Schattendrache. Azura Schattensang. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Azura Schattensang
Издательство: Bookwire
Серия: Die Chroniken von Canthan
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753187563
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Meister Albion lenkte den dunklen Herrscher ab, während die anderen eine Möglichkeit zur Flucht suchten.“ Sein Griff wurde stärker und Aurelia ahnte, was als nächstes folgen würde. „Als der Meister sich zurück ziehen wollte, warf der Schattenkönig einen Dolch nach ihm.“ Er schwieg, dann sah er sie an. „Aurelia - es tut mir so leid.“

      „Nein. Das kann nicht sein.“ Ihre Stimme bebte.

      „Leider ja. Sein Leben fand auf dem Schlachtfeld ein Ende“, sagte er mitfühlend.

      Stumme Tränen begannen ihre Wangen hinab zu laufen, während sie versuchte die Nachricht zu verarbeiten. „Constantin!“, entfuhr es ihr plötzlich und sie sprang aus dem Bett.

      „Aurelia! Bleib hier. Du bist noch nicht wieder bei Kräften!“ Kyle versuchte sie am Arm festzuhalten, doch sie entwischte seinem Griff und war durch die Tür verschwunden, noch ehe er ein weiteres Wort sagen konnte. Die hohen Wände warfen das Geräusch ihrer bloßen Füße auf dem kalten Stein der Gänge zurück, während sie durch das schlafende Schloss rannte.

      Ihre Beine hatten ihr Gewicht nur widerwillig tragen wollen, doch mit jedem Schritt gewann sie an Kraft und an Geschwindigkeit zurück.

      Sie bog um eine Ecke und in den Gang zu Constantins Zimmer. Mit hämmerndem Herzen erreichte sie seine Tür. Ohne zu überlegen, was sie tat, riss sie die Tür auf und trat ein.

      Erschrocken fuhr Constantin von dem Stuhl auf, auf dem er gesessen hatte. Die blonden Haare standen wirr von seinem Kopf und erinnerten an eine Vogelscheuche. Ihre Blicke trafen sich und die traurige Gewissheit schlug wie die eisigen Wogen des Ozeans über ihr zusammen. Auf wackeligen Beinen ging sie zu ihm herüber und er schloss sie in seine Arme. Dann brach der Damm in ihrem Inneren und sie weinte bittere Tränen.

      Kapitel 2

      Eine Krähe flog einsam ihre Runden über dem wolkenverhangen Himmel. In den letzten Tagen waren unaufhörlich dicke, weiße Flocken aus den Wolken zu Boden gesunken und hatten das gesamte Land unter einer kniehohen Decke begraben. Vermutlich hatte Canthan noch nie so viel Schnee gesehen, wie in diesem Winter. Es wirkte fast so, als wolle die Natur die Spuren der vergangenen Schlacht unter dem kalten Weiß verstecken.

      Sie standen auf einem weiten Feld außerhalb von Syndia und betrachteten die langen Reihen frischer Gräber. Lillith und Raik hatten mit ihrem Feuer den gefrorenen Boden aufgetaut, sodass das Erdreich ausgehoben werden konnte. Ohne ihre Hilfe wäre dies ein unmögliches Unterfangen gewesen und ihnen wäre nichts weiter als eine Feuerbestattung geblieben. Jedoch hatte Aurelia dies den Familien der gefallenen Soldaten unter allen Umständen ersparen wollen. Jeder Soldat sollte einen Platz bekommen, an welchem man ihm gedenken konnte.

      Aurelia faltete ihre behandschuhten Hände und blies ihren warmen Atem hinein, um sie ein wenig aufzuwärmen. Sie trug ein langes, schlichtes, schwarzes Kleid und einen ebenso schwarzen Mantel. Kyle stand dicht an ihrer Seite und beobachtete die versammelten Menschen eingehend. Tausende waren gekommen, um der Trauerfeier für die Gefallenen beizuwohnen. Sie standen am Rande des Feldes und warteten geduldig darauf, dass Aurelia mit ihrer Ansprache begann. Es war nicht das erste Mal, dass sie zu den Menschen ihres Volkes sprach, dennoch sorgte es bei ihr für Unwohlsein. Stundenlang hatte sie darüber nachgedacht, was sie den Familien, Frauen und Kindern sagen sollte, welche ihre geliebten Männer und Väter verloren hatten - für deren Tod sie, als Königin, unweigerlich die Verantwortung trug.

      Sie atmete tief durch und fing Kyles Blick auf. Er legte ihr aufmunternd eine Hand auf die Schulter, dann nickte er ihr zu und sie trat vor die wartenden Menschen.

      „Wir haben uns heute hier versammelt, um derer zu gedenken, die in der Schlacht ihr Leben ließen, um uns und dieses Land zu schützen“, rief sie laut und klar, damit alle sie verstehen konnten. „Unser aller Dank gilt den tapferen Soldaten, die sich dem unausweichlichen Tod entgegen gestellt haben und mit Mut in ihren Herzen der Gefahr die Stirn boten.“

      Leises Weinen und Schluchzen wurde hörbar. Viele begannen in ihren Taschen nach Tüchern zu suchen, um sich damit die Tränen der Trauer aus den Augen zu wischen.

      „Voller Stolz können sie nun unseren Ahnen gegenüber treten und zusammen mit ihnen über unsere Schritte wachen“, fuhr Aurelia fort und breitete die Arme aus. „Möge die Nacht auch noch so dunkel sein, ihr Stern wird uns den Weg weisen. Wir werden sie niemals vergessen!“ Sie ließ die Arme sinken und die traurigen Klänge eines Klageliedes ertönten.

      Eine kleine Gruppe von Musikern hatte sich für die Gedenkfeier erboten und entlockte ihren Instrumenten eine herzergreifende Melodie. Ein Mann mit einer Laute erhob die Stimme und begann zu singen. Nach und nach fielen die Anwesenden mit ein, bis die Luft zu vibrieren schien.

      „Fürchtet euch nicht

      vor den Schatten der Nacht.

      Zum Geleit erstrahlt für euch mein Licht.

      Von hier halte ich auf ewig Wacht.

      Niemand mag diesen Weg beschreiten,

      gerade in den dunkelsten Stunden,

      wo es fehlt an den schönen Zeiten

      und wir leiden an den Wunden.

      Fürchtet euch nicht

      vor den Schatten der Nacht.

      Zum Geleit erstrahlt für euch mein Licht.

      Von hier halte ich auf ewig Wacht.

      Sind eure Tränen noch so bitter

      und eure Herzen wenig heiter,

      so bleibt der Hoffnungssplitter

      auf eine Zukunft hell und befreiter.

      Fürchtet euch nicht

      vor den Schatten der Nacht.

      Zum Geleit erstrahlt für euch mein Licht.

      Von hier halte ich auf ewig Wacht.“

      Das Lied endete, die Melodie verklang und hinterließ eine bleierne Stille.

      Schweigend löste sich die Menge auf. Viele traten den Heimweg an, während die Familien die Gräber ihrer verstorbenen Liebsten aufsuchten, um dort Blumen und andere Beigaben niederzulegen.

      Aurelia spürte eine leichte Berührung am Arm und blickte in Kyles Gesicht.

      „Es ist so weit“, sagte er leise.

      Sie nickte und folgte ihm über einen verschneiten Pfad zwischen den Grabreihen hindurch. Etwas abseits der Soldatengräber fand sich ein weiteres Grab, an dem sich bereits vertraute Gesichter versammelt hatten.

      „Eine schöne Rede“, lobte Raik leise und reichte ihr grüßend die Hand.

      Der Reihe nach umarmte sie Lillith, Constantin und die anderen. Zu guter Letzt folgte Norwin. Der Tod seines Bruder hatte ihn arg mitgenommen, aber er tat sein Bestes um es nicht offen zu zeigen. Doch vielleicht hätte ihm gerade dies Erleichterung gebracht. Es schmerzte Aurelia fürchterlich, ihn so leiden zu sehen. Sie umarmte Norwin fest, dann sah sie ihn ernst in die grauen Augen. „Wir sind für dich da.“

      Er schien etwas sagen zu wollen, doch dann schüttelte er nur dankend den Kopf.

      Sie ließ ihn los und sie wandten sich gemeinsam dem Grab zu. Ein Künstler hatte ein lebensgroßes Abbild Meister Albions aus Stein gefertigt und es an seinem Grab aufstellen lassen. Insgeheim fragte Aurelia sich, ob bei der Herstellung nicht Magie im Spiel gewesen war, denn die Figur wirkte so lebensecht, als würde der Meister sich jeden Moment aus seiner steinernen Haltung befreien. Ernst und gebieterisch blickte er von seinem Sockel hinab. In der einen Hand hielt er eine unsichtbare Flamme, mit der anderen stützte er sich auf seinen Stab.

      Aurelia räusperte sich und öffnete den Mund um etwas zusagen, ehe sie ihn wieder schloss. Eigentlich hatte sie die letzten Worte für ihren Meister sprechen wollen, doch sie bekam keinen Ton heraus. Constantin erging es ähnlich und so bot sich Raik an, dies für sie zu tun.