Franz Kugler: König Friedrich II von Preußen – Lebensgeschichte des "Alten Fritz". Franz Kugler. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Franz Kugler
Издательство: Bookwire
Серия: gelbe Buchreihe
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783753192420
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Katte, schon zur Flucht gerüstet, Geistesgegenwart genug haben würde, für seine Sicherheit zu sorgen. Keith empfing, ehe der König nach Wesel kam, einen mit Bleistift geschriebenen Zettel von des Kronprinzen Hand, mit den Worten: „Rette dich, alles ist entdeckt.“ Er verlor die rechte Zeit nicht, setzte sich augenblicklich zu Pferde und erreichte im Galopp die holländische Grenze. Selbst noch im Haag durch einen preußischen Offizier verfolgt, den der König zu seiner Verhaftung nachsandte, entkam er glücklich auf einem Fischerboote nach England und ging von da nach Portugal, wo er Kriegsdienste nahm.

      Nachdem man in Wesel angelangt war, wurde der Kronprinz gefangen gesetzt und sein Gemach durch Schildwachen mit bloßen Bajonetten verwahrt. Am folgenden Tage erhielt der Festungs-Kommandant, Generalmajor von der Mosel, Befehl, den Prinzen vor den König zu führen. Sobald der Kronprinz zu dem Könige eintrat, fragte ihn dieser mit drohendem Tone, warum er habe desertieren wollen. „Weil Sie mich“, antwortete der Prinz, „nicht wie Ihren Sohn, sondern wie einen Sklaven behandelt haben.“ – „Du bist ein ehrloser Deserteur“, rief ihm der König entgegen, „der kein Herz und keine Ehre im Leibe hat!“ – „Ich habe dessen so viel wie Sie“, versetzte der Prinz, „und ich tat nur, was Sie, wie Sie es mir mehr als hundertmal gesagt haben, an meiner Stelle getan haben würden!“ – Diese Worte erregten aufs Neue des Königs ganzes Ungestüm; er zog seinen Degen und würde den Prinzen durchbohrt haben, wäre ihm nicht der General Mosel in den Arm gefallen. Vor den Prinzen tretend rief dieser würdige Mann aus: „Töten Sie mich, Sire, aber schonen Sie Ihren Sohn!“ Die Kühnheit des Generals machte den König zaudern, und jener benutzte den Moment, den Prinzen hinauszuführen und in seinem Zimmer vorläufig in Sicherheit zu bringen. Die übrigen Generale vermochten es über den König, dass er sich entschloss, den Prinzen nicht mehr zu sehen und ihn der strengen Obhut einiger Offiziere, auf die er sich verlassen konnte, anzuvertrauen. Er selbst reiste einige Tage darauf nach Berlin ab.

      Jene Offiziere hatten den Auftrag erhalten, mit dem Kronprinzen etwas später von Wesel aufzubrechen und ihn so schnell und so geheim als möglich nach Mittenwalde zu führen, wo er zunächst in Verwahrsam bleiben sollte. Es war ihnen verboten, auf der Reise das hannoversche Gebiet zu berühren, damit der Prinz nicht etwa durch englische Hilfe entführt werden möchte. Zugleich war ihnen anbefohlen, den Prinzen durchaus streng zu halten und ihn mit niemand sprechen zu lassen. Doch fehlte wenig, dass Friedrich, trotz dieser Vorsicht nicht schon in Wesel seiner Haft entkommen wäre. Er war im Volke, im Gegensatz gegen die bekannte Strenge des Königs, allgemein beliebt; jetzt hatte sein Unglück einen förmlichen Enthusiasmus für ihn hervorgerufen. Manch einer hatte sein Leben gewagt, um nur ihn in Freiheit zu wissen. Schon hatte er heimlich eine Strickleiter und das Kleid einer Bäuerin erhalten, schon war er in dieser Vermummung bei nächtlicher Weile aus dem Fenster gestiegen, als die Schildwache unter seinem Fenster, die er nicht bemerkt hatte, ihn anrief. Nun blieb ihm nichts übrig, als sich in sein Schicksal zu ergeben, und willig ließ er sich am folgenden Tage von Wesel abführen. Auf der Reise selbst machte er keine weiteren Versuche zur Flucht, obschon der Landgraf von Hessen-Kassel und der Herzog von Sachsen-Gotha nicht abgeneigt gewesen wären, ihn vor dem Zorne des Vaters zu schützen, was er freilich vielleicht nicht wusste.

      * * *

      Siebentes Kapitel – Das Gericht

       Siebentes Kapitel – Das Gericht

      Katte war inzwischen auf keine Weise für seine Sicherheit besorgt gewesen. Schon verbreitete sich ein dumpfes Gerücht von der Verhaftung des Kronprinzen in Berlin. Von verschiedenen Seiten kamen ihm, dessen Verhältnisse zum Prinzen nur allzu bekannt waren, warnende Stimmen zu Ohren; aber er wartete geduldig auf die Vollendung des schönen französischen Kuriersattels, den er sich bestellt hatte, um in den verborgenen Behältnissen desselben Papiere, Geld und dergleichen umso sicherer mitnehmen zu können. Endlich erbat er sich – es war am Abend vor der Nacht, in welcher sein Verhaftsbefehl ankam – von einem Vorgesetzten die Erlaubnis, am nächsten Tage Berlin verlassen zu dürfen, angeblich, um einer Jagdpartie in der Nähe beiwohnen zu können. Man zögerte mit der Ausführung des Befehles, bis man ihn genügend entfernt glaubte; als man sich endlich in seine Wohnung verfügte, fand man ihn erst im Begriffe das Pferd zu besteigen. Nun war sein Schicksal entschieden; er musste sich gefangen geben. Eine versiegelte Kiste, welche die Papiere und Kleinodien des Kronprinzen enthielt, ließ er der Königin überbringen.

      Gleichzeitig mit Kattes Verhaftungsbefehl kam ein Schreiben des Königs an die Oberhofmeisterin der Königin, worin diese gebeten wurde, die Letztere von der versuchten Desertion des Kronprinzen und von seiner Gefangennehmung zu benachrichtigen. Die Bestürzung in der königlichen Familie war groß; erhöht wurde sie durch den Empfang jener Kiste, die man nicht unterschlagen durfte, die aber sehr Bedrohliches, nicht nur für den Kronprinzen, sondern auch für die Königin selbst und namentlich für die älteste Prinzessin enthalten konnte. Man hatte ohne Wissen des Königs eine sehr ausgedehnte Korrespondenz miteinander geführt, in welcher die Ausdrücke nicht immer mit genügender Ehrerbietung gegen den König abgewogen und namentlich auch die Angelegenheiten in Bezug auf England vielfach berührt waren. Endlich kam man zu dem Entschlusse, das Siegel abzunehmen, das Schloss der Kiste zu erbrechen, alle gefährlichen Schriften zu verbrennen und dafür eine bedeutende Anzahl neugeschriebener Briefe unschuldigen Inhalts mit verschiedenen älteren Daten hineinzulegen. Dann ward die Kiste wieder versiegelt, indem man ein dem vorigen ganz ähnliches Petschaft aufzufinden wusste.

      Am 27. August kehrte der König nach Berlin zurück. Seine erste Frage war nach der Kiste. Als ihm dieselbe gebracht wurde, verlangte ihn mit solchem Ungestüm nach ihrem Inhalte, dass er sie, statt sie zuvor zu besichtigen, sogleich aufriss und die Briefe herausnahm. Er hatte den Verdacht, die beabsichtigte Flucht des Prinzen sei die Folge eines förmlichen Komplottes, an dessen Spitze England gestanden habe und in welches seine Gemahlin und seine älteste Tochter mit verwickelt seien. Er vermutete, dass man hierbei mehr, als nur jene alten Heiratspläne im Sinne gehabt; lag es doch im Bereiche der Möglichkeit, dass es auf seinen Thron, wenn nicht gar auf sein Leben abgesehen gewesen sei. Dass er in der Kiste keine Zeugnisse fand, machte, statt ihn zu beruhigen, seinen Zorn nur umso heftiger; er argwöhnte, dass man ihm durch eine List zuvorgekommen sei. Sein ganzer Ingrimm wandte sich nun gegen seine Familie und namentlich hatte die Prinzessin Wilhelmine aufs Schwerste zu leiden. Er schwur, dass er den Kronprinzen werde umbringen lassen und dass die Prinzessin das Schicksal ihres Bruders teilen werde. Nur die Oberhofmeisterin der Königin, Frau von Kamecke, wagte es, ihm mit heldenmütiger Unerschrockenheit entgegenzutreten. Sie folgte ihm in sein Zimmer und beschwor ihn, der Königin zu schonen und das Unternehmen des Kronprinzen nur als das, was es sei – als einen Schritt jugendlicher Unbesonnenheit zu betrachten. „Bis jetzt“, sagte sie zu ihm, „war es Ihr Stolz, ein gerechter und frommer König zu sein, und dafür segnete Sie Gott; nun wollen Sie ein Tyrann werden – fürchten Sie sich vor Gottes Zorn! Opfern Sie Ihren Sohn Ihrer Wut, aber sein Sie auch dann der göttlichen Rache gewiss. Gedenken Sie Peters des Großen und Philipps des Zweiten: Sie starben ohne Nachkommen und ihr Andenken ist den Menschen ein Gräuel!“ Diese Worte schienen Eindruck auf den König zu machen, aber nur auf kurze Zeit.

      Inzwischen war, auf Befehl des Königs, Katte vor ihn geführt worden, um gerichtlich verhört zu werden. Die erste Begrüßung des Gefangenen bestand wiederum nur in wilder Misshandlung. Katte beantwortete die ihm vorgelegten Fragen mit Standhaftigkeit; er erklärte, dass er allerdings an der Flucht des Kronprinzen habe teilnehmen wollen, dass es die Absicht des Letzteren gewesen sei, nach England zu gehen, um dort vor dem Zorne des Königs geschützt zu sein, dass er, Katte, den Zwischenträger zwischen dem Kronprinzen und der englischen Gesandtschaft gemacht habe, dass aber der Prinzessin Wilhelmine dieser Plan nicht mitgeteilt worden und dass von irgend einem Unternehmen gegen die Person des Königs oder überhaupt gegen die Angelegenheiten desselben niemals die Rede gewesen sei. Im Übrigen berief er sich auf die Papiere des Kronprinzen. Eine neue Durchsicht der Letzteren ergab natürlich nichts, was zu weiterer Anschuldigung dienen konnte. Aber der Verdacht, dass die wichtigeren Papiere unterschlagen seien, blieb rege, und die Prinzessin wurde unausgesetzt mit Strenge behandelt. Nach beendigtem Verhöre musste Katte die Uniform ausziehen, und ward in einem leinenen Kittel auf die Hauptwache geschickt. Gegen die übrigen Freunde des Kronprinzen und die sonst seinen Interessen günstig gewesen