Mit letzter Kraft erreichte er den Porsche, ließ sich in den Sitz fallen, und von da an konnte er den Tränen keinen Einhalt mehr gebieten. Sie flossen in Sturzbächen und durchweichten seinen Hemdkragen. Er ließ es einfach geschehen. Es waren Tränen, die geweint werden mussten. Sie kribbelten auf seiner Haut und brannten. Es war ihm egal. Er wollte nur noch weinen. Weinen wie ein Schlosshund und nie wieder aufhören.
Langsam verschwand der letzte Fetzen Helligkeit, und noch immer saß er da, rauchte eine Zigarette nach der anderen und machte keine Anstalten, nach Hause zu fahren. Unzählige Menschen waren an ihm vorbeigekommen. Die Besuchszeit rückte heran, und der Menschenstrom wurde dichter. In vielen dieser Gesichter stand die Sorge um ihre Angehörigen geschrieben. Ja, dachte er, ein Krankenhaus ist wahrlich ein beschissener Ort. Ein Ort, wo Menschen sterben. Ein Ort, wo Frauen zu Witwen, Männern zu Witwern und Kinder zu Waisen werden. Wie bei ihm selbst. Wenn auch auf andere Art und Weise ….
Er drückte die Zigarette aus und zündete sich sofort eine neue an. Sein Hals fühlte sich trocken an und rau; trotzdem wollte und konnte er nicht auf sie verzichten.
Irgendwann endete die Besuchszeit. Wie viele Stunden saß er nun schon hier? Er hatte keine Ahnung. Mittlerweile mussten es schon fünf sein. Je später es wurde, umso verlassener wirkte die Straße. Nur ab und zu näherte sich ein Krankenwagen mit raschem Tempo, bog ab und verschwand hinter einer hohen Mauer. Paul brauchte kein Hellseher zu sein, um zu wissen, dass da neue Kundschaft eingeliefert wurde.
Während er kettenrauchend dasaß, dachte er über vieles nach. Er dachte an viele Dinge, aber am meisten an den Satz, den sie ihm an den Kopf geknallt hatte: Du widerst mich an.
Gab es da noch etwas misszuverstehen? Wohl kaum. Das war eindeutig. Es gab kaum einen Satz, der mehr verriet als dieser. Wenn er noch Zweifel an ihren Trennungsabsichten gehegt hatte, dieser Satz hatte sie ausgelöscht. Und ihr Geliebter (mittlerweile hatte er es geschnallt, dass es ihr Geliebter war) hatte bei ihr gesessen, hatte ihre Hand gehalten und, was am Schlimmsten war, er hatte die Tickets der Kinder bezahlt. Selbst das hatte sie ihm genommen.
Wieder näherte sich ein Krankenwagen, diesmal ohne Martinshorn und deutlich langsamer. Wieder bog er rechts ab und verschwand hinter der Mauer.
Warum wollte sie, dass er das alles erfuhr? Konnte sie so gehässig sein? Er konnte sich noch immer keinen Reim darauf machen.
Paul fühlte sich wie durch den Fleischwolf gedreht. Er war durstig, sein Kopf schmerzte wie nach tausend Nadelstichen, und seine Eingeweide schienen Polka in Holzpantoffeln zu tanzen. Er war müde, als hätte er seit Tagen nicht mehr geschlafen. Trotz allem kam es ihm nicht in den Sinn, den Motor zu starten und heimzufahren.
Irgendwann schälte er sich aus dem Sitz und schlich mit hängendem Kopf in eine dunkle Ecke, öffnete den Hosenschlitz und entleerte seine Blase. Keine zwei Minuten später saß er wieder im Wagen, hatte eine Kippe zwischen den Lippen und beobachtete die dunkle Straße. Zwei, drei Stunden später, es musste schon nach Mitternacht sein, entschied er sich endlich, den lieben Gott einen guten Mann sein zu lassen und heimzufahren.
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.