Im Busch / Kriegsbilder aus dem dt.-franz. Krieg. Gerstäcker Friedrich. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gerstäcker Friedrich
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754154243
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er auf, nahm das ihm gehörende Geldpaket unter den Arm, hing seine Waffen um, warf noch einen scheuen Blick über die Gruppe der Schlafenden und stieg leicht und geräuschlos, ohne Abschied von den Kameraden, den Hang hinunter, mitten in den Wald hinein.

      3.

      Das erste Gold.

      Die königliche Mail setzte indessen ihren Weg, den Berg hinunter fort, und der Maildriver oder Kutscher schien nicht übel Lust zu haben, das, wie gewöhnlich, in einem scharfen /20/ Trab zu thun, um von der überdies versäumten Zeit soviel wie möglich wieder einzuholen. Was kümmerte er sich um den verwundeten Passagier! Der alte Herr aber schien nicht gesonnen, das einmal begonnene Liebeswerk halb zu thun, und die Schulter des Kutschers mit der einen Hand fassend, während er im andern Arm den Verwundeten hielt, schwor er, daß er ihn in Sidney augenblicklich wegen absichtlicher Tödtung verklagen werde, wenn er nicht Schritt - und zwar langsamen Schritt bis zum nächsten Haus führe. „Der Geschossene," setzte er hinzu, „habe jedenfalls einen der Räuber erkannt - hier sei noch die Möglichkeit, der Bande auf die Spur zu kommen, wenn er am Leben erhalten würde - bei diesem tollen Fahren sei das aber nicht möglich, und er, der Kutscher, mache sich des Einverständnisses mit den Mördern verdächtig,

      wenn er nicht augenblicklich dem Befehl Folge leiste."

      Das half. Der Bursche fluchte zwar ingrimmig in den Bart hinein, aber er wagte doch nicht, dem angedrohten Gerichtshof gegenüber dem Befehl zu trotzen, und nach anderthalb Stunden etwa erreichten sie die erste menschliche Wohnung - ein kleines Haus dicht am untern Berghang, wo der Verwundete vom Wagen genommen werden mußte, denn einen

      weiteren Transport hätte er nicht ertragen.

      Selbst hier freilich würde er nur schlechte und ungenügende Pflege erhalten haben, denn der Platz war weiter nichts wie einer der zahlreich am Wege zerstreuten Grogshops oder Trinkhäuser, eine Art von Wirthschaft, wo aber die Reisenden nichts als geistige Getränke der schlechtesten Art bekommen konnten, und heute noch dazu mit einer Gesellschaft halbtrunkener Irländer gefüllt, die nach Bathurst hinauf wollten, um Arbeit zu suchen. Nicht weit davon lag aber die Station eines sehr wohlhabenden Heerdenbesitzers in einem kleinen freundlichen Thal, und der Stockkeeper war eben herübergekommen, um mit der Post von Bathurst erwartete Briefe des Eigenthümers in Empfang zu nehmen, so wie andere nach Sidney aufzugeben. Er stand mit den aus der Trinkstube herausgeströmten Iren am Wagen, als der Kutscher einen mehr aus Flüchen als Worten bestehenden kurzen Abriß des Ueberfalls gab, und erfuhr kaum, daß einer der Passagiere schwer verwundet, aber /21/ noch am Leben sei, als er auch augenblicklich Anstalt traf, ihn auf die Station schaffen zu lassen. Vier der Leute fanden sich auch bereit, den armen Teufel - gegen ein gutes Trinkgeld natürlich - hinüber zu tragen - einen Andern schickte der Stockkeeper gleich voraus, die Ankunft des Verwundeten zu melden, der alte Herr versprach ebenso, von Pendrith aus direct einen Wundarzt herüber zu schicken, und es war somit für den Augenblick Alles gethan, was nur geschehen konnte, um den Funken von Leben, der noch in dem Unglücklichen lag, zu erhalten und wieder zu wecken.

      Hier hatte man auch die beiden Pferde aufgefangen, die sich oben am Berg losgerissen, und gleich schon etwas Aehnliches vermuthet. Derlei Ueberfälle kamen aber häufig vor, und da sie nur höchst selten blutig abliefen, hatte man sich nicht so ernst darum gekümmert. Kutscher und Passagiere wußten sich bei solchen Gelegenheiten schon immer selber zu helfen, und den Räubern oder Bushrangern im Walde nachzusetzen, wäre eine sehr undankbare, und jedenfalls vollkommen nutzlose Arbeit und Anstrengung gewesen - von der Gefahr ganz abgesehen, der sie sich thörichter Weise dabei aussetzten.

      Die Post rasselte, eine halbe Stunde später etwa, jetzt durch nichts mehr behindert, in wilder Eile zu Thal, die Passagiere darin auf das Unbarmherzigste zusammenschüttelnd, und auf einer rasch hergerichteten Bahre trugen indeß vier Männer den schwer Verwundeten durch die Nacht nach der Station hinüber, wo indessen sorgende Frauenhände schon arbeiteten, ihm ein bequemes und weiches Lager herzurichten.

      Der von dem Stockkeeper abgesandte Bote hatte nämlich schon seine Meldung gemacht, und wohl in keinem Lande der Welt herrschte - besonders noch vor der Entdeckung des Goldes, die freilich alle Verhältnisse umstürzte - eine größere und unbeschränktere Gastfreundschaft, als in Australien.

      Jeder Reisende, der nicht gerade mit der Post fuhr, und dann natürlich auf die Gasthäuser angewiesen blieb, an denen die Pferde gewechselt wurden, ward freundlich, ja selbst herzlich aufgenommen, und gehörte er nicht den besseren Ständen an, daß ihm ein Zimmer im Herrenhause zugewiesen werden konnte, so durfte er wenigstens fest darauf rechnen, in der /22/

      Küche oder bei dem Stock- oder Hutkeeper sein Nachtquartier und so viel an Thee, Hammelrippen und dem australischen Brod (damper) zugetheilt zu bekommen, wie er eben verzehren konnte.

      Die Sutton'sche Familie auf dieser Station machte denn auch keine Ausnahme von der Regel. Kaum hörten die Mitglieder derselben, die eben in der untern Stube bei ihrem Thee saßen, von dem geschehenen Unglücksfall und dem Gast, den ihnen ihr Stockkeeper, ohne weitere Anfrage vorher, als etwas von selbst Verständliches, herüber schaffen ließ, als auch augenblicklich eins der kleinen Fremdenstübchen für ihn hergerichtet wurde, und eine Stunde später lag der noch immer Bewußtlose mit einem allerdings jetzt nur noch nothdürftigen Verband, wie ihn Mr. Sutton selber hatte anlegen können, auf seinem Lager ausgestreckt, und von jeder Bequemlichkeit und Sorgfalt umgeben, welche die Umstände hier nur irgend verstatteten.

      Ob die Wunde tödtlich sei, mußte jedenfalls erst eine ärztliche Untersuchung bestimmen. So viel ließ sich jetzt nur feststellen, daß die Kugel in die rechte Brust gedrungen und schräg unter dem rechten Schulterblatt wieder hinausgefahren sei. Hatte sie dabei edle Theile stark verletzt, so war der Tod freilich unvermeidlich.

      Weiter und weiter rasselte indessen die Post bis zur nächsten Station, wo die Pferde gewechselt wurden und der alte Herr, der sich schon unterwegs des Kranken so theilnehmend angenommen, einen Wundarzt absenden konnte, um ihm die jetzt allernöthigste Hülfe zu leisten - weiter und weiter der Haupt- und Residenzstadt Sidney zu, die sie am nächsten Tage erreichte, und nicht blos die Nachricht des Ueberfalls dorthin brachte. - Ein solches ,,Abenteuer" wäre ziemlich spurlos an den Bewohnern von Sidney vorübergegangen, denn so oft auch etwas Derartiges in Wirklichkeit vorfiel, so viel erdichtete Geschichten über derlei Anfälle circulirten fortwährend, und eine solche Thatsache gab dann allen übrigen Bestätigung. Nein, die Reisenden von Bathurst brachten ganz andere, viel wichtigere Kunde mit, und zwar die Bestätigung eines andern Gerüchts, das schon einige Tage in der Stadt gewissermaßen gespukt hatte, und nun plötzlich mit voller Kraft zum Ausbruch kam, /23/ ohne die Tragweite noch übersehen zu lassen, die es für diese wie für alle übrigen Colonien Australiens haben mußte: die Entdeckung des Goldes.

      „Gold! - oben in den Bergen liegt Gold - Minen liegen dort, viel reicher, als sie je in Californien gefunden wurden - Schätze, von denen das Land in seinen kühnsten Träumen keine Ahnung gehabt - Gold! Reisende von oben haben schon ganze Klumpen heruntergebracht, und oben in den Bergen liegt's; man braucht nur eben hinzugehen und es aufzuheben."

      An jedem Gerücht ist gewöhnlich wenigstens etwas Wahres, wenn es die Phantasie der Weiterträger auch nach eigenem Gefallen ausschmückt und entstellt. Einer der Reisenden mit der Bathurst-Mail hatte allerdings Proben körnigen Goldes, die dort oben gefunden waren, mit heruntergebracht und den gierigen Blicken der Bushranger zu entziehen gewußt, und das war in der That die Bestätigung der Meldung, die dem Gouverneur schon vor einiger Zeit von anderer Seite gemacht worden.

      Die königliche Mail war in den blauen Bergen von Bushrangern angefallen, ihrer Briefe beraubt, und ein oder ein halb Dutzend Passagiere waren dabei getödtet worden - wen kümmerte das jetzt? - wer dachte noch daran? - Oben in den Bergen lag Gold, und als ob ein Telegraphendraht die sämmtlichen Wohnungen Sidneys verbunden hätte, so sprach an dem nämlichen Abend kein Mensch in der ganzen Stadt von etwas Anderem als Gold, Gold, Gold!

      Und wie sah -Sidney am andern Morgen aus?

      In sonstiger stiller Zeit begann das Geschäftsleben des immer ziemlich rührigen und thätigen Platzes gewöhnlich um acht oder halb neun Uhr Morgens, und beschränkte sich dann noch immer auf den Detailverkauf der kleinen Läden, da größere Geschäfte