Logroño - Nájera
Am 19.05.2011 hatten wir uns eine Strecke von Logroño bis Ventosa 19,2 km vorgenommen. Es war Zeit, gleich sollte die Markthalle öffnen. Wolfgang packte alles wieder in den Rucksack. Wir stiefelten über die Straße zur Markthalle.
Was versteht man unter einer Markthalle? Lebensmittel aller Art: Wurst, Käse, Obst, Gemüse, Brot frisch und dekorativ ausgelegt. Bei uns sind die Großmarkthändler Frühaufsteher, hier war es anders, die schliefen wohl noch. Außer einem Fleisch- und Wurstwarenstand gab es nur Kräuter. Also wieder raus, umkreisten die Halle und fanden einen Laden in dem wir uns Brot, Schinken und Wasser kauften. Nur ganz Mutige treiben mich ohne Kaffee, etwas Essbarem und Smoke durch die Stadt. Wolfgang wollte heute sehr - sehr mutig sein. Nach einem Kilometer gab er entnervt auf.
Trotz der gekauften Brote kehrten wir in das nächstbeste Café ein. Nachdem meine Mindestbedürfnisse gestillt waren, konnte es von mir aus losgehen.
Was ist das denn? Von rechter Seite kommend scherten Spanier, ganz – ganz viele Spanier, in den Weg ein. Nach Logroño folgt eine 2,8 km lange Parkanlage, die zum Naherholungsgebiet der Logroňer gehört. Das ist auch den Spaniern bekannt. Urplötzlich waren wir von über 100 Menschen umgeben. Schnatternd belegten sie, Junge und Ältere, in Fünfer- oder Sechserreihen den Weg. Wir versuchten mit ständigem ¡Hola! - ¡Buen camino! - ¡Buenos dias! - uns einen Weg durch die Massen zu bahnen. Vergiss es, sie waren eindeutig in der Überzahl. Wir machten ein Päuschen.
Es wurde ruhiger und wir konnten in dem uns angewöhntem Gleichschritt laufen, es war schon fast wie ”Paarlauf“. Kamen an dem Stausee Pantano de la Grajera vorbei. Schon hatten wir einen Teil der Gruppe eingeholt. Inzwischen waren auch die Fahrradfahrer aufgewacht. Oder hatten sie sich auf der Tour de France verfahren? In kurzen Abständen rief immer einer der Fußgänger von hinten – Bici –, man ging einen Schritt nach rechts und schon flogen drei oder vier Fahrradfahrer mit einem fröhlichen ¡Hola! – ¡Buen camino! – an einem vorbei. Ich möchte hier aber nicht den Eindruck erwecken, dass die Bicis rücksichtslos waren, das stimmt definitiv nicht.
Am Ende des Naherholungsgebietes unter einem Unterstand sitzt Marcelino, er trägt langes Rauschegrauhaar und ebensolchen Bart, der Wanderstäbe, Früchte und Wasser verschenkt. Bei ihm holten wir uns den besonderen Stempel, nun zieren Teodoro (sein Esel), Moru (sein Hund) und Marcelino unseren Pilgerpass. Wir liefen weiter bergauf, der Weg führt jetzt an der Autobahn lang. Unter einer Straßenüberführung knieten vier Fahrradfahrer um ein Bici. Schwitzend versuchten sie achthändig das Gefährt wieder fahrbereit zu machen. Ist doch auch mal nett Bicis zu überholen.
Der grobe Maschendrahtzaun an der Autobahn ist bestückt mit Kreuzen aus Holz, Blumen, Ästen, Tauen und Bändern. Den Grund weiß keiner, könnte mir aber vorstellen, dass es ein Ausdruck von Abschied – loslassen ist. Wir machten kein Kreuz, sondern gingen weiter und erreichten Navarrete.
Im unweigerlich angesteuertem Café, die übliche Bestellung und wir lernten ein Osnabrücker Paar kennen. Sie trägt immer um den Kopf geschlungene Tücher und ist eine der wenigen Frauen, die im kurzen Rock laufen. 2004 begannen sie von ihrem Heimatort aus mit dem Jakobsweg. Jedes Jahr laufen sie zwei bis drei Wochen. Innerhalb Deutschlands war es sehr schwer, eine Pilgerunterkunft zu bekommen. Sie würden nur in Herbergen übernachten. Ich denke nur - ach nö – ich lieber nicht!
An der Bushaltestelle am Ortsausgang stand ein junger Mann. Er trug Flip-Flops an den mit Blasen verzierten großen Füßen, die Blasen waren sichtbar entzündet. Nicht nur seine Füße sind groß, er klingelt bestimmt an der Zweimetermarke. Um seiner Größe noch mehr Ausdruck zu verleihen, trug er einen ledernen Stetson. Bekleidet war er mit einem ärmellosen Heavy Metal Shirt. Vom Ansehen würde man ihn eher in der Prärie vermuten und nicht auf dem Jakobsweg. Der junge Mann kam aus Hamburg, man ”riecht“ es, wenn jemand aus dem Norden kommt. Nein, er könnte nicht mehr laufen und würde sich vorerst mit den Bussen fortbewegen (oder weiterreiten?). Ob er denn keine Wanderstiefel habe. Doch – doch, er zeigte auf seine am Rucksack hängenden Stiefel. Eingelaufen? Ja, so 60 km. Und die Socken auch eingelaufen? Nein. Wir erklärten ihm, er müsse die Strümpfe erst tragen – waschen - tragen – waschen und so weiter. Meine Güte, was sind wir bloß für Wanderklugscheißer geworden!!
In Richtung Ventosa geht es weiter. Wir schottern bergauf und beginnen Wanderlieder zu singen. Bei: „Froh zu sein, bedarf es wenig“, hörte Wolfgang auf zu singen. Auf meine Frage, wieso er nicht weiter singt, meinte er nur: „Mensch das ist doch ein Canon.“ Na ja, mit zwei Personen. Überlegte noch krampfhaft, wo hatte ich die kopierten Liedertexte hingesteckt. Ach ja, sie lagen in dem ebenfalls ungenutztem Sprachführer. Immer wenn ich mich auf Spanisch verständigen musste, hatte ich keine Lust erst noch das Buch rauszukramen.
Die Schotterpiste führte lange an der Autobahn entlang. Schließlich erreichen wir unser gedachtes Etappenziel. Wir gingen an den auf der Straße sitzen- und liegenden Pilgern vorbei. Die Albergue öffnete erst um 13.00 Uhr und wir wollten dort ja sowieso nicht nächtigen. Wir schauten links, wir schauten rechts, es gab nichts außer dieser einen Herberge. Wir zuckelten zurück, just in diesem Moment war es 13.00 Uhr und die Herberge öffnete. Bekamen mit, dass die 42 Betten der Albergue schnell belegt waren. Gingen in die einzige Bar. Schauten in unserem Oberschlauführer, wie weit der nächste Ort entfernt sei. 10,3 km! Meine Füße quakten – nicht mit mir – Streik – nicht ein Schottersteinchen kommt uns heute noch unter die Sohle – ich stimmte ihnen zu.
An einem der Tische saß ein Hamburger, der Zweite heute. Nein, das war nicht nur ein Hamburger, er war die Personifizierung eines Hanseaten. Gepflegtes Aussehen, unterstrichen, durch ein locker um den Hals geschlungenes Paisley Tuch, sehr gerade Haltung, fleckenloses Shirt. Gesprächsmäßig kamen wir auch auf das Gewicht unserer Rucksäcke, seiner wiege 13 kg, er möchte schließlich ordentlich aussehen. Ja, so kann man das mal stehen lassen. Wir hatten weniger Gepäck, Wolfgang wollte sich auf der Tour nicht rasieren. Um Mund und Kinn breitete sich ein grauer Igel aus. Auf meinem Shirt, genau ”da!!zwischen“ prangte ein trotz Mühen nicht zu entfernender Fettfleck. Wieso eigentlich bei mir? Sonst hat Wolfgang immer diese sogenannten Fressflecken. Seine T-Shirts waren immer noch ohne Makel – beide T-Shirts – meine nicht – beide.
Der ältere Hamburger wartete auf ein Taxi das ihn in den nächsten Ort, Nájera, bringt sollte. Kurzer Blickkontakt unter Ehepartnern, leichtes Nicken, wir boten ihm die Teilung der Kosten durch drei an. Glücklich über diese Lösung tranken wir unseren Café. Wobei, Wolfgang jetzt immer öfter Coca Cola trank seitdem er bei Herrn Holland die Cola-Flaschen in dem ”Patronengurt“ gesehen hatte. Schlechter Einfluss. Vor der Bar saßen noch viele Pilger, die keine Übernachtungsmöglichkeit bekommen hatten.
Mit dem Taxi ging es nach Nájera, 10 km für 20,00 €. Der Fahrer hielt direkt vor einem Hotel. Zum Hotel gehörten eine Bar und ein Restaurant. Zimmer waren noch zu haben und angesichts der Bar gab es hier auch Frühstück. Na, geht doch. Wir hatten ein Zimmer mit drei Betten. Wolfgang packte mal wieder alles aus, stellte dabei fest, dass sein ganzer Rucksack voller Krümelchen war. Ich kluge Frau hatte das Brot - wieso hatten wir das nicht gegessen - in seinen Rucksack gepackt. Diesmal musste er auspacken.
Geduscht ließen wir uns auf der Wiese am Rio Najerilla nieder, wir mussten nur eine Straße überqueren, um diese Parkanlage zu erreichen. So richtig schön langmachen am Wasser, herrlich. Man sollte immer hinschauen, wo man sich niederlegt. Es war Frühling und die Wiese mit Blütenkerzen übersät. Nun sahen wir aus wie gefedert.
Es wurde Zeit, sich um die Ernährung zu kümmern. Vor einer Brücke,die über den Fluss führte, trafen wir die vier Amerikanerinnen wieder, eine der Jüngeren kam gerade im lockeren Jogger Stil - mit Rucksack – angelaufen. Sie waren auf Quartiersuche, ein Vierbettzimmer sollte es sein. Wolfgang erzählte von unserem Dreibettzimmer und dem Preis. Schon lief das Mädel wieder los, als wäre sie noch keinen Schritt gewandert, um in einem anderen Hotel Nachverhandlungen zu führen. Staunend folgte ich ihr, aber nur mit den Augen – och – meinte eine der Mädels, sie wär immer so.
Wir gingen über eine Brücke in das Viertel, wo ein Lokal neben dem anderen lag. Natürlich