Schwingungen und Wellen. Henry Söllbach. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Henry Söllbach
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783754124956
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"Sonst bekommen die Pilzkrankheiten und sind dürr bevor sie richtig reif sind." Etwa die Hälfte des etwa 300 qm großen Gartens ist Rasen mit zwei kleineren Bäumen drauf: Ein Kirschbaum und ein Apfelbaum. Am Rand der Rasenfläche sind Blumenbeete und natürlich das Haus mit angehängtem Geräteschuppen.

      Jetzt ist auch Erika erschienen: "Den Rasen hat Georg verkommen lassen, überall Unkraut! Hätte man im Frühjahr belüften und richtig Düngen müssen."

      "So, und wann bitteschön hätte ich das machen sollen, bei dem dauernd schlechten Wetter?" erwidert Herr Kurz.

      Erika mit spitzer Zunge:"Weniger Fußball und Bier!"

      Herr Kurz läuft zuerst rot an und wird dann blass, man merkt dass er kurz vor der Explosion ist und sich nur noch mit Mühe zusammenreißen kann. Erika verschwindet wieder in der Hütte.

      "Weiber! Müssen immer meckern", meint er im Blick zu mir, "fast überall auf der Welt wären die Menschen froh, wenn sie so einen schönen grünen Garten hätten. Selbst in der Wüste von Ägypten gibt es zufriedene aber auch unzufriedene Menschen, weshalb gibt es bei uns nicht nur glückliche? Was meinst Du?"

      Ich antworte: "Glück ist keine konstante Größe. Das Befinden schwankt um einen Mittelwert. Es ist wie bei einer Welle. Alles unterhalb der Mittellage wird als Unzufriedenheit empfunden, alles darüber als Glück. Der Mittelwert liegt nun bei wohlhabenden Menschen meist höher als bei armen Schluckern. Rutscht der Mittelwert allerdings zu weit nach unten, bei Hungersnot, oder Krankheit, so wird die Welle unsymmetrisch, es liegen fast alle Teile im negativen Bereich."

      "Daneben gibt es noch die Pessimisten, die Klappen die positiven Halbwellen einfach auch noch nach unten", füge ich etwas scherzhaft hinzu.

      Herr Kurz blickt etwas hilflos in die Umgebung ohne eine Antwort zu suchen.

      Kaffee und Kuchen wird aufgetragen. Man sitzt um einen Campingtisch, mitten in der Grünfläche. Die Sympathiewellen scheinen eingefroren, keiner redet.

      Rose eröffnet das Gespräch: "Wann fahren wir mal wieder in Urlaub. Nach Mallorca oder Teneriffa?"

      "Zu teuer", meint Erika, "außerdem haben wir ja den Garten. Aber Ihr könnt doch mal in die Türkei, da gibt es Angebote für wenig Geld."

      Mit einem erwartungsvollen Blick zu mir meint Rose: "Das wär doch was fürs nächste Jahr!"

      Immer häufiger werde ich jetzt auch zu Familienfeiern eingeladen. Auch in meinem Freundeskreis ist Rose voll integriert. So dass alles in eine bestimmte Richtung läuft, die mir etwas Angst bereitet. Ich habe in meinem Leben ja noch sehr viel vor: Zunächst ein Studium, dann Auslandsaufenthalt, ..... In Wirklichkeit nimmt mich Rose immer mehr in Beschlag. O.k., wir verstehen uns relativ gut, aber irgendwie wird mir diese Familien-Schrebergartenidylle zu eng. Was wenn sie unerwartet die Pille absetzt? Bin ich reif für eine Familiengründung? Gut, das wird sie nicht ohne Absprache tun. Aber der Wunsch wird kommen. In den Genuss unserer sexuellen Beziehung mischen sich bei mir immer mehr Schuldgefühle: Haben wir dieselben Erwartungen, ist es einfach nur Gewohnheit, bin ich zu feige klare Verhältnisse zu schaffen? Mehr und mehr versuche ich mich ihr zu entziehen, um Luft zu bekommen, um nachzudenken. Als Ausrede führe ich gestiegene Anforderungen in der Oberstufe an. Rose wird unglücklicher und misstrauisch. Jetzt erst wird mir bewusst, wie sehr sie ihr Leben auf unsere Beziehung gebaut hat.

      Da kommt mein Entschluss: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Ich besuche mit Rose ein Lokal mit etwas gedämpftem Licht. Es ist wenig los, wir sitzen abseits an einem einsamen Tisch.

      Ich beginne: "Hast du schon mal darüber nachgedacht, wie es bei uns weiter gehen soll?"

      Rose erwartungsvoll: "Was meinst du?"

      "Wir sollten heiraten oder uns trennen" antworte ich, "ich denke eher an Trennung."

      "Hast du eine andere?" fragt sie entrüstet.

      "Nein."

      "Also dann lass doch alles wie es ist, es ist doch gut so, man muss doch nicht gleich heiraten!".

      Ich fasse nach: "Wir können doch nicht alles so weiterlaufen lassen. Ich bin mir sicher, dass es zu keiner festen Bindung kommen wird!"

      "Und du weißt das seit heute, wie?" antwortet sie empört.

      "Nein ich mache mir schon länger Gedanken darüber."

      Rose den Tränen nahe: "Ach, dann hast du mich wohl nur ausgenutzt, ich dachte wir lieben uns."

      Jetzt kullern die ersten Tränen, die Lidfarbe löst sich und bildet Spuren über die Wangen. Sie kramt ein Taschentuch heraus und trocknet ihre Augen. Dann fasst sie sich, blickt mich an und fordert unter Tränen: "Ich möchte nach Hause, mir reicht es für heute." Ich winke nach dem Kellner, bezahle und wir brechen auf.

      Zu Hause schleichen wir uns wie fast immer am Wohnzimmer vorbei und gehen nach oben auf ihr Zimmer. Wir sitzen auf ihrem Bett. Jetzt bricht sie völlig in Tränen aus, ihr schönes Gesicht schwillt an, wirkt zerstört. Sie tut mir unendlich leid.

      Mit erstickter Stimme fragt sie: "Und wie soll es deiner Meinung nach nun weitergehen?"

      Am liebsten würde ich jetzt einfach das Haus verlassen und alles vergessen, verdrängen, aber ich sage: "Wir könnten uns ja noch ab und zu sehen."

      Entrüstet antwortet Rose: "Ach so eine Art Escort-Service, das hättest du wohl gerne. Immer wenn es Dir passt! - Ich möchte dich überhaupt nicht mehr sehen."

      "Aber Rose!" Ich streiche durch ihr Haar.

      Sie schlägt mir die Hand weg, steht auf, reist die Türe auf und weist mir den Ausgang: "Raus und zwar sofort, du kennst den Weg" schreit sie mich an.

      Die nächsten Tage werden hart. Soll ich zurück? Aber ich habe doch schon alles kaputt gemacht. Meine Vernunft sagt mir: Es hätte schon früher geschehen sollen. Ich darf mich nicht aus Bequemlichkeit vor einer klaren Entscheidung drücken und die ist: Es gibt für mich keine Zukunft in dieser Beziehung.

      Aber was habe ich da angerichtet? Das arme Mädchen. Sie war mir offensichtlich völlig ausgeliefert. Alle ihre Hoffnungen habe ich zerstört. Sie wird sich wie weggeworfen fühlen. Ich denke an Ali und seinen Vater in der Türkei: Die richtige Frau ist ein Besitz, wie ein Edelstein. Das wirft man nicht weg.

      Ich hasse mich selbst für diesen Betrug an Gefühlen und beschließe in Zukunft die Hände von Frauen zu lassen. Zumindest bis meine Ausbildung zu Ende ist. Da kommt es eigentlich gelegen, dass mir ein Einberufungsbefehl auf den Tisch flattert. Gleich nach der Abiturprüfung soll ich einrücken.

      6. Militärdienst

      Von meinem Freundeskreis bin ich einer der wenigen, der eingezogen wird. Aber so habe ich noch etwas Bedenkzeit für die Wahl des Studienfaches.

      Schon eine gewaltige Umstellung, als Individualist in einen uniformierten Massenbetrieb. Die große Anzahl junger Männern unterschiedlicher Herkunft, Bildung und Temperament ist wohl nicht anders zu beherrschen, als dass man sie in Gruppen zu je 8-10 Soldaten einteilt, der Zug besteht aus 3 bis 4 Gruppen und drei bis vier Züge bilden ein Kompanie mit insgesamt ca. 100 Soldaten. Noch größere Einheiten sind Bataillon, Regiment, Brigade und Division. In der Regel wird in Kompaniestärke angetreten: Eine rechteckige Formation von 4 x 25 Soldaten. Die Schwingungen sind nicht harmonisch sondern rechteckig. Im Gleichschritt marschieren lässt sogar den Boden schwingen. Brücken sind durch Resonanz einsturzgefährdet, daher ist der Gleichschritt über Brücken verboten. Auch die Marschmusik hat Rechteckcharakter. Dazu passt auch der Befehlston: Morgens wird man durch einen schrillen Pfeifton und einen Höllenlärm aus den schönsten Träumen gerissen. Kompanie aufstehen. Kompanie stillgestanden! Rechts um! Die Augen links! Augen gerade aus! ....

      In der Werkstatt der Instandsetzungskompanie ist der Ton nicht so militärisch. Die Arbeit an den Fahrzeugen steht im Vordergrund. Aber auch dort gibt es Tage, die einfach nur langweilig sind, wie heute, da einige Kompanien zum Manöver abgezogen sind. Deshalb sind nur wenige Aufträge vorhanden. Die Unteroffiziere verdrücken sich in ihren Zimmern und der einfache Soldat bewaffnet sich mit einem Besen. Sobald einer der Portepeeträger auftaucht