Die Schiffe der Waidami. Klara Chilla. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Klara Chilla
Издательство: Bookwire
Серия: Die Piraten der Waidami
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738017557
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am Arm und stieß ihn, gröber als sonst, in den Schlamm. Torek versuchte mit ein paar stolpernden Schritten, den Sturz aufzuhalten, fiel aber laut klatschend in den Dreck.

      Es war ihm egal! Ein irres Lachen drang aus seinem Mund, das ihn selbst überraschte und völlig fremd klang. Diesmal lachte er! Torek drehte sich gelassen um und setzte sich mit ausgestreckten Beinen in den Schlamm.

      Recam und die anderen standen immer noch am Rand der Pfütze und sahen ihn völlig entsetzt an.

      „Du bist ja wahnsinnig!“ Longin spie ihm die Worte wütend entgegen und ging langsam rückwärts.

      „Das mag sein, aber er ist in wenigen Jahren tot, der große Krieger!“ Torek lachte nun, dass ihm die Tränen aus den Augen quollen. Mit Genugtuung verfolgte er, wie Longin und Furbin den erstarrten Recam an der Schulter packten und eilig mit sich in den Dschungel zogen.

      „Nur noch wenige Jahre, Recam. Und du wirst bei dem jämmerlichen Versuch sterben, ein paar Seher zu retten!“ Das Lachen schüttelte inzwischen seinen ganzen Körper. Torek atmete mehrmals tief durch, um sich zu beruhigen.

      Sie werden mich nicht nochmal quälen, dachte er und stand auf. Den Schlamm wischte er dabei so gut es ging von seiner Kleidung. Zum ersten Mal in seinem Leben fühlte er sich stark. Nachdenklich betrachtete er seine schmalen Hände, die an viel zu langen und viel zu dünnen Armen saßen. Seine Stärke war unübersehbar nicht körperlicher Art, aber immerhin so mächtig, dass ein Mann wie der Oberste Seher großes Interesse daran zeigte. Denn, dass das Interesse über das normale Maß an einem Schüler hinausging, hatte er sehr wohl bemerkt, als er gerade bei Bairani gewesen war. Und das würde er für sich nutzen.

      Torek stieg mit neu erwachtem Stolz aus der Pfütze heraus. Er setzte seinen Weg laut jubelnd fort, denn diesmal durfte ihn jeder hören.

      *

      Nolani schaute verwundert auf, als sie aus der Hütte trat, um ihrem Mann und Durvin zwei Becher mit Batava zu bringen. Lautes Singen schallte den Weg herab. Es war unzweifelhaft die Stimme ihres Sohnes.

      „Was ist denn mit Torek?“ Der Seher runzelte leicht die hohe Stirn und sprach damit laut aus, was auch Nolani durch den Kopf ging. Sie konnte sich nicht daran erinnern, ihn je so ausgelassen singen gehört zu haben.

      Shemar schaute schweigend in die Richtung des Gesangs, aus der sich sein Sohn mit weitausgreifenden Schritten rasch näherte.

      „Vielleicht hat er gute Neuigkeiten. Bairani hat heute Morgen nach ihm geschickt.“ Er sprach ruhig, trotzdem veranlasste Durvin ein merkwürdiger Unterton darin, erst Shemar und dann Nolani mit einem langen Blick zu betrachten.

      „Er ist ja voller Schlamm!“ Nolani riss erstaunt die Augen auf und ging Torek einige Schritte entgegen. „Was ist passiert, Torek? Bist du wieder Recam und seinen Freunden begegnet?“ Sie machte eine Pause, in der sie Luft holte, um ihre Tiraden fortsetzen zu können. „Ich verstehe das wirklich nicht, ihr vier seid doch zusammen aufgewachsen.“ Nolani stemmte die Fäuste in ihre stämmigen Hüften und ignorierte, dass Toreks Miene sich abrupt verdunkelte und er seinen Gesang einstellte. Er zog seinen Kopf leicht ein, und seine blassen Augen wanderten von einem zum anderen.

      „Hallo, Durvin.“

      „Torek!“ Durvin lächelte den Jungen freundlich an, und auch sein Vater schenkte ihm ein Lächeln, in dem jedoch auch unverkennbar gutmütiger Spott saß.

      „Wie kommst du zu einem Schlammbad, mein Junge?“

      Nolani presste vor Ärger die Lippen fest aufeinander. Natürlich fanden beide Männer es wieder höchst amüsant, dass Torek mit den anderen aneinandergeraten war. Ihr Mann vertrat sowieso die Meinung, dass Torek zu weich war und noch lernen musste, sich durchzusetzen. Nolani verdrehte innerlich die Augen und warf einen Blick auf Shemar, der nun mit vor der Brust verschränkten Armen seinen Sohn betrachtete. Er war jetzt fünfzig Jahre alt. Langsam schlich sich das Alter herbei und hinterließ seine noch unauffälligen Spuren auf seinem Körper und in seinem Gesicht. Seine Figur war immer noch stattlich, und er war voller Hingabe und Stolz ein Wächter der Seher, wie er es auch bereits als junger Mann gewesen war.

      Die Stimme ihres Sohnes riss sie aus ihren Gedanken, und sie sah wieder zu ihm, als er erst stockend und mit offensichtlicher Scham von der Begegnung berichtete. Doch dann änderte sich schlagartig etwas in seiner Haltung. Torek richtete sich kerzengerade auf, und ein schadenfrohes Grinsen überzog sein Gesicht.

      „… und dann hatte ich die Vision von Recams Tod und habe ihm davon erzählt.“

      Nolani überkam ein leichter Schwindel, als sie die Begeisterung in seiner Stimme hörte und das boshafte Leuchten, das in seine Augen getreten war. Was geschah da mit Torek?

      Gerade lachte er unnatürlich laut auf und berichtete voller Genugtuung, dass Recam förmlich vor ihm geflüchtet war. Für einige Augenblicke herrschte Schweigen, in denen Nolani nicht wusste, wie sie reagieren sollte und ihr Mann einen langen Blick mit Durvin tauschte.

      „Du hättest Recam nicht mit der Vision erschrecken dürfen. Ein Seher nutzt seine Fähigkeiten nicht dazu, um andere zu verletzen.“

      „Er hat es verdient.“ Torek schob trotzig die Unterlippe vor und begegnete ihrem Tadel mit einem düsteren Blick.

      „Visionen zu erhalten ist eine große Verantwortung, mit der man erst lernen muss umzugehen. Du musst stets überlegen, was für Auswirkungen die Offenbarung haben kann und dies vorher gut abwägen. – Du hast ungewöhnlich klare Visionen für dein Alter, Torek. Das bedeutet auch eine große Macht, mit der du viel Schaden anrichten kannst.“ Durvin lächelte immer noch freundlich und neigte sich mit erhobener Hand zu Torek. „Lass mich an deinen Visionen teilhaben, damit ich sie für dich ordnen kann, und ich werde dir sagen, welche du nicht mitteilen solltest.“

      „Oh nein, auf keinen Fall!“ Torek hob abwehrend die Hände und starrte Durvin misstrauisch an. „Der Oberste Seher hat mich davor gewarnt, meine Visionen mit jemand anderen als ihm zu teilen. Er hat gesagt, dass andere Seher meine Visionen als die ihren ausgeben könnten. Außerdem wird er mir alles beibringen, was nötig ist. Deshalb hat er mich auch heute zu sich gerufen.“ Er lächelte triumphierend. Nolani fuhr ein schmerzhafter Stich durchs Herz, während Durvins Arm plötzlich kraftlos auf den Tisch sank.

      Shemar erhob sich und legte seinem Sohn eine Hand auf die Schulter. Schmerzhaft erkannte Nolani, dass er sich dazu zwang, eine beeindruckte Miene aufzusetzen.

      „Das ist eine große Neuigkeit, Torek. Ich bin stolz auf dich, und ich hoffe, dass du dir deiner Verantwortung umso mehr bewusst bist, da es seit Generationen keinen Schüler mehr beim Obersten Seher gegeben hat.“

      Toreks Trotz verschwand spurlos, und er nickte ehrfürchtig.

      „Ich werde gut auf den Obersten Seher hören, das verspreche ich.“

      Genau das befürchte ich, dachte Nolani. Ihr Herz wurde schwer. Am liebsten hätte sie Torek in die Arme gezogen, um ihn wie ein kleines Kind vor der drohenden Gefahr zu schützen. Doch ihr waren nicht die warnenden Blicke von Shemar entgangen, und sie hielt sich zurück.

      Torek wandte sich eifrig an seinen Vater.

      „Du hast doch früher Seher auf ihre Reisen begleitet. Was habt ihr so gemacht, und wen hast du überhaupt beschützt? War es Durvin?“ Torek blickte kurz zu dem untersetzten Seher.

      „Nein.“ Shemar schüttelte den Kopf und strich sich eine einzelne weiße Strähne, die sich zwischen die dunklen Haare verirrt hatte, zurück. „Ich war der Wächter von Tamaka.“

      „Der Mörder!“ Torek zischte die Worte wütend hervor.

      Nolani schlang ihre Hände ineinander, als könnte sie sich selbst damit Halt geben, während sie besorgt die Stimmungswechsel ihres Sohnes verfolgte.

      „Du solltest nicht alles glauben, was du im Dorf hörst!“ Shemar hob verärgert eine Augenbraue und trat einen Schritt zurück.

      „Willst du damit sagen, dass Bairani lügt? Er hat auch gesagt, dass Tamaka Ronam und seine Tochter getötet hat.“ Torek hatte eine angriffslustige Haltung angenommen und starrte abwechselnd seinen Vater und Durvin an.

      Wieso siehst du nicht