Er hatte es zum ersten Mal in der Nacht von Azincourt getan, nachdem er den Barbaren aus Cornouailles totgeschlagen hatte. Sie waren damals mit ihrer Beute triumphierend von dem blutigen Feld verschwunden. Der Großvater hatte ihn gelobt und geherzt und er hatte ihm erlaubt, den Sieg mit den Waffenleuten zu feiern. Er hatte seinen ersten Mann eigenhändig totgeschlagen...ohne mit der Wimper zu zucken.
Sie hatten ihn in dieser Nacht als einen richtigen Mann in ihrem Kreis akzeptiert, mit ihm getrunken und gelacht. Und als de Kerma’dhec ihn umarmt, geküsst und gestreichelt hatte, da hatte er es zum ersten Mal gespürt, dieses Pochen. Es war so wild gewesen, dass er geglaubt hatte zu zerspringen. Doch de Kerma’dhec hatte ihn mit zu sich in sein Zelt genommen und ihn gelehrt, wie man sich Erleichterung verschaffte. Gilles hatte es genossen...auf die eine Art und auf die Andere. Hinterher hatte er es dann auch noch mit einem Mädchen ausprobiert, einer kleinen Küchenmagd aus dem Tross von Champtocé. Die Waffenleute hatten sie ihm gebracht. Zuerst hatte ihm einer von ihnen gezeigt, wie man es einem Weib richtig besorgte: Sie hatten alle zugeschaut. Der Mann hatte laut gegrunzt und gestöhnt, während die Kleine sich in de Kerma’dhecs Zelt unter seinen harten Stößen wie ein Aal gewunden und vor Lust geschrien hatte. Dann war Gilles an der Reihe gewesen. Die Kleine hatte noch ganz feucht, schlüpfrig und lüstern vor ihm gelegen und sie hatte sich viel Mühe gegeben ihm zu gefallen. Er hatte es genossen, obwohl es irgendwie nicht dasselbe war, wie mit einem echten Kerl. Ab und an, wenn sich niemand anders fand, dann lies er die Kleine aus der Küche von Champtocé holen und bestieg sie: Ihre prallen Brüste und ihr runder Hintern erregten ihn. Es gefiel ihr, wenn er sie hart anpackte. Sie ließ sich von hinten nehmen, wie eine Stute. Aber vor allem schreckte sie vor keiner neuen Erfahrung zurück, die man in einem Bett machen konnte. Gilles spürte schmerzhaft die Härte zwischen seinen Beinen. Allein schon der Gedanke an die Jagd hatte ausgereicht. Zuerst würde er sie holen lassen...für diese Nacht. Und morgen, beim ersten Tageslicht würde er mit seinen Halunken losreiten und sich richtig amüsieren. Der junge Mann atmete tief durch, um sich ein wenig unter Kontrolle zu bringen, dann grinste er de Craon an, dem die Erregung seines Enkels und die harte Schwellung in dessen enger Lederreithose natürlich nicht verborgen geblieben war.
„Der Mann aus Anjou kann ja auf seine Art arbeiten, und wir beide werden es nebenher zur Sicherheit noch auf unsere Weise versuchen“, er nahm dem Großvater das Stück Kreide aus der Hand und lies sich gutgelaunt auf den Knien nieder. Geschickt zog er die Linien eines Dreiecks der Kunst auf den Steinboden. In dessen Mitte zeichnete er einen Kreis. Dann schrieb er an jeder Seite des Dreiecks griechische Worte: Tetragrammon, Primeumaton und Anaphaxeton. Zuletzt spaltete er den Namen des Erzengels Michael in drei Silben und schrieb sie umgekehrt um den Kreis.
De Craon schüttelte belustigt den Kopf und wandte sich zum Gehen: „Ich werde Dich wohl nicht weiter stören, mein lieber Junge. Vergnüg Dich nach Herzenslust mit der Kleinen aus der Küche. Dir scheint es danach zu sein. Und morgen früh, bevor Du aufbrichst, denk daran zu mir zu kommen und einen alten Mann zu umarmen.“ Als Jean die schwere Eichentür zu seinem Laboratorium schloss, hörte er seinen Enkel bereits eine alten und bewährten Zauber murmeln, der einem Mann Ausdauer und einem Weib höllische Lust verlieh.
III
Sidonius hatte entgegen seiner früheren Pläne die kürzeste Strecke von Champtocé nach Concarneau gewählt und nicht die bequeme, gut ausgebaute Straße über Nantes und Vannes genommen. Während er sich in einem höllischen Tempo seinen Weg über Pisten und durch menschenleere Waldgebiete bahnte, die höchstens besonders tollkühne Kriegsleute oder verzweifelte Gesetzlose einschlugen, wenn sie keine andere Möglichkeit mehr hatten ihren Verfolgern zu entkommen, beglückwünschte er sich mit jeder zurückgelegten Leuge dazu, dass er damals in Paris den Mut gefunden hatte ein wirklich ausgezeichnetes Pferd zu stehlen. Das Tier war zäh, ausdauernd und trittsicher, wie ein Maultier und es trug seinen Reiter von Sonnenaufgang bis zum Einbruch der Nacht, ohne sich je zu beklagen.
Der Herzog von Cornouailles war im ersten Augenblick zwar leise verwundert gewesen an einem sonnigen Spätsommermorgen in der Halle seines Palas einen Mann anzutreffen, den er eigentlich wohlversorgt und sicher am Collegium Sorbonianum in Paris geglaubt hatte, aber er zögerte trotzdem nicht, den erschöpften, ungewaschenen und zerrissen wirkenden Sidonius sofort anzuhören. Nachdem der Benediktiner in wenigen, präzisen Worten erläutert hatte, warum er Paris hinter sich gelassen hatte, um alleine und unbewaffnet einen weiten und gefährlichen Ritt durch ein von Krieg zerrissenes Land zu unternehmen, wurde Ambrosius Arzhur mit einem Mal sehr bleich und sehr still. Als er den ersten Schrecken überwunden hatte, rief er nach dem Truchsess.
Sidonius staunte nicht wenig, als er am nächsten Morgen einem Mann vorgestellt wurde, in dem er mühelos den unheimlichen, raubvogelartigen Professor Anselmus von Vannes erkannte, dem er bei der Grablegung von Nicolas Flamel zum ersten Mal begegnet war. Doch Ambrosius Arzhur de Cornouailles gab ihm einen ganz anderen Namen.
Inquisitoren verfolgten Guy de Chaulliac seit ein paar Jahren erbarmungslos, weil er es einmal gewagt hatte, die Kirche direkt herauszufordern und ohne eine erzbischöfliche Genehmigung an der Universität von Montpellier eine öffentliche Autopsie an einem Hingerichteten vorzunehmen. Auch ohne diese Provokation hatte er damals bereits schlechte Karten gehabt: Die Chirurgie wurde nicht als gleichberechtigt mit der Medizin angesehen und Chirurgen galten als unziemlich und unehrenhaft. Außerhalb Italiens konnten Wundärzte nur noch in Montpellier eine eigene Universitätsausbildung genießen. Ansonsten blieb ihnen lediglich, bei einem fahrenden Bader oder Feldscher in die Lehre zu gehen und deren Ruf war für gewöhnlich noch miserabler, als der eines Chirurgen. Als sogenannten Leichenschänder erwartete Chaulliac bereits von weltlicher Seite der Richtblock. Als Mann der Wissenschaften, der öffentlich Thesen vorgetragen hatte, die der kirchlichen Hierarchie verhasst waren, musste er zusätzlich damit rechnen, dass man im Falle seiner Festnahme die Autopsie von Montpellier eilig vergessen würde, um ihm sogleich den Prozess wegen Häresie zu machen, womit Guy der rotglühende Scheiterhaufen gewiss war.
Sidonius konnte nur annehmen, dass Chaulliac selbst an der großen und verhältnismäßig anonymen Pariser Universität am Ende der Boden unter den Füssen zu heiß geworden war. Er hatte verstanden, dass der Mann sich schon verhältnismäßig lange im Fürstentum von Ambrosius Arzhur aufhielt, wo er nicht nur Schutz vor seinen Verfolgern fand, sondern offensichtlich auch die äußerste Wertschätzung und Protektion des Herrschers hatte.
Ambrosius und sein verfemter und etwas unheimlich wirkender Freund hatten am Anfang lange die Köpfe zusammengesteckt und leise miteinander getuschelt. Sidonius fühlte, dass sie in diesen Stunden abgewogen hatte, wie weit man ihn ins Vertrauen ziehen konnte. Inzwischen hatte der junge Benediktiner begriffen, dass er seine Prüfung wohl mit Auszeichnung bestanden hatte: Nicht nur waren einen Tag nach Chaulliacs Ankunft und seinem vertraulichen Gespräch mit dem Herzog bereits Kuriere auf den besten Pferden aus den Ställen von Concarneau in alle vier Himmelsrichtungen losgaloppiert. Auch mehrere schnelle und bis an die Zähne bewaffnete Kriegsschiffe stachen in See. Die Wochen, die auf diese geschäftigen Tage folgten, waren dann allerdings ereignislos und ruhig.
Doch Sidonius genoss eine geradezu seltsam anmutende, großzügige Gastfreundschaft, die so gar nicht seinem Stand entsprach: Bei den gemeinschaftlichen Abendmählern in der großen Halle saß er nicht mit den Dienstboten und Gefolgsleuten, sondern nahm einen Platz neben Guy de Chaulliac an der herzoglichen Tafel ein. Und Ambrosius Arzhur selbst ermutigte ihn dazu, sein Studium, dass er wegen des Diebstahls von Saint Jacques gezwungenermaßen unterbrochen hatte, wieder aufzunehmen. Er hatte ihm ohne zu zögern seine beeindruckende Bibliothek geöffnet, in der sich eine erstaunlich große Sammlung seltener und seltsamer Manuskripte befand. Wenn der junge Mann nicht gerade seinen eigenen Interessen nachhing, wurde er oft in die Frauengemächer gerufen, wo Maeliennyd Glyn Dwyr, Ambrosius’ walisische Gemahlin sich mit einem eigenen, nicht weniger erstaunlichen und seltsamen Hofstaat umgab. Sidonius begegnete dort zwar auch einigen edlen Damen