Der Waldläufer - Durch Sumpf und Wald. Arne Rosenow. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Arne Rosenow
Издательство: Bookwire
Серия: Der Waldläufer
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738084818
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Schaf wieder zum Rest, wenn es sich zu weit dem sumpfigen Morast näherte. Das Wetter war schön und er biss in den Apfel, den Ute ihm vor seinem Aufbruch aus der Apfelmiete zugesteckt hatte. Er schnitzte an seiner Schäferflöte weiter, was viel Sorgfalt und Mühe erforderte. Schon zweimal war ihm das Stück Holz zerbrochen. Aber diesmal schien es ein besseres Holz zu sein.

      Gegen Abend zogen ein paar Wolken auf und es frischte auf.

      Wo bloß Sven blieb, dachte Armin. Er hatte Hunger. Hoffentlich hatte er ihn nicht vergessen.

      Doch da sah er auch schon eine Gestalt die Wiese daher schlendern. Endlich, dachte Armin und ging ihr ein paar Schritte entgegen. Aber er erkannte schnell, dass es nicht Sven, sondern Martin war. Armin stutzte. Was mochte der Bursche nur wollen?

      „Oh, hallo Armin. Da bist du ja endlich. Hast Dich ja weit hinaus getraut“, sagte Martin mit spitzfindigen Unterton.

      „Hier am Moor ist das Gras satter. Was willst du denn hier?“

      „Ich wollte nur nach dem Rechten gucken.“

      Armin schaute an Martin vorbei in die Richtung, aus der Sven kommen musste.

      „Nach wem schaust du denn?“

      „Ich schaue nach Sven, er wollte mir das Essen bringen.“

      „Sven wird nicht kommen“, sagte Martin herablassend.

      „Wieso?“

      „Er musste meinem Vater und Peer beim Karren helfen.“

      „Aber er wollte mir doch zu essen bringen.“

      „Bist du etwa hungrig? Siehst gar nicht so mager aus.“

      Armin beachtete ihn nicht. Er wollte keinen Streit. Als Leibeigener würde er gegenüber Martin sowieso das Nachsehen haben.

      „Ich habe Sven gesagt, er könne mir die Zehrung geben und ich würde zu dir hinauskommen.“

      Armin war überrascht. So viel Freundlichkeit kannte er von Martin nicht.

      „Leider war der Weg so lang. Ich glaube, es ist fast nichts übriggeblieben.“ Er zog einen angebissenen kleinen Kanten hervor und steckte den Rest auch noch in den Mund.

      „Ich konnte ja nicht wissen, dass du so weit im Morast bist“, sagte er mit vollem Mund. „War sowieso nicht so viel. Und du hast ja noch den Wasserschlauch.“ Er warf ihn Armin vor die Füße.

      Armin schäumte vor Wut und ballte beide Fäuste. Was sollte er nun essen?

      „Willst du mich schon wieder schlagen, Armin“, fragte er mit Blick auf die Fäuste. „Hat dir die Tracht Prügel neulich nicht gereicht?“

      Er sah Armin herausfordernd an. Der zwang sich aber zur Ruhe.

      „Verschwinde, Martin. Lass mich in Ruhe.“

      „Mach ich doch. Oder nicht?“

      Er ging auf ihn zu und sah Armin tief in seine blauen Augen. Plötzlich machte er eine ruckartige Bewegung und schubste Armin in eine Pfütze.

      Armin konnte sich nun nicht mehr im Zaum halten. Er sprang auf und schlug Martin mit dem Stock in die Seite. Doch Martin entging dem Hieb und schlug Armin den Stock aus der Hand, und schon rollten sich beide über den Boden.

      Irgendwann riss sich Martin los. Er griff nach dem Wasserschlauch und brachte vollkommen außer Atem etwas Abstand zwischen sich und Armin.

      „Ich glaube nicht, dass du dir das Wasser jetzt auch noch verdient hast.“

      Er trank einen Schluck während Armin auf ihn zukam.

      „Gib mir das Wasser und verschwinde.“

      „Du musst dir das Wasser schon holen.“

      Und je näher Armin kam, desto weiter wich Martin zurück.

      „Pass auf, hinter dir!“, rief Armin. Martin war gefährlich nah an einen Pfuhl geraten, der nicht nur nach einer Pfütze aussah.

      „Pah, was soll das denn werden? Glaubst du, du könntest mich täuschen?“

      Doch da stolperte Martin und fiel in den Pfuhl.

      Wütend sprang er auf und stand bis zu den Knien im Morast. Er fluchte und wollte wieder auf die Grassode zurück, bekam aber seine Füße nicht aus dem sumpfigen Untergrund. Das Moor hatte ihn gefangen und hielt ihn fest. Langsam begann er einzusinken.

      Panisch ruderte er mit den Armen. „Armin, schnell! Hilf mir!“

      Einen kurzen Augenblick zögerte Armin, doch dann versuchte er, Martins Arm zu erlangen. Vergebens. Der Junge sank tiefer. Schon war seine Lende verschwunden.

      Armin griff nach seinem Stock und hielt ihn Martin entgegen. Er packte ihn, und langsam schaffte er es auf trockenen Boden.

      Verdreckt, verschlammt und außer Atem hockte Martin auf dem Gras und versuchte sich aufzurichten.

      „Du Schuft, wolltest mich wohl verrecken lassen, was?“

      „Ich hab dir doch geholfen. Du wärst sonst versunken.“

      „Und wie ich aussehe. Vollkommen verdreckt. Du Tunichtgut wirst dir was anhören dürfen, wenn du nach Hause kommst.“

      „Und wenn ich nicht komme?“

      Martin kam wieder gefährlich nah an Armin heran und funkelte ihn an.

      „Das wagst du nicht. Du bist Leibeigener, schon vergessen? Wenn du dich von dannen machst, wird mein Vater dich suchen. Und dann gnade dir Gott. Sie werden dich mit Hunden jagen, wie einen angeflickten Keiler. Und keiner hier wird es wagen, dir zu helfen.“

      Er warf Armin den halbleeren Wasserschlauch vor die Füße und ging davon.

      Armin hob den Schlauch auf, trank einen Schluck und sah ihm nach. Er hatte Recht. Die Chancen, von hier fortzukommen, standen schlecht. Zu groß war der Einfluss des alten Fiete in dieser Gegend. Und wo sollte er auch hin? Wahrscheinlich würde überall dasselbe auf ihn warten.

      Er verschwendete keinen weiteren Gedanken mehr an eine Flucht und wandte sich wieder den Schafen zu.

      Pflückebeutel aber hatte alles gesehen und flog von der nahestehenden Birke davon. Die Jungen hatten ihn nicht bemerkt.

      Am nächsten Nachmittag trieb Armin die Herde wieder nach Hause. Sein Magen knurrte. Doch dass Martin ihm sein Essen vorenthalten hatte, wollte er sich nicht anmerken lassen. So klein wollte er sich nicht machen.

      Im Hof angelangt, sperrte er die Herde in den Stall. Es dunkelte bereits und im Gesindehaus stand der alte Fiete im Raum.

      „Da bist du ja endlich“, sagte er mit drohender Stimme und ging langsam auf ihn zu. „Wie kannst du es wagen, Martin in den Sumpf zu stoßen? Was fällt dir ein? Du bist Leibeigener und kannst froh sein, dass ich dir Obdach gebe.“

      Noch ehe Armin etwas entgegnen konnte holte der alte Fiete seine Knute hervor und ließ sie auf ihn niedergehen. Armin wich langsam zurück.

      „Martin hatte mein Essen gegessen und mein Wasser getrunken.“

      „Schweig! Immer wieder diese Ausreden und Lügen.“

      Er hob die Knute erneut. Armin duckte sich und der Schlag traf ihn auf dem Rücken. Er biss die Zähne zusammen und wollte keine Schwäche zeigen.

      Doch schon ließ der Alte ab und zog ihn am Ohr empor.

      „Los, heute Nacht wirst du draußen schlafen.“

      Und während er Armin nach draußen zerrte, wandte er sich an Ute.

      „Wage es nicht, ihm auch nur einen Kanten zu bringen. Das Essen hat er sich nicht verdient.“

      Im Hof standen Peer, Sven und Martin.

      „Damit du ein bisschen über deine Taten nachdenken kannst, wirst du heute Canis Gesellschaft leisten. Los, bindet ihn an der Hütte fest. Nehmt ruhig die Kette.“