Der Fluch von Azincourt Gesamtausgabe. Peter Urban. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Peter Urban
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847695806
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Hälfte der Kriegsflotte des Ordens in Sicherheit, sondern auch den größten Teil ihres Schatzes: das Silbers und das Gold, das sie kaum eine Woche bevor Phillipe, de Molay und de Charnay festnehmen ließ übers Meer geschickt haben. Sinclair ist hinterher niemals wieder irgendwo in der bekannten Welt aufgetaucht. Mein Großvater hat sogar Spione nach Schottland geschickt, als Robert the Bruce allen Templern, die es wünschten ohne irgendwelche Bedingungen an sie zu stellen Zuflucht in seinem Reich gewährte.“

      „Wenn ich mich richtig erinnere, dann war es doch genau diese portugiesische Hypothese gewesen, um deren Willen sich mein Großvater und Aodrén damals zerstritten hatten. Und auch mein Vater glaubte nicht daran und der Streit, den Aodrén vom Zaun gebrochen hatte, ging mit ihm ohne Unterlass munter weiter“, sagte Chaulliac lakonisch, „ denn sowohl mein Vater, als auch mein Großvater vertraten die Auffassung, dass es der Vertrauensmann von Jacques de Molay selbst gewesen war, der die Übersetzung des Abraham-Manuskriptes entwendet hat. Aodrén jedoch, tat ihn nur als einen unwichtigen Handlanger ab, unwissend und dumm; ein paar breiter Schultern und ein scharfes Schwert, weiter nichts. Ein Kriegshund, den de Molay zur Bewachung seiner Unterlagen abkommandiert hatte. Doch dieser Mann alleine hatte jede Gelegenheit, die Truhe unbeobachtet zu öffnen und das Manuskript zu entnehmen. Lediglich de Molays Testament hat versiegelt in der Kiste gelegen; alle anderen Dokumente wurden Villanova in gebundener Form übergeben, mit soliden Umschlägen aus Leder und genauen Inhaltsverzeichnissen. Der Kerl ging kein besonders großes Risiko ein, nur weil er den Inhalt von de Molays Testament nicht kannte. Er muss im Auftrag einer Splittergruppe im Inneren des Templerordens selbst gehandelt haben. Er stammte aus Okzitanien, aus dem Pays d'Oc...so viel ist sicher, auch wenn niemand je herausfand, wie er wirklich hieß oder zu welcher Familie er gehörte hat. Wir haben aber stichhaltige Beweise dafür gefunden, dass diese Splittergruppe der Templer nicht nur real existiert hat, sondern ebenfalls einen Plan vorbereitete, sich ganz Südfrankreichs zu bemächtigen und es zu einem unabhängigen Reich zu erheben, genauso, wie die Ritter des Deutschen Ordens es im Osten getan hatten, oder die Hospitaler auf der Insel Rhodos. Der Templerorden ist in den Jahren gleich nach seiner Gründung in den Provinzen von der Garonne bis an die Rhone schnell gewachsen und er war gründlich von Parteigängern der Reinen und von Credentes unterwandert worden…bis ganz nach oben in die höchsten Ämter und Würden…Männer aus den Familien Tranceval, de Montreal, Foix, Blanchefort, Verwandte der Grafen von Toulouse…’

      VI

      Maeliennyd seufzte zufrieden, als sie endlich wieder vor der Tür zu ihrem Gemach stand. Der lange Spaziergang im Wald hatte ihr gut getan und nicht einmal der Gedanke an die Unterhaltung mit Aodrén vermochte ihre wunderbare Laune zu beeinflussen. Ihre Kammerfrau döste auf der Bank am Fenster, fest in ihren Umhang gewickelt, obwohl es selbst hinter den dicken Mauern der Festung überhaupt nicht mehr kalt war. Die anderen Dienstleute waren bereits verschwunden, um sich im Innenhof der umtriebigen Festung oder in der kleinen, bunten Zeltstadt, die sich für ein paar kurze Frühlingstage vor den Mauern von Carnöet eingerichtet hatte mit Freunden, Verwandten und Bekannten zu treffen, die aus der ganzen Umgebung und aus den grenznahen Dörfern der Bretagne gekommen waren. Ihr Gemahl verbrachte die Stunden bis zum Einbruch der Dunkelheit vermutlich mit seinem alten Freund Guy de Chaulliac, der inzwischen aus Concarneau eingetroffen war und ihre Frauen mussten sich bereits hinunter auf die große Wiese begeben haben, wo Ambrosius Arzhur in wenigen Stunden seine Gefolgsleute und Vasallen zu einem großen Festschmaus einladen würde. Maeliennyd blickte noch einmal auf ihre Kammerfrau: Hatte sie etwa den ganzen schönen Tag hier verschlafen, während sie auf die Rückkehr ihrer Herrin gewartet hatte?

      Die Herzogin zuckte die Schultern. Sie würde Bran’wen heute nicht mehr brauchen und ankleiden konnte sie sich auch ohne fremde Hilfe. Sie weckte die Alte, die sich mürrisch aufrappelte und dann auf den Weg zu ihrer eigenen Kammer am Ende des Flures machte. Dann ging sie in ihr Gemach. Dort zog Maeliennyd sich einen gemütlichen Lehnstuhl neben einen kleinen Tisch, auf dem in einer großen Schale getrocknetes Obst und ein paar kandierte Süßigkeiten aus Al Andalus für sie hergerichtet worden waren. Zufrieden seufzend legte sie die Füße auf einen Hocker und schloss die Augen. Sie wollte sich ein wenig ausruhen, bevor sie sich für das Fest vorbereitete.

      VII

      Ambrosius verzog leicht das Gesicht, doch er beherrschte sich. Sie hatten den Felsengarten zwischenzeitlich verlassen und lediglich der leere Krug Wein und die beiden benutzten Becher auf der Bank neben der Quelle erinnerten noch daran, dass sie sich lange dort unterhalten hatten. Es machte keinen Sinn den alten Streit wieder aufleben zu lassen…nicht einmal um den Preis eines solch außergewöhnlichen Geheimnisses. Die verschwundene Übersetzung der Templer hatte innerhalb der weißen Bruderschaft während der letzten einhundert Jahre für zu viel Zwist und Streit gesorgt.

      „Die Theorien Deines Vaters und Deines Großvaters in Ehren, Guy“, erwiderte der Herzog darum sehr vorsichtig, während sie Seite an Seite über den Innenhof der Festung zum Wohngebäude schritten. Hier bestand keine Gefahr von irgendjemandem versehentlich belauscht zu werden. Carnöet und die grasbewachsene, freie Fläche, die sich auf einer Seite der Festung bis hinab zum Fluss erstreckte glichen einem Bienenschwarm. Alles war aufgrund der Vorbereitungen für das Fest nur Aufruhr und ein ständiges Kommen und Gehen, “…doch aus welchem Grunde hätten sich Bernard Délicieux und die Carcassoner damals um Beistand ausgerechnet an den schwachen König Ferdinand von Mallorca wenden sollen, wenn sie doch den mächtigen Orden des Tempels zum Verbündeten gehabt hätten. Außerdem; die Reinen des Languedoc waren zur Zeit des Falles der Templer bereits im Wesentlichen ausgerottet…die Inquisition…“

      Ambrosius hielt mit einer kurzen Handbewegung eine vorbeieilende Magd auf, die einen riesigen Korb mit kleinen, ofenfrischen Broten balancierte. Lächelnd stibitzte er dem Mädchen ein Gebäck, brach es und streckte die eine Hälfte Chaulliac hin. Dabei blitzte am Handgelenk seines sehnigen, dunklen Armes kurz ein quadratisch geschliffener, blutroter Stein in der Sonne auf, der die Mitte eines schmalen, silbernen Reifes mit scheußlichen Totenköpfen und merkwürdigen Schriftzeichen schmückte.

      Guy bedankte sich, biss genüsslich von der harten, duftenden Kruste ab, kaute eine Weile und nickte schließlich. „Was Du sagst ist natürlich richtig, Ambrosius. Und trotzdem wissen wir immer noch nicht, was in den fünfzig Jahren zwischen dem Diebstahl und dem erneuten Auftauchen des Manuskriptes wirklich geschehen ist. Auch Nicolas Flamel konnte mir dazu keine Auskunft geben. Er hat das Grimoarium erst im Frühsommer des Jahres 1357 von diesem Pfandleiher gekauft. Er erzählte mir, dass ihm zuerst lediglich die Reliefs auf dem kupferbeschlagenen Einband ins Auge gesprungen waren. Nicolas öffnete den Schutzeinband noch in der Bude des Verkäufers und als er feststellte, dass es sich um ein unbeschädigtes Manuskript in allerbestem Zustand handelte, zögerte er nicht es zu kaufen...allerdings ohne dem Mann anzuvertrauen, welcher wahre Schatz sich da zufällig unter lauter Abfall und wertlosen Metallteilen versteckt hatte. Er bezahlte gerade einmal 2 Deniers für die Handschrift…ein lächerlicher Preis.“

      „Und Du bist Dir wirklich ganz sicher, dass es unsere verschwundene Übersetzung ist und nicht nur“, Ambrosius zögerte kurz, „...irgendeines dieser verrückten Werke, die schlaue Fälscher eins ums andere in Al Andalus herstellen, damit sie dann für schweres Gold an irgendwelche Leichtgläubige auf der anderen Seite der Pyrenäen verkaufen werden können.“

      Chaulliac schüttelte den Kopf. Er hatte das frische Brot gegessen. Ihm wurde bewusst, wie sehr seine Kehle vom vielen Reden und von der Wärme des Tages ausgetrocknet war. Als Ambrosius von Cornouailles an ein paar müßig herumlungernden Wachleuten vorbei den Weg hinauf in die herzoglichen Gemächer einschlug, folgte Guy ihm bereitwillig. „Nein“, erwiderte er bestimmt und dachte, dass ihm jetzt selbst einer der unheimlichen Wächter von Barc'h Hé Lan willkommen wäre, wenn er nur neuen Wein oder einen großen Krug kalten Apfelmostes mitbrächte, „bei dem Grimoarium von Nicolas Flamel muss es sich um die echte Templer-Handschrift handeln. Jedes Detail entspricht der Beschreibung aus dem Testament von Jacques de Molay. Ich habe sogar den Fluch von Abraham Eleazar gelesen und auch diese seltsame Miniatur entdeckt, von der de Molay spricht und die Bernard de Clairvaux zusätzlich in die Übersetzung eingefügt hat.“

      Der Okzitanier schloss kurz die Augen, „Ich bin Abraham Eleazar der