David Copperfield. Charles Dickens. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Charles Dickens
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753197098
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mich nicht. Nicht ein bißchen. Schau mal her.«

      Sie rannte von mir weg und lief einen gekerbten Balken entlang, der ohne Geländer ziemlich hoch über das Meer hinausragte.

      So deutlich steht der Vorfall noch vor meinem Gedächtnis, daß ich es malen könnte, wäre ich ein Zeichner –, wie die kleine Emly ihrem Untergang – so erschien es mir, – mit einem weit auf das Meer hinausgerichteten Blick, den ich nie vergessen habe, entgegeneilte. Ihre leichte, kühne, flatternde kleine Gestalt kehrte um und gelangte wieder glücklich bis zu mir, und bald darauf lachte ich über meine Angst und den Schrei, den ich – in jedem Falle ganz nutzlos, denn es war niemand in der Nähe, – ausgestoßen hatte.

      Oft noch später habe ich darüber nachgesonnen, konnte es nicht vielleicht eine von den uns verborgenen Möglichkeiten gewesen sein, daß der plötzlichen Tollheit des Kindes eine Verlockung zur Gefahr, ein unhörbarer Ruf ihres toten Vaters zugrunde lag, der an jenem Tage barmherzig ihr Leben enden wollte?

      Es kam einmal eine Zeit, wo ich mich fragte, ob ich damals einen Finger zu ihrer Rettung hätte rühren sollen, wenn sich mir ihr späteres Leben in einem Blick geoffenbart hätte? Es kam einmal eine Zeit, wo ich mir einen Augenblick die Frage vorgelegt habe, würde es nicht besser für die kleine Emly gewesen sein, wenn das Meer sie an diesem Morgen vor meinen Augen verschlungen hätte? – – –

      Wir schlenderten noch eine Weile spazieren und lasen Dinge auf, die uns merkwürdig vorkamen, und setzten ganz sorgsam ein paar gestrandete Seesterne wieder ins Wasser – ich kenne die Lebensgewohnheiten dieser Tiere zu wenig, um zu wissen, ob wir ihnen damit einen Gefallen taten, – und kehrten dann nach Mr. Peggottys Wohnung zurück.

      Unter dem Schatten des Schuppens, wo die Krebse lagen, blieben wir stehen, gaben uns einen unschuldigen Kuß und gingen vor Gesundheit und Freude strahlend hinein zum Frühstück.

      »Wie zwei Amseln,« sagte Mr. Peggotty, und ich nahm das als Kompliment auf.

      Natürlich war ich in die kleine Emly verliebt. Ich bin überzeugt, ich liebte das Kind so wahrhaftig, so zärtlich, und reiner und selbstloser, als man selbst im besten Falle in späteren Zeiten lieben kann. Ich weiß, daß meine Phantasie dieses blauäugige Kind mit einem Glorienschein umwob, der einen wahren Engel aus ihm machte. Wenn Emly an einem sonnigen Morgen mit paar kleinen Schwingen vor meinen Augen weggeflogen wäre, so glaube ich kaum, daß ich darin etwas Außergewöhnliches gesehen hätte.

      Stundenlang gingen wir auf der öden Fläche um Yarmouth in liebender Eintracht spazieren. Die Tage eilten an uns vorüber, als ob die Zeit selbst noch ein Kind wäre und immer mit uns spielte.

      Ich sagte Emly, daß ich sie anbetete, und wenn sie nicht gestünde, daß sie mich ebenfalls anbetete, so müßte ich mich mit einem Schwert selber töten. Und sie sagte, sie liebte mich, und ich zweifle nicht, daß es so war.

      An Ungleichheit und zu große Jugend oder andere Schwierigkeiten dachten wir nicht, denn über die Zukunft zerbrachen wir uns nicht den Kopf.

      Wir waren ein Gegenstand der Bewunderung für Mrs. Gummidge und Peggotty, die sich abends, wenn wir so zärtlich auf der Schiffskiste saßen, zuflüsterten: »O Gott, ist das ein hübsches Paar.« Hinter seiner Pfeife hervor lächelte uns Mr. Peggotty an. Ham grinste den ganzen Abend und tat sonst nichts.

      Ich bemerkte bald, daß sich Mrs. Gummidge nicht immer so angenehm machte, als man nach den Verhältnissen, unter denen sie bei Mr. Peggotty wohnte, hätte erwarten dürfen.

      Sie war etwas empfindlicher Natur und jammerte oft mehr, als für die andern Mitglieder eines so kleinen Haushaltes angenehm war. Sie tat mir wohl sehr leid, aber es gab Augenblicke, wo ich dachte, daß es wohl besser wäre, wenn sie sich in ihr eigenes Zimmer zurückziehen wollte, um sich ihrem Schmerz zu überlassen.

      Mr. Peggotty ging manchmal in ein Wirtshaus, das den Namen »Der gute Vorsatz« führte. Ich merkte es an seiner Abwesenheit bereits am zweiten oder dritten Tag meines Besuchs und daran, daß Mrs. Gummidge zwischen acht und neun Uhr immer nach der Schwarzwälderuhr hinaufsah und sagte, er sei dort, und sie habe es bereits am Morgen vorausgesehen.

      Sie war schon den ganzen Tag sehr trüb gestimmt gewesen und in Tränen ausgebrochen, als der Ofen rauchte. »Ich bin ein armes, verlassenes Wesen,« hatte sie dabei gesagt, »und alles geht mich die Quere.«

      »Ach, es wird ja bald vorbei sein!« hatte Peggotty – meine nämlich – gesagt, »und außerdem ist es dir auch nicht unangenehmer als uns.«

      »Ich fühl es mehr,« hatte Mr. Gummidge geantwortet.

      Es war ein kalter Tag und der Wind wehte scharf und heftig. Mrs. Gummidges Ecke am Ofen schien mir die wärmste und gemütlichste in der Stube zu sein und ihr Stuhl war sicherlich der bequemste, aber sie befand sich heute nicht wohl darin. Sie jammerte beständig über die Kälte, daß es ihr immer in den Rücken bliese, und endlich vergoß sie Tränen und sagte wieder, sie sei ein armes, verlassenes Wesen, und alles ginge ihr der Quere.

      »Es ist recht kalt,« bestätigte Peggotty, »das fühlt gewiß jeder.«

      »Ich fühl es mehr als andere Leute,« klagte Mrs. Gummidge.

      Ebenso war es bei Tisch, wo Mrs. Gummidge immer unmittelbar nach mir dran kam, weil ich als vornehmer Gast den Vorzug hatte. Die Fische waren klein und mager und die Kartoffeln ein wenig angebrannt. Wir gaben alle zu, daß das nicht besonders angenehm sei, aber Mrs. Gummidge sagte, sie fühle es mehr als wir, und weinte wieder und gab ihre frühere Erklärung mit großer Bitterkeit zum besten.

      Als Mr. Peggotty gegen neun Uhr nach Hause kam, strickte die unglückliche Mrs. Gummidge in jämmerlicher Stimmung in ihrer Ecke. Peggotty hatte fröhlich ihre Arbeit getan, Ham ein paar große Wasserstiefel ausgebessert, und ich hatte ihnen, neben Emly sitzend, vorgelesen. Mrs. Gummidge hatte nur zuweilen geseufzt und seit dem Tee die Augen nicht aufgeschlagen.

      »Nun, Stüerlüt,« sagte Mr. Peggotty und setzte sich. »Wie geit dat?«

      Wir alle antworteten freundlich mit Wort oder Blick, nur Mrs. Gummidge schüttelte den Kopf über ihrem Strickstrumpf.

      »Wo fehlts?« fragte Mr. Peggotty, »Kopf hoch, Mutting!« Mrs. Gummidge aber schien nicht imstande zu sein, sich aufzumuntern. Sie zog ein altes, schwarzseidenes Taschentuch hervor und wischte sich die Augen, anstatt es jedoch wieder in die Tasche zu stecken, behielt sie es in der Hand und wischte sich nochmals die Augen und legte es neben sich, um es immer bereit zu haben.

      »Wo fehlts, Alte?« fragte Peggotty.

      »Nichts,« entgegnete Mrs. Gummidge. »Du kommst aus dem ›guten Vorsatz‹, – Danl?«

      »Nun, ja, ich machte einen Abstecher heute abends in den ›guten Vorsatz‹,« sagte Mr. Peggotty.

      »Es tut mir leid, daß ich dich immer dorthin treibe,« sagte Mrs. Gummidge.

      »Treiben! Bei mir brauchts kein Treiben,« erwiderte Peggotty lachend. »Ich geh nur zu gern hin.«

      »Sehr gern,« sagte Mrs. Gummidge, schüttelte den Kopf und wischte sich die Augen. »Ja, ja, sehr gern. Es tut mir leid, daß ich dran schuld bin.«

      Mr. Peggotty sagte weiter nichts, sondern bat bloß Mrs. Gummidge noch einmal, den Kopf hochzuhalten.

      »Ich bin nicht, wie ich sein möchte,« sagte Mrs. Gummidge. »Ich fühle mein Unglück und das macht mich unangenehm. Ich wollte, es wäre anders, aber ich fühle nun einmal so. Ich wollte, ich könnt es vergessen, aber es geht nicht. Ich mache das ganze Haus ungemütlich. Ich habe schon den ganzen Tag lang deiner Schwester das Leben sauer gemacht und Master Davy dazu.«

      Ich wurde sofort gerührt und rief in großem Seelenschmerz ein lautes »nein, sicher nicht, Mrs. Gummidge.«

      »Es ist gar nicht recht von mir,« fuhr sie fort, »ich sollte lieber ins Armenhaus gehen und sterben. Wenn mich alles die Quere geht, und ich allen der Quere bin, so will ich auch der Quere in meine Heimat gehen. Danl, besser ich ginge ins Armenhaus und stürbe; dann seid ihr mich los.«

      Mit diesen Worten begab sich Mrs. Gummidge