Der Junge presste das Bündel mit dem schreienden Kind an die Brust und stolperte gefühlt über jeden Ast und jede Wurzel, immer wieder musste Xaith ihn auffangen und hochreißen.
Er wäre leichter entkommen, hätte er die Jungen zurückgelassen, doch das kam natürlich nicht in Frage. Verdammte Sympathie.
Der Waldboden war feucht, das nasse Moos rutschte unter ihren Stiefel davon. Doch sie durften nicht anhalten.
Langsam drang das Licht der Morgendämmerung durch die dichten Blätter, sodass sie nicht mehr völlig blind waren. Baron scheute, wieherte schrill, es kostete Xaith große manipulative Kräfte, um den Geist des Pferdes an sich zu bringen, damit es sich nicht losriss und in sein Unglück rannte.
»Ich beschütze dich schon, du störrischer Esel«, brüllte er über die Schulter. Die Ausrüstung, Decken, Töpfe, Werkzeuge, Dolche klimperten auf dem Rücken des Pferdes oder schlugen gegen seine bebenden Flanken, während sie sich durchs Unterholz kämpften.
Bitte, flehte Xaith das Schicksal an, er darf sich bloß kein Bein brechen. Er würde den Hengst vermissen, so sehr als ob ihm ein Arm fehlen würde.
Etwas erhellte hinter ihnen den Wald, Bäume bogen sich, brachen, es krachte ohrenbetäubend laut, sodass um sie herum jeder Vogel, jedes Säugetier aus den Baumkronen und dem Unterholz flüchtete.
Siderius fuhr erschrocken herum, blaues Licht erhellte seine jungen Züge und die aufgerissenen Augen. »Was war das?«
Xaith stieß ihn so grob vorwärts, dass er beinahe wieder hingefallen wäre. »Schau nicht zurück!«
»Oh bei den Göttern, ist es das, was ich denke, was es ist?«
»Lauf einfach weiter!«, herrschte Xaith ihn an.
Der Junge konnte nicht mehr, sie schienen seit Stunden über Stock und Stein zu hechten, das zerrte an ihren Kräften. Lungen und Beine brannten. Und das Krachen in den Baumkronen blieb dicht hinter ihnen.
Ein riesiger Schatten zog Kreise am Nachthimmel, ein grelles Kreischen durchschall den Wald und ließ sie vor Schmerz aufbrüllen, denn ihre Ohren schienen regelrecht zu zerbersten.
»Wir müssen uns verstecken!«, rief Siderius keuchend. »Wir… wir müssen…«
Doch weit und breit fanden sie keine Höhle, nur Wald und noch mehr Wald. Keine Felsen.
Xaith legte eine Hand auf die knorrige Schulter des Jungen und lenkte ihn durch das dichte Unterholz, aber er musste sich eingestehen, dass er kein Ziel verfolgte, sondern dass sie getrieben wurden.
Neben ihnen explodierte der Wald in einem Streifen hellen, blauen Licht, so nah, dass es sie stolpern ließ und sie sich instinktiv zusammenrollten. Xaith schmiss sich auf die Jungen, Barons Zügel fest in den Händen, die in seine Haut schnitten, als der Hengst sich vor Panik aufbäumte.
Der Schrei des Kindes war herzzerreißend und bedenklich, Siderius zitterte unter ihm.
Als sie die Köpfe hoben, sahen sie Rauch und brennende Blätter zu Boden segeln. Blaues, kaltes Feuer fraß sich durch die Wildnis. Ein starker Flügelschlag wirbelte Laub und Asche auf, direkt in ihre Augen.
Sie sahen den großen Schatten neben sich landen und sprangen auf.
»Lauf!« Xaith schubste Siderius in den Wald, fuhr gleichzeitig herum und warf einen orangen Feuerstrahl auf den Schatten, der sich daraufhin verwirrt schüttelte. »Lauf! Lauf so schnell du kannst!«
Willst du mich fangen, Bruder, oder töten?
Tatsächlich wusste man das bei Riath nie so genau.
Sie rannten und rannten, begleitet von dem panischen Schreien eines Neugeborenen und dem schrillen Wiehern des Hengstes.
Siderius hechtete über einen umgestürzten, überwucherten Baumstamm, dahinter klatschte er in ein Loch aus Matsch, seine Schritte patschten.
Xaith nahm den Weg drum herum, winkte den Jungen zu sich. Das Krachen und der Flügelschlag richteten sich nach Norden, drehten aber bald wieder in ihre Richtung, als hätte die Kreatur ihre Witterung erneut aufgenommen.
Sie verschnauften dennoch für einen winzigen Moment hinter einer dicht stehenden Gruppe junger Bäume, und schöpften Atem. Asche klebte in ihren Gesichtern, ihre Knie und Hände waren vom vielen Stolpern aufgeschürft.
»Warum ausgerechnet dieses widerliche Biest?«, fragte Siderius und spähte in den Wald, der im Zwielicht bedrohlich und fremd wirkte. »Ich hasse es.«
»Ich glaube, es mag uns auch nicht sonderlich.« Xaith stieß sich von seinem Stamm ab und packte Siderius` Arm. »Komm, schnell weiter.«
Die Kreatur holte erneut auf und sie mussten wieder rennen. Blind liefen sie auf eine Lichtung, deren hochgewachsenes, braunes Gas ihnen bis zu den Nasenspitzen reichte. Doch dort waren sie ein leichtes Ziel.
Baron galoppierte mit aufgerissenen Augen los, zog an Xaith vorbei und riss ihn beinahe mit, wäre es Xaith nicht gelungen, ihn mit einem Ruck an den Zügeln aufzuhalten und dann zu beruhigen.
»Es kommt zurück!«, schrie Siderius auf.
Xaith fuhr herum. Am dunkelblauen Himmel, der langsam vom Licht der Dämmerung gespeist wurde, sah er die riesige Flügelspannweite und riss die Augen auf. Das Beast hielt im Sturzflug auf sie zu, blaue Flammen waberten aus seinem Maul. Es würde Xaith nicht töten, aber es würde ihn schneller mit diesem Feuer einkreisen und festsetzen als er laufen konnte.
»Achtung!«
Das war nicht seine Stimme. Verwundert drehte er sich um. Am Waldrand zu ihrer Rechten stand ein winziger Umriss, gut hundert Schritte entfernt, und doch bemerkte Xaith sofort das silbrig schimmernde, faustgroße Ding in der Hand des Fremden.
»Runter!«, brüllte er, schmiss sich auf den verwirrten Siderius und riss ihn zu Boden, sodass sie auf das Kind fielen und grunzten.
Baron bäumte sich panisch auf, riss sich endgültig los und stürmte davon. »Nein!«, schrie Xaith aus Leib und Seele, sah seinen geliebten Hengst – den sein Vater ihm geschenkt hatte – vor dem inneren Augen bereits zerfleischt von dem Raubtier.
In jenem Moment, als der fliegende Schatten von seinen Instinkten abgelenkt wurde und dem Pferd hinterher wollte, warf der Fremde aus dem Wald sein Wurfgeschoss, das grell wie ein Stern über Xaith hinwegsegelte. Er blickte ihm nach, seine Drachenaugen verfolgten den schimmernden Flug und beobachtete, wie es genau in die Flugbahn der Kreatur geriet, als hätte der Werfer den Zeitpunkt vorhergeplant und abgepasst. Der schimmernde Gegenstand traf genau zwischen die großen Augen.
Xaith drehte sich schnell weg, legte die Hände über Siderius` Gesicht, und petzte die Augen zu. Trotzdem konnte er das blendend helle Licht sehen und spüren, das hinter ihm im Gesicht der Kreatur explodierte. Ein gequälter Schrei ertönte, tierisch und in den Ohren schmerzend, gefolgt von einem Beben der Erde, als die Kreatur auf dem Boden aufschlug.
»Schnell!« Der Fremde war bei ihnen, zog sie auf die Beine. Er hatte zierliche Finger, die ungefragt Xaiths Hand packten und mit sich in den Schutz der Bäume zogen.
»Baron!«, rief Siderius und sah über die Schulter, das Köpfchen des Kindes an seinen Hals gedrückt.
»Der findet zu uns zurück, wie immer!«, herrschte Xaith ihn an, riss den Jungen mit sich.
Er dachte nicht nach, wollte nur weg, und vertraute deshalb dem Fremden, der in einen großen Umhang gehüllt vor ihm herlief und ihn durch immer enger werdende Gänge durch den Wald führte.
Die Kreatur wimmerte noch immer blind auf der Lichtung, der Wind trug die Laute davon, doch bald wurde sie wieder etwas sehen und die Verfolgung aufnehmen.
Sie schlugen Haken, der Wald war aufgebracht, überall schimpfte es im Unterholz, raschelte es, die Tiere waren in Alarmbereitschaft.
»Hier!« Der Fremde ging zielstrebig auf eine dunkle Aushöhlung zu. Erst als