Wer ein gutes Pferd ausmiethet und damit zu Schaden kommt, kann sich auch darauf verlassen, daß er theuer genug dafür zu zahlen hat - für Buenos-Ayres nämlich - denn Pferde sind dort überhaupt spottbillig.
So viel schon hatte ich, während meines Aufenthalts in Buenos-Ayres, von den Saladeros oder Schlachtplätzen dieses bedeutenden Handelsortes für Fleisch und Häute gehört, daß ich nicht umhin konnte, die mir von allen Seiten beschriebenen Plätze auch einmal selber zu besuchen. Die Schlachtplätze liegen fast sämmtlich an der sogenannten Boca, etwa eine halbe Legua von der Stadt entfernt, und vor dem Frühstück sprengte ich eines Morgens, von einem jungen Deutschen begleitet, hinaus, das Schlachten des Viehes mit anzusehen.
Unser Weg führte uns fast durchgängig dicht am Fluß hin, und widerlich war mir hier besonders der Anblick der durch den Fluß an's Ufer geschwemmten gefallenen Rinder und Pferde. Der Geruch, oder besser gesagt der Gestank, wurde an mehreren Stellen so schauerlich, daß ich den Athem anhalten mußte. An einem Platz blieb uns sogar nichts weiter übrig, als über drei dicht beieinander liegende Pferde, oder wenigstens die Ueberbleibsel derselben, hinwegzusetzen. Deutsche Pferde wären hier unter keiner Bedingung vorwärts zu bringen gewesen; die Buenos-Ayres-Ponies kehrten sich aber nicht im Mindesten daran und würdigten ihre gefallenen Kameraden kaum eines Blickes.
Nach einem etwa viertelstündigen gestreckten Galopp erreichten wir endlich die Ufer der Boca, und ich konnte im Anfang nicht gleich herausbekommen, was das Weiße sein mochte, das beide Ufer an vielen Stellen eindämmte. Als wir aber näher kamen, erkannte ich zu meinem Erstaunen, daß es Rinderköpfe seien deren Hörner überall, regelmäßig aufgeschichtet, aus der darüber geworfenen Erde hervorschauten.
Drüben über der Boca lagen die flachen offenen Gebäude der Schlachtereien, und wir mußten noch eine Strecke an dem kleinen Wasser hinauf und dort über eine Holzbrücke reiten, wo, beiläufig gesagt, Zoll bezahlt wurde und wir gleich darauf den „blutigen Grund" betraten. In den nächsten Schlachtereien wurde heute nicht „gearbeitet" - es war dort „aufgeräumt" und sah verhältnißmäßig reinlich aus, und als wir langsam hindurchritten, sahen wir die in Massen aufgeschichteten und eingesalzenen Häute in den einzelnen Schuppen liegen. Mir war aber besonders darum zu thun, das wirkliche Schlachten der Thiere mit anzusehen, und glücklicher Weise fanden wir in der ersten Schlachterei gleich einen Deutschen, der uns zu dem gesuchten Orte wies. Schon von Weiten: hörten wir das Schreien und die gellenden Zurufe der Viehtreiber, und als wir näher kamen, sahen wir, wie eben wieder drei Reiter in den etwas vom Schauplatz entfernten Corral (eine Einfenzung) sprengten, um einen Theil der dort hineingestellten Thiere in die für ihren Fang bestimmte Fenz zu treiben. Einer von ihnen war eine besonders hervorstechende Persönlichkeit - ein alter schlankgewachsener, kräftiger Mann von sechsundfünfzig bis sechzig Jahren, zäh und wettergebräunt, aber mit einer solchen Galgenphpsiognomie, wie ich sie nur je ein Menschenantlitz entstellen sah. Er schien der Führer der Uebrigen und in Blut und Mord ergraut, und so mußten die Gestalten ausgesehen haben, die Rosas früher mit seinen Blutbefehlen beauftragte; holten sie doch ihre Opfer aus den Kreisen ihrer Familien heraus und durchschnitten ihnen die Kehlen Er ging ganz in die Tracht der Gauchos gekleidet, mit roth und blauem Poncho, eben solcher Cheripa und den gewöhnlichen Bolas von Pferdehaut an. Der Lasso hing ihm hinten am Sattel, denn ohne Lasso reitet kein solcher Bursche auch nur einen Schritt, und wenn der Poncho beim raschen Reiten in die Höhe flatterte, schaute darunter der Griff des hinten im Gürtel schräg steckenden Messers hervor. Der gleichfalls graue Bart umgab ihm in krausen, unordentlichen Zotteln Kinn und Backen, und eben solche Büschel /56/ hingen ihm über die Augen herunter. Ich konnte im Anfang meine Blicke von dem greisen Gaucho nicht abwenden, und hätte ich noch einen Zweifel über seinen Charakter gehabt, der nächste Augenblick würde ihn zerstört haben.
Drei dieser Corrals oder Umzäunungen lagen nämlich dicht nebeneinander, und der größte auch von dem Schlachtplatz am weitesten entfernt. Etwa halb so groß als dieser war der nächstfolgende, und der dritte und zur unmittelbaren Aufnahme der nächst zu schlachtenden Thiere bestimmte war der allerkleinste und konnte nur etwa vierzig bis fünfzig Stück halten. In den ersteren wurde das Vieh gleich aus den Pampas hineingetrieben, in dem zweiten das für den Gebrauch verlangte abgesondert, und in den dritten das zum Schlachten abgeführt. In den zweiten nun, in dem etwa 20 oder 30 noch ihrer Todesstunde harrten, sprengten die Drei und trieben die Thiere mit Schreien und Heulen der durch Knaben indeß geöffneten letzten Einfriedigung zu. Im Anfang ging das auch ganz gut; das junge Vieh wurde durch den wilden Lärm und die zum Schein hochgeschwungenen Hände, in denen sie stets den gefürchteten Lasso zu sehen glaubten, scheu gemacht und drängte von selbst von seinen Verfolgern weg. Kaum aber quoll ihnen, in der Nähe des letzten Corrals, der warme Blutgeruch ihrer vorangegangenen Kameraden entgegen, so suchten sie auch eben so rasch wieder zurückzufliehen und warfen sich ihren Henkern gerade entgegen. Aber zu spat; diese trieben sie, selbst durch das Gewicht ihrer Pferde, ihrem Bestimmungsort zu - es gab für sie kein Entrinnen mehr, und eingeschüchtert und halb betäubt wandte sich jetzt die kleine zitternde Schaar mit hochgehobenen Schnauzen, den gefürchteten Ort zu betreten. Doch das war den Treibern nicht rasch genug - vorwärts, mit Sporn und Revenka, treiben sie die eigenen Thiere an, auf die jungen Rinder einzusprengen; mit dem schweren eisernen Revenkaring schlugen sie auf die Knochen der ängstlich Blökenden nieder, und der alte greise Gaucho zog endlich mit wildem Fluch sein Messer und stieß es den hintersten Stieren, die nicht rasch genug vordrängen konnten, fünf bis sechsmal in den After - um die Haut nicht zu verletzen. Die Wunden wären, hätten sie noch /57/ draußen herumlaufen müssen, tödtlich gewesen; hier schadete es ja aber nichts. Die Thiere wurden gleich geschlachtet. Ich bin überzeugt, der Schuft hätte einem Menschen sein Messer mit eben solcher Ruhe in den Leib gerannt.
Als das letzte der armen, halb zu Tode geängstigten und blutenden Geschöpfe in den für sie bestimmten Corral sprang, schob er das lange Messer lachend unter den Poncho zurück, warf sein Pferd herum und galoppirte nun, von den Kameraden gefolgt, um die Einfriedigung herum auf die andere Seite der Schlachterei. Dort stieg er ab, befestigte ein langes, auf der Erde liegendes und aus roher Haut gedrehtes starkes Seil an seinem Sattelgurtring, welchem Beispiel die anderen Beiden, und zwar mit dem nämlichen Tau, folgten, und richtete sich dann, nach dem Corral zurückschauend, hoch im Sattel auf. Ich fand bald die Ursache von diesem allen.
Das Ledertau war ein langer starker Lasso, dessen über einen richtigen „Block" laufende Schlinge der auf der Umzäunung des Corrals stehende Schlächter in der Hand hielt, ein paar Mal um den Kopf schwang und dann mit fast nie irrender Sicherheit einem der Thiere um die Hörner warf. So wie die Reiter sahen, daß der Lasso geschleudert war, gaben sie ihren Thieren die Hacken, diese zogen an und rissen dadurch den gefangenen Stier zuerst auf die Vorderfüße, dann ganz nieder, und zu gleicher Zeit auch dicht zu der Stelle hinan, wo der Lassowerfer stand. Dieser hatte jetzt ein langes Messer in der Hand, bog er sich nieder, stach sein Opfer mit der scharfen Klinge in den Nacken dicht hinter die Hörner, daß es todt zusammenbrach, griff dann wieder nach dem Lasso und richtete sich auf, ihn auf's Neue zu werfen.
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