TREU. Sven Hornscheidt. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sven Hornscheidt
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750231382
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auch keine Rolle, meinst du nicht? Es geht um dich und nicht um Lukas.“

      „Ich liebe ihn“, protestierte er zögerlich und blendete aus, dass er es ausgerechnet Lukas’ Freundin offenbarte.

      „Zuerst fängst du mal an, dich selbst zu lieben. Was Lukas angeht, ich glaube nicht, dass er sich etwas mit Jungs vorstellen könnte. Und er würde dich nicht fallen lassen, nur weil du ... schwul ... bist. Er kann zwar manchmal ein ziemliches Arschloch sein, aber er lässt niemanden hängen. Er mag dich ja auch.“

      „Hattet ihr Streit?“

      „Nun ja, ich dachte, es ginge hier um dich, aber gut. Er hat sich in letzter Zeit irgendwie unberechenbar verhalten. Manchmal ist er gut gelaunt, von einer auf die andere Sekunde kippt es dann. Ich weiß manchmal wirklich nicht, woran ich bei ihm bin.“

      „Und liebst du ihn?“ Moritz war ihr auf einmal etwas zu direkt.

      „Ich glaube nicht, dass wir das hier besprechen sollten, Moritz. Ich meine, hey, du hattest heute dein Coming Out, das ist toll. Du solltest dir nicht so viel den Kopf um Lukas oder andere zerbrechen. Fang an, dein Leben zu leben!“

      „Ich weiß nicht ...“ Marina griff seine Hand und schaute ihm tief in die Augen.

      „Doch, du weißt genau, Moritz. Du hast den ersten Schritt gemacht und du kannst stolz auf dich sein.“

      Moritz lächelte.

      „Prost, auf dein neues Leben!“ Sie hielt ihm ihr Weinglas entgegen, an dem etwas Lippenstift klebte. Seine Eltern würden sich freuen, wenn sie diesen Beweis einer weiblichen Anwesenheit hier zufällig entdecken würden.

      Er dachte an seine Einhorntasse.

      „Hast du es dir gedacht?“, fragte er.

      „Ehrlich? ... Nein. Aber dazu kenne ich dich auch nicht gut genug. Aber ich glaube, keiner würde es sich denken. Aber vielleicht ist das ja auch gut so. Du bist kein bunter Paradiesvogel. Ein Kakadu bietet viel mehr Angriffsfläche für Häme als du!“

      Sie dachte an all die bunten Vögel, die sich immer in die Medien drängten. Moritz war einfach normal für sie.

      „Seit wann weißt du es schon?“

      „Hmmm, keine Ahnung. Ich glaube, seit ich vierzehn bin. Aber ich weiß es nicht ...“

      „Naja, die Hauptsache ist, dass du es jetzt für dich weißt –

      und jetzt betrinken wir uns!“

      Sie stießen an.

      Moritz hätte nie gedacht, dass sie sich so gut verstehen würden. Er verspürte in diesem Moment keine Eifersucht, sie war für ihn ein Engel, der ihn ein bisschen näher ans Licht zog. Sie tranken die Flasche Wein aus und er fand ab und zu sogar sein Lachen wieder. Doch als sie ihn löchern wollte, auf was für einen Typ Mann er stehen würde, war es ihm zu früh und zu unangenehm, darauf einzugehen. Er wusste es ja selber noch nicht so ganz. Er war wie ein Küken, das seine Eierschale unter Wasser aufgebrochen hatte und erst mal an die Oberfläche gelangen musste, um klarer zu sehen. Er fühlte sich das erste Mal befreit, zumindest für einen kurzen Augenblick. Auch, wenn seine Angst noch nicht ganz verflogen war. Der Kloß, den er ständig in seinem Hals spürte, wurde etwas kleiner. Er konnte nun wieder freier atmen.

      Sie öffneten eine zweite Flasche Wein und redeten lange über Gott und die Welt, ohne zu sehr auf Lukas oder Liebe einzugehen. Zum Abschied umarmte sie Moritz noch einmal und küsste ihn auf die Stirn. Sie vergewisserte sich mehr als einmal, dass er heute alleine klar kommen würde und machte sich dann früh morgens auf den Weg nach Hause.

      ∞

      Er befand sich wieder an dem dunklen Ort. Die kleine Öffnung beobachtete ihn, ein Klacken drang von außerhalb zu ihm herein. Regelmäßig und laut. Klack ... klack ... klack ... dann wurde es still. Ein Windzug wehte um seine Arme, die tief im weichen Boden unter ihm eingesunken waren. Seine Knie und Füße erlitten dasselbe Schicksal. Die Erde bewegte sich. Sie krabbelte und waberte. Hinter sich hörte er ein leises Flüstern. Er konnte nicht einordnen, welches Geschlecht die Stimme hatte, die nach ihm rief. Er drehte sich um, doch sah er hinter sich wieder dieselbe Öffnung, die ihr verwirrendes Spiel mit ihm spielte. Er konnte sich nicht bewegen. Etwas bewegte sich seine Arme hinauf. Er wollte danach schlagen, doch er war wie gelähmt.

      Wieder die flüsternde Stimme.

      „Ich gehöre dir“.

      JAKOB – damals

      12

      „Bella?“, rief Jakob leise, der immer noch wie versteinert auf dem lehmigen Pfad stand. Sein Herz pochte in seinen Schläfen.

      Immer größere Tropfen rieselten von oben herab und erfüllten den Wald mit einem leisen Rauschen.

      Das grünliche Licht war gespenstisch.

      Ein Blitz zuckte in weiter Ferne.

      Bella war außer Sichtweite. Für einen Sekundenbruchteil war es nun still.

      Kein Laut von Bella und kein Rascheln. Nur der Regen.

      Dann plötzlich ein lautes tosendes Krachen, nur wenige Meter entfernt.

      Er schrie auf und stolperte einen Schritt zurück.

      Er sah zuerst die spitzen Ohren, die großen schwarzen Augen und den langen braunen Hals, der aus dem Gebüsch schoss. Dann ein zweites Paar Ohren und endlos lange Beine.

      Er verlor fast das Gleichgewicht. Hinter ihm war ein zwei Meter tiefes Loch mit kleinen herausgeschlagenen Steinplatten in der Mitte.

      Bella quiekte. Der Laut hallte durch den sonst so stillen Wald.

      Wie ein Geschoss stürzten zwei Rehe an ihm vorbei, schlugen einen Haken und verschwanden ebenso schnell, wie sie aufgetaucht waren, mit einem Krachen am Waldrand, an dem sich die Felder anschlossen. Bella wollte hinterherrennen, doch sie hatte sich ebenso erschrocken wie Jakob und wollte ihn auch nicht alleine lassen. Sie winselte leise und lief reumütig zu ihrem großen Menschenbruder, der inzwischen auf den Boden gesunken war und fast schon asthmatisch hechelte. Sie begann damit, seine Beine abzulecken.

      „Alter ....!“, rief er und hielt sich mit der Hand seine Brust und spürte sein pochendes Herz. Ein Adrenalinschauer explodierte in seinem Körper. Dem Schrecken folgte euphorische Entspannung, als er begriff, dass er sich wegen zwei Rehen fast in die Hose gepinkelt hatte. Gänsehaut überzog seinen ganzen Körper. Er musste laut loslachen.

      Bella nahm das zum Ansporn, laut zu kläffen und um ihn herumzutänzeln. Sie hatte nun auch ihr erstes Hundeabenteuer erlebt und war ziemlich stolz, diese großen braunen Ungeheuer verjagt zu haben.

      Das Grollen wurde lauter. Sie sollten sich nicht bei Gewitter im Kraterwald aufhalten.

      „Komm, Bella“, rief Jakob, der in vom Adrenalin aufgeputschter Stimmung war. Er zog sich seine Kapuze über den Kopf und hielt sie wie ein Vordach nach vorne, als er joggend den Wald über einen etwas breiteren Pfad an offizieller Stelle verließ. Bella rannte hinterher.

      Den Weg, der hinter dem Kraterwald weiterführte und sich durch eine grüne Böschung zog, war Jakob noch nie gegangen. Komisch eigentlich, denn hier lag alles so nah beieinander. Der Weg führte in ein anderes Stadtgebiet, an dem riesigen Steinbruch und weiteren Wäldchen und Teichen vorbei. Den Steinbruch konnte man nur erahnen. Er verbarg sich hinter einem Hang, der auf der rechten Seite des Weges steil nach oben führte. Mit Unkraut zugewuchert verbarg er die Mondlandschaft des Kalksteinbruches, die sich hinter ihm verbarg. In seiner Fantasie stellte Jakob sich vor, wie ein kleines Wesen über diesen Hang marschierte, das einen verzauberten Ring bei sich trug, um ihn in den Steinbruch zu werfen. Doch glühende Lava gab es hier nicht, nur jede Menge rutschigen Kies und die steilen Bruchkanten von den Sprengungen. Der Diesellärm der riesigen Schaufelbagger, die im Steinbruch arbeiteten, drang, begleitet von dem grollenden Himmel, in seine Ohren.

      Ob Lukas seinen Vorschlag, dort einmal hinzugehen, um nach Fossilien zu suchen, ernst gemeint hatte?

      Auf halber