Ein letztes Mal sah er sich um. Sollte es wirklich so einfach sein? Schließlich griff er in eine seiner Taschen und beförderte etwas hervor das kaum so groß wie sein Fingernagel war. Es haftete an seiner Fingerspitze, sodass er es genau sehen konnte. Ein Chip. Er hatte Yxyndor nach dessen Inhalt gefragt. Das hat dich nicht zu interessieren war seine knappe Antwort gewesen. Dem Eindringling war es gleich. Ihm war aber nicht gleich, das er nicht der einzige war, der für Yxyndor arbeitete. Denn dieser Chip musste ja von irgendwem dort platziert wurden sein, an den Ort, den ihm Yxyndor erst vor wenigen Minuten gesagt hatte. Unter einem Wandteppich ganz in der Nähe des Herrschaftsthrones. Jeder konnte das gewesen sein!
Er betrachtete diesen Chip eingehend. Kein Unterschied zu den herkömmlichen seiner Art. Wenn er nur wüsste, was sich auf ihm befindet. Schließlich drehte er sich um, entfernte sich von dem Alkoven und schritt auf die Kommandoeinheit zu. Hier wurden alle Upgrades für Oxos Systeme eingegeben, sämtliche seiner Applikationen und Transaktionen mussten erst in diesem Terminal kontrolliert, dann in seine Speichersysteme geschrieben werden. Auch das war keine routinemäßige Vorgehensweise, wenn ein Androide außer Funktion war.
Vorsichtig legte er den Chip auf die Leseeinheit und wartete gespannt, was passierte.
Ein heikler Moment. Sollten Oxos interne Sicherheitssysteme noch halbwegs funktionieren, könnten diese feststellen, dass es sich um schadhafte Software handelte und den Input verweigern.
Zwei, drei Sekunden passierte nichts. Dann setzte die Übertragung ein. Die Fläche, auf die der Chip auflag, nahm ein gedämpftes blaues Licht ein. Die Monitore der umstehenden Computer schalteten sich summend ein. Zahlenreihen liefen ab. Viel zu schnell um sie zu lesen. Jetzt wurden die Daten in die Systemsprache der Androiden übersetzt, anschließend in seinen Speicher übertragen. Das konnte einige Augenblicke dauern.
Plötzlich ertönte schrillend ein Alarmsignal. „WARNUNG! WARNUNG!“, stand mit großen, roten Buchstaben auf allen Monitoren. Der Eindringling lächelte. Damit hatte er gerechnet und insgeheim sogar darauf gehofft. Denn nicht Oxos interne Sicherheitssysteme hatten Alarm geschlagen, sondern die der Übertragungsmedien. Und die ließen sich einfach übergehen. Es brauchte nur einen Code; den er hatte und die Übertragung wird fortgesetzt.
Nach nicht einmal zwei Sekunden herrschte wieder Ruhe. Der Alarm war verstummt, die Warnsignale von den Bildschirmen verschwunden. Sie hatten den Zahlenreihen Platz gemacht.
Unterdessen dauerte die Einspielung nur noch wenige Momente; die Datei war ja nicht besonders groß. Anschließend nahm er den Chip wieder an sich, steckte ihn in seine Hosentasche zurück und sah sich beim verlassen des Raumes noch einmal um. Es sah alles so aus wie vor seinem eindringen. Gut, denn niemand sollte wissen, dass jemand hier drinnen gewesen war. Dann schloss er die Tür und ging davon. Denselben Weg, den er gekommen war.
Kapitel 1
Kapitel 1
„Verflucht, ist das eine Hitze“, bellte Robin in die Comm. Sein Bike raste über den Boden, hinter sich herziehend eine riesige Fontäne aus Staub. Das Kraftfeld hatte er abgestellt, der Fahrtwind sollte ihm Abkühlung verschaffen. Es fühlte sich aber nicht so an als würde es etwas bringen. Er musste nur unglaublich laut in die Comm schreien. Und sein Schweiß trocknete auf der Stelle. Heiß war ihm trotzdem. Er drehte die Geschwindigkeit weiter auf. Unter ihm raste der Wüstenboden dahin.
„Was ist?“, schaltete sich Nicole ein, die eben mit ihrem Jäger tiefer ging und sich neben ihm positionierte. Es gelang ihr spielend leicht ihren Jäger nicht höher als einen Meter über den Boden fliegen zu lassen.
In den letzten Tagen hatten sie ihre Fahrzeuge noch besser kennen lernen dürfen. Darum waren sie hier, in diesem abgelegenen Teil Yxus. In dieser heißen Wüste, in dem die Sonne erbarmungslos brannte und es nie unter fünfzig Grad abkühlte. Dagegen wurde es in der Nacht frostig kalt. Weit unter Null. Zwei Extreme also. Und damit hervorragende Trainingsbedingungen.
Robin schnaufte verächtlich. Zum streiten war ihm viel zu heiß. Nein, lieber drehte er das Gas noch etwas mehr auf.
Unglaublich was in seinem Bike steckte. Sechshundert Sachen, und es beschleunigte immer noch. Er raste schnell wie ein Blitz über den Boden, die Maschine schnurrte wie ein Kätzchen.
Auch die anderen reizten ihre Maschinen aus. Die Mädchen flogen mit ihren Jägern, Mike flitzte mit dem Boliden irgendwo ein Stück hinten ihnen lang hin. Nur nicht Marcel. Er saß im Cockpit des Transporters, mit dem sie angekommen waren. Zumindest saß er da, als sie zu einer weiteren Probefahrt aufgebrochen waren. Er hatte seinen Panzerwagen auf Urus 1 verloren und bisher noch keine Möglichkeit gehabt, diesen zu ersetzen.
Von dieser Position aus überwachte er die anderen. So konnte er zumindest etwas an ihrem Spaß teilhaben. Die letzten Tage waren schwer für ihn gewesen. Er vermisste Oxo. Noch immer wusste niemand, ob er wieder instand zu setzen war, ob er bald wieder gesund ist, ob er wieder ganz der Alte wird?
Im Cockpit war es brütend heiß. Längst nicht so unerträglich wie draußen. Aber doch warm genug um richtig viel zu schwitzen. Sein Hemd und seine Hose waren klamm. Schweiß lief ihm ins Auge.
„Nehmt euch zusammen, Leute! Ihr wisst, warum wir hier sind.“
„Ja doch, du Spielverderber“, seufzte Nicole, riss das Steuer scharf nach links und raste davon. Sie hatte einen Heidenspaß dabei. Auch ihr lief der Schweiß in Strömen. Ihr Gesicht war klatschnass, doch ihre Augen strahlten vor Freude. Dann ging sie mit einer ebenso steilen Kurve in den Steigflug.
Marcel beobachtete ihr Manöver am Monitor. Er beobachtete alle ganz genau. Mike raste mit gleichbleibender Geschwindigkeit einfach nur geradeaus. Er hatte seinen Boliden auf zweifache Schallgeschwindigkeit gepusht und machte keine Anstalten langsamer zu werden. Robin dagegen fuhr wahre Schlangenlinien. Nicole und Jenni flogen derartige Kapriolen, dass es Marcel oft genug noch heißer wurde. Er verfolgte ihre Flugbahnen und hatte sie schon mehr als einmal bremsen müssen, keine unnötigen Risiken einzugehen. Er wünschte, er könne so ausgelassen sein.
Aber auch den anderen machte die Ungewissheit zu schaffen. Sie hatten nur die Möglichkeit, das zu kompensieren, ganz anders als Marcel. Sie waren froh, nicht pausenlos an Oxo denken zu müssen. Sie fuhren ihren Befürchtungen und Gedanken quasi davon.
Seit drei Tagen waren sie hier. Tagsüber erweiterten sie ihre Fertigkeiten hinter dem Steuer, in der Nacht wälzten sie sich unruhig in ihren Kojen herum. Am Tag, wenn sie beschäftigt waren, dachten sie nicht an Oxo. In der Nacht aber, wenn es ruhig ist und sie zu schlafen versuchten, konnten auch sie ihre Gedanken nicht von ihm ablenken. Dann überkam auch sie die Unruhe und die Ungewissheit nagte wie ein gefräßiges Tier an ihnen. Stunden lagen sie wach, ehe sie in einen flachen Schlaf fielen. Aus dem sie oft wieder gerissen wurden.
„Mike! Mike, melde dich!“, sprach Marcel in die Comm. Er hatte sich mittlerweile mehr als tausend Kilometer entfernt. Das war viel mehr als sie ausgemacht hatten.
Die Sekunden verstrichen, doch von Mike war nichts zu hören. Marcels Hände verkrampften sich zu kleinen Fäusten, die Knöchel weiß. Allmählich machte er sich Gedanken. Mike konnte unmöglich außer Reichweite sein. Nein, es musste einen anderen Grund haben. War das Gerät defekt? Unwahrscheinlich.
„Mike! Melde dich endlich!“
Doch von Mike kam kein Ton. Der Punkt auf dem Monitor, der sein Fahrzeug darstellte, bewegte sich derweil mit gleichbleibendem Tempo fort.
„Antwortet er nicht?“, fragte Jenni unnötigerweise. Sie konnte doch hören, dass er es nicht machte. Darauf ersparte sich Marcel eine Antwort.
„Ich fliege ihm nach“, dann schwenkte sie scharf nach rechts, beschleunigte ihren Jäger auf das vierfache ihrer bisherigen Geschwindigkeit. In wenigen Minuten wird sie ihn eingeholt haben. Und dann? Was, wenn Mike nicht reden wollte …
„Zentrale an Shuttle eins. Könnt ihr mich hören?“
Marcel hockte stocksteif