Reisen Band 1. Gerstäcker Friedrich. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gerstäcker Friedrich
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754154229
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Kläglicheres auf der Welt, als eine officielle Freudenbezeigung.

      Interessant war es mir, am andern Tag die argentinische Kavallerie zu sehen, wie sie gerade von der „Fütterung" kam. Die Soldaten hatten Fleisch „gefaßt" und dasselbe in ihrer wilden appetitlichen Art ganz einfach unter den linken Steigbügel gebunden. Daß es ihnen beim tollen Ritt an die Füße und die Beine des Pferdes schlug, schien ihnen ziemlich gleichgütlig. In diesen Tagen mußten sie aber auch ausrücken, und zwar, wie ich von meinem alten Correo hörte, die nächsten Anstedlungen gegen die Indianer zu schützen, die sich toller Weise ganz in die Nähe Mendozas gewagt haben sollten. Der Alte meinte freilich, sie wären jedenfalls, da sie ihn am El Morro verfehlt hätten, auf seiner Spur nachge-/124/ kommen. Da man behauptete, einige kühne Unitarios seien die Führer der Wilden und hätten von Buenos-Ayres Kunde bekommen, daß der Correo wichtige Depeschen und Gold mit sich führe, so war die Sache gerade nicht unmöglich. Ich blieb übrigens nicht lange genug in Mendoza, um es bestätigt zu hören.

      Natürlich suchte ich jetzt auch, einmal an Ort und Stelle, soviel als möglich authentische Berichte über die Cordilleren und den Wintermarsch über sie hin einzuziehen. Die aber klangen hier am Fuß derselben fast eben so entsetzlich als in Buenos-Ayres und Rio de Janeiro, nur daß hier die Leute sämmtlich sagten, die Cordilleren seien keineswegs „geschlossen" und man könne den Uebergang jeden Tag versuchen und wohl auch glücklich zu Stande bringen, wenn man aber dabei e r w i s c h t w ü r d e, d. h. wenn man einen Temporale oder Schneesturm bekäme, dann wäre die Sache auch fertig und man könnte von Glück sagen, wenn man nur einfach erfröre und nicht auch noch verhungerte. - Hier war doch Hoffnung - hier gab es doch wenigstens keine Menschen, die da nur bei einer Erwähnung der Sache gleich schrieen, es ist total u n m ö g l i c h, es ist Wahnsinn, es nur versuchen zu wollen. - Auf den Temporale mußte ich es deshalb wagen.

      Acht volle Tage hatte ich in Mendoza gelegen und mich nach einem Führer über die Cordilleren umgesehen, während mir Alle riethen, doch ja lieber zu warten, bis der Correo von St. Jago herüber käme und ich mit dem dann nichts allein billiger, sondern auch sicherer gehen könne. Mir ließ es aber keine Ruhe mehr in der Argentinischen Republik. Es trieb mich meinem Fahrzeug wieder zu, und ich hatte nun so viel über die „furchtbaren Gefahren der Berge", über Erfrieren, blind und todtgeschlagen werden gehört, daß ich es endlich satt bekam und auch gleichgültig dagegen wurde. Eins nur schreckte mich wirklich im Anfang ein wenig, und das war der rasende Preis, den der erste Führer, den wir auffanden, forderte, mich sicher und gut hinüberzubringen, er war 300 Dollars - sagte dreihundert Dollars - und dabei mußte ich noch durch die Berge zu Fuß gehen. Er meinte aber, es sei in jetziger Zeit mit so vielen Umstän-/125/

      den und Gefahren verknüpft, daß er es - der gute Mann kam gleich um ein Drittel herunter - unter zweihundert keinesfalls thun könne. Selbst das war ich nicht im Stande zu geben und mußte mich nach einem andern umsehen. Dadurch aber verging die Zeit, und ich sah mich endlich genöthigt, wollte ich nicht noch eine Woche herumlaufen, die freilich etwas gemäßigteren, aber doch noch immer schweren Bedingungen eines andern Führers einzugehen, der nur fünf Unzen (also etwa 80 spanische Thaler) und außerdem noch Beköstigung verlangte - ebenfalls eine Sache von circa fünf Dollars, da man sich auf den schlimmen Fall eines Schneesturms vorsehen muß. Der Mann meinte außerdem, fünf Unzen sei jedenfalls in dieser Jahreszeit ein höchst mäßiger Preis, denn wenn man einmal sein Leben riskiren wolle, müsse man auch etwas dafür erhalten. Für den Weg rechnete er, wie er sagte, eine Unze - für die Gefahr die vier anderen.

      Der Preis der Unzen selber war in Mendoza sehr verschieden von Buenos-Ayres, wo die argentinische wie chilenische und mexikanische Doublone gleich sechzehn Dollars galt, während die argentinische und mexikanische hier siebzehn, die chilenische achtzehn Dollars stand.

      Jetzt, einmal mit einem Führer im Reinen, ging ich scharf daran, die nöthigen Provisionen einzulegen, und diese bestanden besonders in getrocknetem Fleisch, charque genannt, das die Argentiner zu diesem Zweck - nämlich in möglichst kleinen Raum zusammengedrängt - zuzubereiten wissen. Dieses getrocknete Fleisch, schon an sich fest und hart, wird nämlich noch mit Hämmern so zusammengeschlagen, bis es wie dicke Pappe aussteht und auch eben so leicht zu kauen ist; dann noch fest in ein kleines Paket geschraubt, bildet es zuletzt eine steinartige harte, felsenschwere Masse, an der sich die einzelnen Scheiben ablösen wie Marienglas. Es ist auf diese Art Allerdings eine nicht unbedeutende Quantität Nahrungsstoff in einen möglichst engen Raum zusammengedrängt. Außer dem Fleisch, was unser hauptsächlichstes Subsistenzmittel unterwegs sein sollte, hatte mir Herr Rohde oder „Don Carlos", wie er allgemein in Mendoza genannt wurde, da die Spanier fast nur die Vornamen bekannter Leute gebrauchen auch /126/ noch in wirklich freundlicher Weise Mehl besorgt, damit ich so wenig als möglich Kosten haben möchte. Zu diesem nahmen wir ein Mädchen in's Haus, das zu backen verstand und aus dem Mehl eine Art harter vortrefflicher Zwiebacke bereitete, und mit noch einigen Zwiebeln, etwas rothem Pfeffer, einer kleinen Büchse gebrannten und gemahlenen Kaffees, und einem eisernen Kocher, Wasser zu sieden, waren wir fix und fertig.

      So viel war indessen von dem blendenden Schnee der Cordilleren und vom wirklichen Erblinden Einzelner, die um diese Jahreszeit den Uebergang gewagt, gesprochen, daß Don Carlos (Schiller genirte mich ungemein bei diesem Namen) sich nicht abreden ließ, mir eine grüne Brille mitzugeben. Selbst der Führer versicherte mir dabei, ich würde sie gebrauchen können, denn er selber habe den Weg schon mehrere Mal gemacht und sich noch immer nicht an den blendenden Schnee gewöhnen können. Ich dachte kopfschüttelnd an unsere deutschen Schneeflächen, steckte aber doch die Brille vor allen Dingen einmal in die Tasche - ich kannte die Verhältnisse des Landes noch nicht, und die darin Eingeweihten wissen so etwas meistens besser wie der Fremde.

      Daß der Argentinische Staat übrigens ein Polizeistaat sei, sollte ich, ehe ich diese wirklich rothe Republik verließ, noch erfahren. Ich mußte nämlich, trotzdem daß mein Paß in Buenos-Ayres auf Valparaiso schon vistirt war, noch hier einen neuen Paß nach dieser Stadt nehmen und dafür (die Pässe sind in Mendoza theurer als die Pferde) 5 ¼ spanische Thaler bezahlen. Ich protestirte dagegen und verwies auf den schon nach Valparaiso vistrten Paß, die Polizeibeamten frugen mich aber, „was sie Buenos-Ayres (die Hauptstadt der Argentinischen Republik) anginge", und da ich ihnen hierauf keine genügende Antwort geben konnte, ersuchten sie mich um die „landesübliche Münzsorte".

      Interessant waren mir hier die Verhandlungen im Polizeigebäude, das ich ebenfalls nur mit rothem Band um den Hut und mit eben solchem im Knopfloch betreten durfte. - Meine spanische Erlaubnißkarte, die Argentinische Republik wieder verlassen zu dürfen, wurde in fünf verschiedenen Stuben von /127/ fünf verschiedenen Leuten unterschrieben - es war wie ein Stammbuch - und viermal prangte darauf die argentinische Devise viva la confederacion Argentina, mueran los vajes Unitarios.

      Doch genug von Mendoza, ich führe den Leser vielleicht einmal später wieder - wenn er Lust haben sollte, mir zu folgen - dahin zurück. Jetzt aber muß ich nach Valparaiso aufbrechen, sonst versäume ich mein Schiff, das vielleicht schon dort im Hafen liegt und - meiner nicht wartet, sondern so schnell als möglich seine Erfrischungen einzunehmen und sein Ziel - San-Francisco - zu erreichen sucht. Also über die Cordilleren!

      6.

      Wintermarsch über die Cordilleren.

      Am Mittwoch Abend, den 11. Juli 1849, setzten wir uns endlich, von meinen beiden deutschen Freunden Rohde und Schöpf bis zum nächsten, nur eine Legua entfernten Haltpunkt begleitet, in Marsch. Die Führer thun das gewöhnlich, um am nächsten Morgen gleich frei von der Stadt zu sein und recht früh aufbrechen zu können. Hier tranken wir noch ein paar Flaschen Wein zusammen, und ich warf mich, als sich die anderen Beiden wieder nach ihren eigenen Wohnungen zurückgezogen hatten, auf meine Decke, um der noch kurzen Nacht ein paar Stunden Ruhe abzugewinnen. Das erste Nachtquartier ging denn auch ruhig und ohne weiter etwas Besonderes vorüber. - Wir lagerten vor dem Haus, aber ohne Feuer, und es war ziemlich kalt, doch schlief ich gut - ich war nur froh, so weit wenigstens meinem endlichen Ziel ent-gegengerückt zu sein.

      Der Mond stand noch hell und klar am Himmel, als /128/ wir am Donnerstag Morgen in die Sättel sprangen. Die kleine Caravane bildeten mein Führer, ein Chilene, in einem sonst in der Argentinischen Republik verpönten grünen Poncho, zwei Peons oder Diener, von denen der eine mein