sobald er wieder reisefähig war, wurde er auf Genesungsurlaub nach Hause geschickt und ich traf ihn kurz nach seiner Ankunft im Hause seines Vaters, wo sich die Gemeinde versammelt hatte, um einer Predigt aus der Heiligen Schrift durch den ehrenwerten Harrison Rowden beizuwohnen. (Wir verfügten damals über kein eigenes Kirchengebäude und so wurde der Gottesdienst in Wohnhäusern abgehalten.) Harveys Genesung schritt rasch voran, aber sein versehrtes Bein war noch immer mit Verbänden umwickelt und er humpelte auf Krücken umher. Ich entsinne mich noch genau, wie wir Jungen in seiner Nähe standen und ihn mit unverhohlener Bewunderung anstarrten. Er musste uns die Geschichte von der Schlacht und den näheren Umständen seiner Beinverwundung wieder und wieder erzählen, bis er es wahrscheinlich gründlich leid war, aber zumindest ich konnte Harveys Geschichte nicht oft genug hören und irgendwie pflanzte sie mir den Gedanken ein, das einzige erstrebenswerte Leben sei das eines Soldaten zu Kriegszeiten. Die Vorstellung, zuhause zu bleiben und sinnlos den Ackerboden unserer Farm zu pflügen, während die Kanonen in einer solchen Nähe donnerten, dass die alten Männer behaupteten, sie könnten manchmal das Schießpulver riechen, wenn der Wind aus südlicher Richtung wehte! Es erschien mir einfach unerträglich.
Während du diese Erinnerungen eines alten Mannes liest, bedenke stets, dass ich lediglich versuche, dir eine Vorstellung von den Gedanken, Gefühlen, Hoffnungen und Ambitionen eines zu der damaligen Zeit gerade einmal 18 Jahre alten Jungen zu vermitteln.
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