„Hugh!" rief der fremde Wilde und fuhr in der Sprache seines Volkes fort — „der Kahn ist gefunden, aber es ist Niemand da, mir zu helfen. Kommt, laßt uns ihn vom Felsen losmachen."
„Gern," antwortete Chingachgook, welcher den Dialekt verstand, „führe uns, wir wollen folgen."
Der Fremde, welcher mitten in dem Brausen der Wasser die Stimme und den Accent nicht zu unterscheiden vermochte, führte sie in der erforderlichen Richtung, wobei die beiden Letzteren sich dicht an seine Ferse hielten, und so erreichten alle Drei schnell den Kahn. Der Irokese hielt an dem einen Ende, Chingachgook stellte sich in der Mitte auf, und Jasper begab sich zu dem andern, da es von Wichtigkeit war, daß der Fremde nicht die Anwesenheit eines Blaßgesichts gewahr werde, — eine Entdeckung, die eben so gut durch die Kleidungsstücke, welche der junge Mann noch trug, als durch das Sichtbarwerden seines Kopfes hätte herbeigeführt werden mögen.
„Lüpft!" sagte der Irokese mit der seiner Rasse eigenthümlichen Kürze, und mit geringer Anstrengung machten sie den Kahn vom dem Felsen los, hielten ihn einen Augenblick in der Luft, um ihn auszuleeren, und setzten ihn dann sorgfältig in der geeigneten Lage auf das Wasser. Alle Drei hielten fest, damit er nicht unter dem heftigen Drängen der Strömung ihren Händen entschlüpfte, während der Irokese, welcher den Curs leitete und sich an dem Bug des Kahnes befand, die Richtung nach dem östlichen Ufer, oder dem Orte, wo seine Freunde seine Rückkehr erwarteten, einschlug.
Da der Delaware und Jasper auf dem Umstand, daß ihre eigene Erscheinung dem Indianer so gar nicht aufgefallen war, annehmen konnten, daß sich noch mehrere Irokesen in der Stromenge befanden, so fühlten sie die Nothwendigkeit der äußersten Vorsicht. Männer von weniger Muth und Entschlossenheit würden zuviel Gefahr zu laufen gefürchtet haben, wenn sie sich in die Mitte ihrer Feinde begaben; aber die kühnen Gränzleute kannten die Furcht nicht, waren mit Gefahren vertraut, und sahen die Nothwendigkeit, wenigstens die Besitzergreifung des Fahrzeugs von Seite der Feinde zu verhindern, zu sehr ein, um nicht mit Freuden zu Erringung dieses Zweckes sich sogar noch größeren Wagnissen zu unterziehen. Jaspern erschien auch in der That der Besitz oder die Zerstörung dieses Kahnes für Mabel so wichtig, daß er sein Messer zog, und sich bereit hielt, Löcher in denselben zu stoßen, um ihn wenigstens für den Augenblick unbrauchbar zu machen, wenn er und der Delaware durch irgend einen Umstand zum leeren Rückzug genöthigt werden sollten.
Mittlerweile schritt der Irokese, welcher den Zug anführte, in der Richtung seiner eigenen Partei, langsam durch das Wasser und schleppte seine widerstrebenden Hintermänner nach. Einmal hatte Chingachgook schon seinen Tomahawk erhoben, um ihn in das Hirn seines vertrauenden und argwohnlosen Nachbars zu senken; aber die Wahrscheinlichkeit, daß der Todesschrei oder der schwimmende Körper Lärm erregen würden, veranlaßte den behutsamen Häuptling, sein Vorhaben zu ändern. Im nächsten Augenblick bereute er jedoch seine Unentschlossenheit, denn plötzlich fanden sich die Drei, welche den Kahn festhielten, von vier Andern umgeben, welche gleichfalls nach dem Fahrzeug spähten.
Nach den gewöhnlichen kurzen charakteristischen Ausrufungen, welche ihre Zufriedenheit bezeichneten, hielten die Wilden den Kahn mit Lebhaftigkeit an; denn Alle schienen die Notwendigkeit, sich dieser wichtigen Erwerbung zu versichern, zu fühlen, da solche auf der einen Seite zur Verfolgung der Feinde, auf der andern zur Sicherung des Rückzuges dienen sollte. Dieser Zuwachs der Gesellschaft war jedoch so unerwartet, und gab dem Feinde ein so vollständiges Uebergewicht, daß sich selbst der Scharfsinn und die Gewandtheit des Delawaren einige Augenblicke in Verlegenheit befand. Die fünf Irokesen, welche den Werth ihrer Sendung vollkommen erkannten, drängten gegen ihr Ufer zu, ohne zu einer Besprechung anzuhalten: denn ihre Absicht ging in Wahrheit dahin, die Ruder, deren sie sich vorläufig versichert hatten, zu holen, und drei oder vier Krieger einzuschiffen, sammt allen ihren Büchsen und Pulverhörnern, deren Mangel allein sie verhindert hatte, sobald es dunkel war, über den Fluß zu schwimmen.
So erreichten nun Freunde und Feinde mit einander den Rand des östlichen Fahrwassers, wo, wie in dem westlichen, das Wasser zu tief war, um durchwatet werden zu können. Hier erfolgte eine kurze Pause, denn es war nöthig, die Art zu bestimmen, wie man den Kahn darüber wegbringen solle. Einer von den Vieren, welcher eben bei dem Boot angelangt war, war ein Häuptling, und da der amerikanische Indianer dem Verdienst, der Erfahrung und dem Range Achtung zu zollen gewöhnt ist, so verhielten sich alle Uebrigen stille, bis her Führer gesprochen hatte.
Durch diesen Halt wurde die Gefahr einer Entdeckung für Jasper, obgleich er zur Vorsorge seine Mütze in den Kahn geworfen hatte, noch vermehrt. Doch mochten seine Umrisse in der Dunkelheit, da er Jacke und Hemd ausgezogen hatte, weniger Aufmerksamkeit auf sich ziehen, und seine Stellung am Hintertheile des Kahnes begünstigte gleichfalls ein Verborgenbleiben, da die Indianer mehr vorwärts blickten. Nicht so verhielt sich's mit Chingachgook, welcher sich buchstäblich mitten unter seinen tödtlichsten Feinden befand und sich kaum bewegen konnte, ohne einen derselben zu berühren. Er verhielt sich jedoch ruhig, obgleich alle seine Sinne rege waren und er jeden Augenblick bereit stand, zu entwischen, oder im geeigneten Moment einen Schlag zu führen. Die Gefahr einer Entdeckung wurde noch dadurch vermindert, daß er sich sorgfältig enthielt, auf die, welche hinter ihm waren, zurück zu blicken, und so wartete er mit der unüberwindlichen Geduld eines Indianers auf den Augenblick, welcher ihm zu handeln gestattete.
„Mögen alle meine jungen Leute an's Land gehen und ihre Waffen holen, bis auf die zwei an den Enden des Boots. Diese mögen den Kahn über die Strömung wegbringen."
Die Indianer gehorchten ruhig und ließen Jasper an dem Stern, und den Indianer, welcher den Kahn aufgefunden hatte, an dem Bug des leichten Fahrzeuges. Chingachgook tauchte so tief in den Fluß, daß er ohne entdeckt zu werden, an den Andern vorbei kommen konnte. Das Plätschern in dem Wasser, das Schlagen der Arme und der gegenseitige Zuruf verkündete bald, daß die Vier, welche sich später zu der Gesellschaft gefunden, im Schwimmen begriffen waren. Sobald der Delaware sich hievon überzeugt hatte, erhob er sich, nahm seine frühere Stellung wieder ein und dachte nun aus den Augenblick des Handelns.
Ein Mann von geringerer Selbstbeherrschung als der unseres Kriegers würde wahrscheinlich jetzt seinen beabsichtigten Streich ausgeführt haben. Aber Chingachgook wußte, das noch mehr Irokesen hinter ihm in der Strömung sich befanden, und er war ein zu geübter und erfahrener Krieger, um irgend etwas unnützerweise zu wagen. Er ließ deßhalb den Indianer am Bug des Kahnes in das tiefe Wasser stoßen, und nun schwammen alle Drei in der Richtung des östlichen Ufers fort. Statt aber das Fahrzeug quer über die rasche Strömung treiben zu helfen, begannen Jasper und der Delaware, als sie sich mitten in dem kräftigsten Schusse des Wassers befanden, in einer Weise zu schwimmen, daß dadurch die weiteren Fortschritte in die Quere des Stromes verhindert wurden. Dieß geschah jedoch nicht plötzlich oder in der unvorsichtigen Manier, mit welcher ein civilisirter Mensch den Kunstgriff versucht haben würde, sondern mit Schlauheit und so allmählig, daß der Irokese am Bug zuerst dachte, er habe blos gegen die Gewalt der Strömung anzukämpfen. Wirklich trieb auch unter dem Einfluß dieser gegenwirkenden Operation der Kahn stromabwärts und schwamm in ungefähr einer Minute in dem stillen tieferen Wasser am Fuße der Stromenge. Hier fand jedoch der Irokese bald, daß etwas Ungewöhnliches sich dem Weiterkommen entgegenstemme, und als er zurückblickte, wurde es ihm klar, daß er den Grund desselben in den Bemühungen seiner Gehülfen zu suchen habe.
Jene zweite Natur, welche in uns die Gewohnheit erzeugt, sagte dem Irokesen schnell, daß er allein mit seinen Feinden sei. Mit einem raschen Stoße durch das Wasser fuhr er Chingachgook an die Kehle, und nun ergriffen sich die beiden Indianer, welche ihren Posten am Kahne verlassen hatten, mit der Wuth der Tiger. In der Mitte der Finsterniß und der düsteren Nacht, in einem Elemente schwimmend, das so gefährlich für einen tödtlichen Kampf sein mußte, schienen sie Alles mit Ausnahme ihres blutigen Hasses und des gegenseitigen Bestrebens, den Sieg davon zu tragen, vergessen zu haben.
Jasper hatte nun den Kahn, der unter den durch das Ringen der beiden Kämpfer hervorgebrachten Wellenstößen